Bayerns Meister-Trainer auf Titeljagd Guardiola regiert mit gestärkter Macht
26.04.2015, 21:35 Uhr
Pep Guardiolas Macht beim FC Bayern ist gefestigt.
(Foto: imago/Team 2)
Die Macht von Trainer Josep Guardiola ist nicht unumstritten. Doch der FC Bayern gibt ihm große Entscheidungsfreiheit. Lohn ist nun die 25. Meisterschaft. Denn egal wie stark Guardiola dem Verein seinen Stempel aufdrückt: Der Erfolg gibt ihm Recht.
Titel Nummer eins haben sie sich gesichert, "Operation Triple" läuft nach Plan. Die Fußballer des FC Bayern sind nach dem 1:0-Sieg gegen die Berliner Hertha und Gladbachs 1:0 gegen Wolfburg vorzeitig Deutscher Meister - zum 25. Mal in der Vereinsgeschichte. Doch groß gefeiert haben die Münchner nicht. Schließlich haben sie noch Großes vor und erst ein Drittel ihrer ehrgeizigen Saisonziele erreicht. Es geht weiter, immer weiter. Auch für Trainer Josep Guardiola.
Im Halbfinale des DFB-Pokals geht es an diesem Dienstag (ab 20.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) gegen Borussia Dortmund, und am 6. Mai steht in der Champions League das erste Semifinalspiel gegen den FC Barcelona an. Und auch wenn es ein wenig abgedroschen klingt: Jede Partie ist ein Endspiel. Das ist ganz im Sinne des Rekordmeisters, selbstbewusst genug ist Guardiolas Elf allemal. Bei der 6:1-Gala gegen den FC Porto nach einem verpatzen Hinspiel im Viertelfinale der europäischen Königsklasse hat sie gezeigt, wozu sie fähig ist und dürfte auch Guardiola, den ewigen Zweifler, optimistisch gestimmt haben für den weiteren Verlauf in der Champions League. Das blamable Ausscheiden gegen Real Madrid im vergangenen Jahr nagt schließlich immer noch an ihm. Er setzt sich selbst unter großen Erfolgsdruck, will es dieses Jahr besser machen.
Heynckes'sches Triple-Wunder reloaded?
Der Startrainer kam 2013 mit großen Vorschusslorbeeren nach einem Sabbatjahr in New York an die Säbener Straße. Das Ziel war klar definiert: Nichts weniger als die Wiederholung des Heynckes'schen Triple-Wunders sollte es sein. Und klar, die Münchener rollten ihm den roten Teppich aus. Die taktischen Finessen Guardiolas sind bekannt - mit dem FC Barcelona gewann er in vier Jahren zwei Mal die Champions League. Titel am Fließband sind sein Anspruch. Das passt auch zu den Träumen von Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandschef, und den Vorstellungen des Sportvorstands Matthias Sammer.
Viele sprechen vom "System Guardiola". In der Tat ist die Mannschaft nach dem Kraftakt gegen Porto, als sie trotz fünf verletzter Stammspieler Fußball am Rande der Perfektion zelebrierte, mehr denn je Guardiolas Mannschaft. Und der Trainer lässt keine Gelegenheit aus, seine Spieler als "meine Helden" zu loben.
Zu Beginn seiner Arbeit beim FC Bayern sagte der Spanier: "Das System ist egal. Ich muss mich zu 100 Prozent an meine Spieler und ihre Qualität anpassen. Die Spieler in Barcelona sind anders als die bei Bayern. Lasst mir bitte Zeit, Schritt für Schritt!" Es geht nicht nur um Offensivfußball mit schönen Kombinationen. Nein. Guardiola will, dass sein Team den Gegner beherrscht, ihn in die Enge treibt und ihn mit erdrückendem Ballbesitz die Luft zum Atmen raubt. Mit Barcelona hat er gezeigt, wie er sich den Traumfußball vorstellt: Tiki-Taka-Fußball vom Feinsten. Selbst der oft so nüchterne Matthias Sammer frohlockt nach dem Sieg gegen Porto im Interview bei Sport 1: "Pep Guardiola ist für den deutschen Fußball und für den FC Bayern ein Segen, weil seine Ideen befruchtend sind. Ich bin stolz, dass wir auch in der kritischen Phase so zusammengehalten haben."
