Aus-Versehen-Tor und Irrsinn Hansi Flick überschüttet die Welt nach verrücktem Comeback mit Liebe
22.01.2025, 09:29 Uhr
Kaum eine Regung nach außen, aber innerlich strahlte Hansi Flick.
(Foto: IMAGO/NurPhoto)
Dieses Fußballspiel bietet alles: Slapstick, Eigentor, gleich drei Foulelfmeter, den FC Barcelona am Boden - und am Ende obenauf. In der Champions League dreht das Team von Trainer Hansi Flick die Partie bei Benfica Lissabon und hat das Achtelfinale sicher. Wie das passiert ist, kann nach Abpfiff niemand fassen.
"Das ist Fußball und deshalb lieben wir ihn." Es klingt wie eine Plattitüde, was Hansi Flick da nach dem Champions-League-Spiel seines FC Barcelona bei Benfica Lissabon sagt. Doch das "verrückte, verrückte Spiel", das er da gerade miterlebt hatte, lässt keinen anderen Schluss zu.
Kostprobe gefällig? Bitte sehr: Benfica-Torhüter Anatolij Trubin schlägt den Ball lang raus aus dem Fünfmeterraum, doch da steht Gegenspieler Raphinha zufällig im Weg. Der Ball trifft ihn am Kopf -prallt am Offensivmann des FC Barcelona ab und fliegt aus etwa 18 Metern Entfernung ins Tor. Der Schlussmann von Benfica Lissabon kann ihm nur noch hinterherschauen. Kopfballtor des 28-Jährigen in der 65. Minute des Champions-League-Spiels. Der weiß gar nicht, wie ihm geschieht, jubelt erst mit Verzögerung. Über einen Treffer, für den er gar nichts kann.
Unfreiwillig bringt Trubin damit den Gegner wieder ins Spiel, 3:1 führte Benfica bereits nach 30 Minuten gegen die Katalanen mit Trainer Flick. Vangelis Pavlidis trifft mit dem ersten Benfica-Angriff zur Führung (2.), ehe Robert Lewandowski per Elfmeter nach Videobeweis ausgleichen kann (13.). Das kümmert Pavlidis aber nicht, er schlägt nur zehn Minuten später einfach wieder zu. Und weil wir im Spiel der kuriosen Treffer sind, geht dieser natürlich auch nicht normal vonstatten.
Flick findet es "unglaublich"
Barça-Torhüter Wojciech Szczesny stürmt nach einem langen Ball von Benfica-Verteidiger Nicolas Otamendi etwas übermotiviert raus, prallt dabei aber mit seinem eigenen Verteidiger Alejandro Balde zusammen, der seinerseits den Schuss klären wollte. Weil die beiden miteinander beschäftigt sind, kommt Pavlidis an den Ball und schießt aus 20 Metern ins freie Tor (23.). Nur sieben Minuten später ist es erneut der Grieche, der sich zum dritten Mal an diesem Abend in die Torschützenliste einträgt, diesmal per Strafstroß. Zur Erinnerung, es ist bereits der zweite des Spiels nach 30 Minuten.
Wer da noch nicht dachte, er würde Zeuge eines ganz besonderen Fußballspiels, der wurde mit Vehemenz in der 68. Minute noch einmal darauf hingewiesen. Denn statt nach dem kuriosen 3:2-Anschlusstreffer die große Aufholjagd zu starten, versenkt sich Barcelona erneut.
Innenverteidiger Ronald Araújo hält bei einer Benfica-Hereingabe, die eigentlich zu nah vors Tor von Wojciech Szczesny geht, total unnötig den Fuß rein, ist damit vor Szczesny am Ball und spitzelt ihn versehentlich ins Tor. 4:2 für Benfica. Jetzt ist es aber gelaufen für Barca oder? Denkste!
"Ich glaube nicht, dass ich je so ein Comeback erlebt habe. Unglaublich", so Flick. Denn in der 77. Minute bekommt sein Team erneut einen Elfmeter zugesprochen und Ex-Bayern-Stürmer Lewandowski versenkt ihn zum zweiten Mal gewohnt cool. Halbhoch, aber genau ins rechte Eck. 4:3, Barcelona kommt wieder ran. Keine zehn Minuten später gleicht Barca sogar aus, weil der eingewechselte Eric García den Ball nach einer Flanke per Kopf unter die Latte wuchtet, Trubin ist chancenlos.
Flick hätte Remis gut gefunden - er bekommt mehr
Flick ist zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon besänftigt mit seinem Team: "In der Halbzeit haben wir uns gesagt, dass wir etwas ändern wollen, eine bessere Positionierung brauchen und zurückschlagen wollen. Die Mentalität des Teams ist so gut. Ich war mit einem Punkt sehr zufrieden." Doch es ist immer noch nicht Schluss. Und so kann der frühere Bundestrainer anfügen: "Aber mit drei Punkten ist es natürlich noch besser. Wir haben es verdient."
Weil Weltmeister Ángel Di María das 5:4 für Benfica in der 89. Minute auf dem Fuß hat, letztlich aber einen Moment zu lange zögert und Szczesny parieren kann. Und vor allem, weil Raphinha noch einmal zuschlägt - diesmal mit voller Absicht, tief in der Nachspielzeit (90.+6). Szczesny leitet einen Konter über Ferran Torres ein, der spielt den langen, steilen Ball auf Raphinha, der Brasilianer vernascht Verteidiger Alvaro Fernandez mit einem Schlenker und trifft aus sieben Metern flach ins Tor. 4:5 - und Benfica kann nichts mehr daran ändern. Das Spiel ist aus. Benfica verliert, obwohl es bis zur Nachspielzeit nie zurückgelegen hatte.
Und bei den Katalanen wissen sie gar nicht, wohin mit ihrer Freude. "Sie haben uns sehr wehgetan. Es ist ein unglaublicher Sieg. Wir haben in diesem Spiel nie den Kopf verloren. Die Mentalität der Mannschaft ist unglaublich", sagt Torschütze Eric Garcia. Und Raphinha erklärt: "Es war ein spektakuläres Spiel. Es hätte von Benfica oder von uns gewonnen werden können. Wir haben in diesem Spiel nie den Kopf verloren."
Flick liebt Lissabon
Auch Flick ist völlig euphorisiert. Er äußert eben seine Lobeshymne auf sein Team - und fügt dann eine Liebeserklärung für Lissabon an. "Vielleicht liebe ich Lissabon", sagt der 59-Jährige. "Die Atmosphäre hier ist unglaublich, die Fußballkultur ist toll." Kein Wunder, 2020 hatte er in der portugiesischen Hauptstadt mit dem FC Bayern die Champions League gewonnen, nun qualifiziert er sich mit dem FC Barcelona vorzeitig fürs Achtelfinale, kann sich die lästigen Playoff-Spiele sparen.
Benfica dagegen ist ernüchtert. So lange geführt und doch keine Punkte gesammelt. Mit zehn Punkten müssen sie sogar fürchten, aus den Playoff-Rängen verdrängt zu werden. Das finale Spiel der Vorrunde steht kommende Woche bei Juventus Turin an.
Quelle: ntv.de, ara