
Mit großer Ausdauer warfen Hertha-Fans Tennisbälle auf den Rasen und drumherum.
(Foto: IMAGO/Jan Huebner)
Mehr als 30 Minuten lang fliegen Tennis- statt Fußbälle durch das Berliner Olympiastadion. Hertha-Fans erzwingen mit ihrem Protest gegen Investoren bei DFL und Klubs eine lange Spielunterbrechung. Ein Protest, der auch in Gedenken an Kay Bernstein gesehen werden kann.
Im Berliner Olympiastadion tickten die Uhren am Samstagabend anders. Nach 22 Uhr auf Anweisung von Schiedsrichter Daniel Schlager, der die weit vorangeschrittene Spielzeit auf 52:30 Minuten zurücksetzen ließ. Zuvor, weil die Fans von Hertha BSC im Spiel gegen den Hamburger SV (1:2) ein deutliches Zeichen setzten - so ausdauernd wie noch niemand vor ihnen.
"Investorenwahnsinn endlich stoppen, ob in der DFL oder in den Vereinen" stand auf dem Banner, das in der Ostkurve ausgebreitet wurde. Dann ging es los, Tennisbälle statt Fußball. Unermüdlich, mithilfe mitgebrachter Schleudern, wurde der Graben und die blaue Tartanbahn überwunden. Immer wieder. Mehr als eine halbe Stunde unterbrachen sie die Partie.
Die kleinen, gelben Filzbälle waren auch schon in anderen Stadien geflogen, sogar im Olympiastadion am selben Abend. Denn auch die HSV-Anhänger hatten sie mitgebracht. Wahlweise hatte es bei anderen Protesten Schokoladentaler oder Flummis geregnet. Nie mit der Ausdauer, mit der die Hertha-Fans agierten. Gegen die Pläne der Deutschen Fußball-Liga (DFL), sich einen Investor ins Boot zu holen. Gegen Investoren in den Klubs.
Ziviler Ungehorsam als Gedenken
Die Berliner Fans wissen, was für Auswirkungen das haben kann. Lars Windhorst war dem Verein als großer Heilsbringer erschienen und verschlimmerte das Chaos um Welten. Auch deswegen hatte Herthas vor knapp drei Wochen verstorbener Präsident Kay Bernstein im Dezember bei der DFL gegen den Einstieg gestimmt. Die abgestürzte Alte Dame als mahnendes Beispiel.
Ziviler Ungehorsam als würdiges Gedenken für ihren Präsidenten, so kann es interpretiert werden. Wer von den Fankurven erwartet, immer nur gute Stimmung zu machen und mit tollen Choreografien zu begeistern, der liegt falsch. Niemand wird bei dieser Art des Protests verletzt, aber er nervt so richtig bohrend. Nicht ein paar Minuten ärgern und dann ist auch wieder gut.
Hertha-Geschäftsführer Thomas Herrich sagte: "Ich habe totales Verständnis für die Kritik. Es ist völlig legitim, Aktionen zu machen und Kritik zu äußern." Er betonte aber auch: "Die Art und Weise ist das andere. Das ging mir deutlich zu lange." Der Spielfluss sei gestört worden. Das sagte auch Hertha-Trainer Pal Dardai. Nervend, bohrend eben.
Dardai: "Sie haben ihr Wort gehalten"
"Es kamen immer mehr Bälle, von der einen und der anderen Seite. Wir haben versucht, zu warten. Wir haben versucht, einzuwirken, über die Spieler und den Trainer. Irgendwann mussten wir Konsequenzen ziehen", so Schlager bei Sport1. Er schickte die Mannschaften vom Platz. "Wenn wir in die Katakomben gehen, dann ist das wirklich das letzte Mittel", erklärte der Schiedsrichter nach der Partie. "Da wusste dann auch jeder, glaube ich, welche Konsequenz folgen könnte" - Spielabbruch beim Stand von 0:0. Wären nach dem Wiederbeginn weitere Bälle geworfen worden, wäre er erfolgt. "Wir können ja nicht stundenlang warten, bis die Fans damit aufhören. Dann wäre es schon irgendwann die letzte Konsequenz gewesen", so Schlager.
Es kam nicht so weit. Auch, weil Dardai in die Kurve ging, als er sich um einen Spielabbruch sorgte. "Aber dann habe ich mit den Fans gesprochen, die mir gesagt haben, dass sie das auch nicht wollen. Sie haben ihr Wort gehalten, alles gut."
Herrich plant Gespräche mit den Fans: "Wir werden immer in den Dialog gehen und das werden wir auch jetzt tun." Seine Befürchtung ist eine "empfindliche Strafe" durch die DFL - ein Graus für den - auch wegen der Investorenspielchen - klammen Klub.
Auch die DFL wird sich Gedanken machen müssen, sie dürfte mit der Ausdauer der Fans nicht gerechnet haben. Der Investor steht ja noch nicht einmal fest - bei der Bekanntgabe dürfte sich der Ungehorsam weiter steigern. Und so zeigt sich: Im deutschen Fußball ticken die Uhren doch deutlich anders als in anderen Ligen.
Quelle: ntv.de