DFB-Ernüchterung im Schnellcheck Oh Man(n), oh Man(n)!
16.11.2022, 20:57 Uhr
Leroy Sané und das DFB-Team müssen sich noch tüchtig steigern.
(Foto: dpa)
Den einzigen WM-Test nutzt Bundestrainer Hansi Flick für personelle Experimente. Beim mauen Sieg gegen den Weltranglisten-75. Oman kann sich die zweite Reihe des DFB-Teams kaum empfehlen. Eine peinliche Nullnummer verhindert ein Debütant.
Was ist im Sultan Qaboos Sports Complex passiert?
Das Beste an diesem Allerweltsmittwoch ist: Die Bilanz der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen den Weltranglisten-75. Oman bleibt perfekt. Auch das zweite Länderspiel der Geschichte gegen die Auswahl von der arabischen Halbinsel geht an das DFB-Team. Mit 1:0 (0:0) verabschiedet sich das Team von Bundestrainer Hansi Flick zur umstrittenen Weltmeisterschaft nach Katar, die einer aktuellen Umfrage der Sportschau 56 Prozent der Befragten ohnehin boykottieren wollen. Für all die anderen gilt: Als sportlicher Euphorie-Flickflack taugte dieses Spiel vor 25.564 Zuschauern nicht. Tatsächlich waren die Gastgeber – mit einem Marktwert von 5,28 Millionen Euro exakt zwischen Drittliga-Gigant Rot-Weiss Essen und Drittliga-Tabellenführer SV Elversberg einzusortieren – in den ersten 45 Minuten meist sogar gefährlicher.
Nach etwas besseren zweiten 45 Minuten und einem Tor von Niclas Füllkrug (80.) steht am Ende immerhin ein Erfolgserlebnis für die Mannschaft, in der zahlreiche Leistungsträger und vermeintliche Stammspieler geschont wurden. Es steht ein Erfolgserlebnis, wie vor viereinhalb Jahren, als Saudi-Arabien im finalen WM-Test in Leverkusen mit 2:1 zäh niedergerungen wurde. Das Ende der Reise ist bekannt: In Russland gab es für Deutschland ein krachendes Debakel. Vergleichbar ist die Lage natürlich nicht. Die Umstände mit dem zerfetzenden Özil-Gündoğan-Erdoğan-Foto-Eklat, dem seltsam entrückten Bundesjogi und einer gleichermaßen seltsam entrückten Marketingstrategie waren ganz andere. Einzig ein Gegner von der arabischen Halbinsel und die schwülheißen Temperaturen in der BayArena im Frühsommer 2018 dürften jenen in der Hauptstadt Maskat an diesem Mittwochabend geähnelt haben. Ende der Reise in Katar? Offen.
Teams & Tore
Tor: 0:1 Füllkrug (80.)
Oman: Al-Mukhaini - Al-Harthi, Al-Khamisi, Al-Habsi, Al-Kaabi (87. Al-Amiri) - Al-Yahmadi (90.+1 Al-Musalami), Al-Saadi, Al-Yahyaei (87. Al-Alawi), Al-Aghbari (90.+1 Al-Mamari) - Al-Subhi (ab 61. Al-Ghassani), Al-Alawi (ab 61. Abdraboh); Trainer: Ivankovic.
Deutschland: Neuer - Klostermann (34. Bella Kotchap), Kehrer, Ginter (46. Schlotterbeck), Raum (46. Günter) - Gündogan (65. Brandt), Goretzka (46. Kimmich) - Hofmann, Havertz, Sané - Moukoko (46. Füllkrug); Trainer: Flick.
Schiedsrichter: Mohammed Al Huwaish (Saudi-Arabien)
Zuschauer: 25.654 (in Maskat)
Was war die Schlüsselszene?
Puh, in der 72. Minute hätte es beinahe die denkbar krachendste Prä-WM-Watschn, sprich Ernüchterung, für das DFB-Team gegeben. Jameel Al Yahmadi brach nach einem fatalen Ballverlust von Jonas Hofmann mit viel Tempo über die rechte Seite durch, hatte dort ganz viel Platz, weil der eingewechselte Linksverteidiger Christian Günter nicht auf Position war. Al Yahmadi zog in den Strafraum, passte ins Zentrum, wo Muhsen Al Ghassani freistehend in die Hereingabe rutschte, weil Innenverteidiger Armel Bella-Kotchap ebenfalls nicht auf Position war. Doch der Stürmer grätschte den Ball irgendwie noch am Tor vorbei… oh man, oh man, OMAN! Diese Szene, sie entlarvte auf fast fatale Weise, wie schlecht die Konterabsicherung der deutschen Mannschaft war/ist. Ein Thema, das Flick seit Monaten mit sich herumschleppt. Egal in welcher personellen Konstellation.