Tika-Taka und Taktik, Taktik, Taktik
Das ist auch möglich, weil Guardiola seine Spieler immer wieder dirigiert, sie taktisch anweist. Und die Münchner können damit gut umgehen: Selbst als sie gegen Porto dem Gegner haushoch überlegen sind und nach 40 Minuten bereits mit 5:0 führen, pfeift er immer wieder Kapitän Philipp Lahm, Jérôme Boateng und andere Spieler an die Seitenlinie. Der Katalane arbeitet am liebsten mit Spielertypen á la Lahm, David Alaba und Thiago Alcántara - die kleinen, schnellen Spieler sind rundum flexibel, können ihr Spiel von einer Minute auf die andere taktisch umstellen und damit Partien entscheiden.
Eine starke Mannschaft wie Bayern München kann diese taktischen Anweisungen sehr schnell umsetzen. Guardiola weiß, dass er die Spieler extrem flexibel umstellen kann. Es funktioniert nahezu perfekt - auch wenn Guardiola es hasst, wenn jemand von Perfektion spricht. "Wir können es noch besser", sagte er auch nach dem Triumph gegen Porto.
Wenn es einmal nicht so läuft, wie im Hinspiel gegen Porto, dann können die Bayern eine Woche später plötzlich Weltklasse-Fußball spielen. Und genau dafür haben sie den 44-Jährigen auch verpflichtet. Der Katalane möchte nicht nur Trainer, sondern auch Vordenker sein. Er lebt eine eigene Fußball-Philosophie und ordnet dieser alles unter - das müssen auch seine Spieler verinnerlichen. Der Verein musste in den vergangenen Monaten auch einiges tun, um Guardiolas Ansprüche zu befriedigen.
Die Einkaufspolitik ist dabei ein wichtiges Thema: Bei der Konkurrenz von Borussia Dortmund werden Transferentscheidungen im Trio mit Trainer, Manager und Sportdirektor einstimmig entschieden. So sprachen sich Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc für eine Verpflichtung von Mario Mandzukic aus, doch Trainer Jürgen Klopp war dagegen. Der Transfer kam nicht zustande. Bei Bayern macht es den Anschein, als laufe es anders ab. In der öffentlichen Wahrnehmung sieht es so aus, als ob die Wünsche des Trainers absolute Priorität haben. Er wollte Mario Götze, Thiago, Medhi Benatia, Juan Bernat und Xabi Alonso - und er bekam sie auch. Alle fügen sich tadellos in sein System ein.
Er fordert umfassende Macht ein
Die Spielidee des Fußballlehrers basiert auch auf technisch versierten Spielern - und deshalb nimmt Guardiola bei seinen Vereinen gerne die Option auf Wunschspieler wahr. "Thiago oder nix" ist mittlerweile ein geflügeltes Wort. Doch auch diese Verpflichtung gibt ihm Recht - sein Wunschspieler erlöst Bayern zum 1:0 im Rückspiel gegen Porto und liefert eine fantastische Partie. Auffällig ist auch die weitere Transferpolitik - mit Bernat, Alonso und Pepe Reina kamen Spanier ins Team. Mit Javier Martínez ist es fast schon eine spanische Armada in der bayrischen Hauptstadt. Das gefällt nicht jedem Beobachter. Aber es funktioniert.
Mit diesen Spielern will Guardiola den Erfolg erzwingen. Das Vertrauen in ihn scheint grenzenlos. Karl-Heinz Rummigge hört auf seinen Cheftrainer: "Alle Ratschläge, die uns Pep bisher gegeben hat - egal ob es Thiago war oder im letzten Sommer Xabi Alonso - waren gute Ratschläge. Ich habe kein Problem damit, wenn ich als Marionette dieses Trainers kritisiert werde. Ich muss sagen, der Trainer ist ein absoluter Profi, ein absoluter Freund der Qualität", sagte Rummenigge bei Spox.com. Im Kampf um die Deutsche Meisterschaft sind die Bayern nie gefährdet gewesen, auch das stärkt die Arbeit des Startrainers.
Guardiola hat auch Sonder-Trainingsmethoden auf Lager: Einst warf er Bayern-Mitarbeiter aus den Büros, weil er Angst hatte, sie könnten das Geheimtraining vor einem Champions-League-Spiel bespitzeln und die Aufstellung veröffentlichen. Wo jemand wie Guardiola alles neu aufwirbelt, kommen schnell die Gedanken an Jürgen Klinsmann auf. Der ehemalige Übungsleiter ließ das Trainingsgelände umbauen und versuchte auch sonst, vieles an der Säbener Straße zu ändern. Doch das war nicht von Erfolg gekrönt, er wurde vorzeitig entlassen.
Einen enorm hohen Machtanspruch beim FC Bayern hat auch Guardiola. Der große Unterschied zu Klinsmann ist: Solange die Münchener Titel holen und Fußball auf Weltklasseniveau liefern, wird niemand diese Macht in Frage stellen.
Quelle: ntv.de