Wie hat sich das deutsche Team geschlagen?
Nun, die Sache war nicht leicht für die Flick’schen Fußballer. Die Bedingungen in Maskat waren nicht nur heiß, sondern auch schwül. Also nicht vergleichbar mit dem deutschen Herbst, selbst wenn der auf erschreckende Weise viel zu warm war. Aber vermutlich vergleichbar mit dem WM-Emirat Katar, auch wenn die Stadien vor Ort dank Klimaanlagen deutlich runtergekühlt werden. Auch so ein Aspekt, der das Turnier höchst fragwürdig macht. Vor allem weil derzeit im 2500 Kilometer von der katarischen Hauptstadt Doha entfernten Scharm-El-Scheich wieder einmal nach einer nachhaltigen globalen Klimapolitik gerungen wird.
Gut, nicht das Thema der deutschen Mannschaft an diesem Abend. Es ging um akklimatisieren und Spaß haben. Der Bundestrainer schickte zunächst eine Mannschaft auf den Platz, die im Wüsten-Emirat weder so spielen wird noch an diesem Abend Spaß am Spiel hatte. Nach vorne war die Leistung arg ideen- und mutlos, die Absicherung gegen die Konter der Gastgeber nicht stabil. Über 90 Minuten nicht. Die Defensive, sie bleibt das Problem. Auch wenn die Besetzung von der Sechs über die Außen- bis zu den Innenverteidigern bei der WM eine andere sein wird. Ganz sicher. Dennoch: Besonders Spitzenspieler Arshad Al-Alawi sorgte immer wieder für Unruhe, der 22-Jährige hat einen Marktwert von 450.000 Euro, etwa so viel wie der Essener Felix Götze.
Deutschland hätte dennoch mit der Führung in die Pause gehen können. In der Nachspielzeit traf Youngster Youssoufa Moukoko bei seinem Debüt nur den Pfosten. Es war eine von zwei guten Chancen. Mit der ersten war Kai Havertz am starken Ibrahim Al-Mukhaini gescheitert. Der bekam in der zweiten Halbzeit mehr zu tun, was unter anderem an Niclas Füllkrug lag, der eingewechselt worden war und seinem Team viel mehr Präsenz im Strafraum gab. Doch das Aufflackern dauerte nur rund 15 Minuten. Zweimal verhinderte Keeper Al-Mukhaini die deutsche Führung mit überragenden Reflexen, zunächst gegen Füllkrug (53.) und bei der folgenden Ecke gegen Thilo Kehrer (54.). Danach konterte der Oman, hatte Pech – und Deutschland am Ende den Sieg, weil Füllkrug Stürmerdinge tat, Dinge also, die Deutschland lange vermisst hat. Ein Hoffnungsschimmer an einem frustrierenden Allerweltsabend.
Was sagt der Bundestrainer?
"Dieses Ergebnis kann nicht zufriedenstellen", sagte der Bundestrainer. Er monierte fehlende Geschwindigkeit im Spiel und zu viele Pässe, die nicht den Adressanten fanden. Es sind Sätze, Kritikpunkte aus dem Februar 1998, als Deutschland zum ersten Mal gegen den Oman spielte und dank Jürgen Kohler und Jörg Heinrich eine Blamage verhinderte (2:0). Der Trainer damals hieß Berti Vogts. Und was sagte sein Nach-Nach-Nach-Nach-Nachfolger Flick? "Es war okay, es hat seinen Sinn erfüllt. Man kann auch ein bisschen Verständnis für die Spieler haben, dass nicht jeder so in die Zweikämpfe reingegangen ist, um sich nicht zu verletzen. In der zweiten Halbzeit war unser Spiel wesentlich besser. Wir wollen dieses Spiel sacken lassen, aber es hat sich nichts groß verändert."
Quelle: ntv.de