Fußball

Man United ist noch zu gut Klopp kultiviert seinen FC Liverpool

Jürgen Klopp hebt den FC Liverpool auf ein höheres Niveau. Doch zur Spitze fehlt noch etwas.

Jürgen Klopp hebt den FC Liverpool auf ein höheres Niveau. Doch zur Spitze fehlt noch etwas.

(Foto: imago/PA Images)

Trotz der Niederlage bei Manchester United ist der FC Liverpool auf dem Weg zur besten Premier-League-Saison unter Trainer Jürgen Klopp. Doch für mehr als den dritten Platz muss sich das Team verbessern - auch personell.

Das Heimpublikum war schon nach Hause gegangen oder hatte sich auf die vielen Pubs verteilt, die in den Straßen um das Old Trafford liegen, doch im Gästeblock wurde noch gefeiert. Die Fans des FC Liverpool klatschten und sangen, wie auf den Videos zu sehen war, die nach der Partie über die sozialen Medien verbreitet wurden, auch roter Rauch stieg auf. Der Anhang aus der rund 55 Kilometer westlich gelegenen Stadt am Mersey-Fluß sah keinen Anlass zur Trauer, trotz des 1:2 im Nordwest-Derby gegen Manchester United, dem immer noch größten Spiel im englischen Fußball. Der Frohsinn war nachvollziehbar, so schräg er auch wirken mochte im unmittelbaren Moment der Niederlage, denn die grundsätzliche Entwicklung der Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp ist ordentlich. Es geht voran. Langsam, aber immerhin.

Das Team verpasste es zwar, United vom zweiten Tabellenplatz zu verdrängen, der Rückstand beträgt nach der Niederlage durch die beiden Treffer von Marcus Rashford in der ersten Halbzeit fünf Punkte. Doch auch Rang drei am Ende der Saison wäre eine leichte Verbesserung nach dem achten Platz in Klopps erster und dem vierten Platz in seiner zweiten Spielzeit in Liverpool. In der Champions League hat die Mannschaft gerade das Viertelfinale erreicht, zum ersten Mal seit neun Jahren, und das sehr souverän, durch ein 5:0 im Hinspiel beim FC Porto und ein torloses Unentschieden im bedeutungslosen zweiten Treffen an der Anfield Road.

Der Verein lebt neben seiner reichen Geschichte und seiner Bedeutung für den Fußball und die Fußball-Kultur vor allem von Titeln. Und wie groß die Sehnsucht nach der ersten Trophäe seit dem Ligapokal 2012 ist, zeigt der Umstand, dass die ersten Fans schon vom Gewinn der Champions League träumen. Doch so weit ist die Mannschaft wohl noch nicht, das war gegen Manchester United zu besichtigen.

Defensive wird stabiler

Liverpool hat eine der faszinierendsten Offensiven Europas mit Sadio Mané, Roberto Firmino und Mohamed Salah, der in seiner Premierensaison bei dem Verein in allen Wettbewerben schon 32 Tore geschossen hat und der einzige echte Konkurrent für Manchester Citys Regisseur Kevin De Bruyne um den Titel als Spieler der Saison ist. Auch die notorisch brüchige Defensive machte in den vergangenen Wochen Fortschritte, nicht zuletzt wegen Virgil van Dijk, dem bislang teuersten Abwehrspieler im Weltfußball, aber auch dank des fleißigen Linksverteidigers Andrew Robertson und des deutschen Torhüters Loris Karius, der seit Mitte Januar wieder sein Glück als Nummer eins versuchen darf.

Die Mannschaft hat zuletzt ein paar sehr solide Pflichtsiege gesammelt und gewinnt mittlerweile Spiele, die vor ein paar Monaten vermutlich noch unentschieden ausgegangen wären. Auch die Medien haben diesen Trend wohlwollend registriert, nachdem es im Verlauf der Saison zunehmend Kritik an Klopp gegeben hatte wegen der fehlenden Balance zwischen offensivem Spektakel und defensiver Absicherung. Und durch das 4:3 Anfang des Jahres gegen den bis dahin - und seitdem - in der Liga ungeschlagenen Tabellenführer Manchester City bewies die Mannschaft, dass sie jeden Gegner schlagen kann. Das alles ist allerdings keine Garantie.

Gegen United erlebte die Abwehr in den entscheidenden Situationen einen Rückfall in alte Chaostage. Dejan Lovren sah bei beiden Gegentoren schlecht aus, der junge Trent Alexander-Arnold ließ sich vor dem 0:1 von Rashford düpieren wie ein Anfänger und fälschte den Ball beim 0:2 unglücklich ab. Van Dijk vermochte es nicht, der Defensive die Stabilität der vergangenen Wochen zu verleihen. Im Angriff zeigte sich, dass Klopps Mannschaft immer noch Probleme gegen einen tief stehenden, gut organisierten Gegner hat, wenn sich keine Räume für Mané, Firmino und Salah öffnen. Liverpool hatte gegen United nur eine echte Chance, einen Kopfball von Van Dijk nach einer Ecke in der ersten Halbzeit. Der Anschluss eine halbe Stunde vor dem Ende fiel durch ein Eigentor von Eric Bailly.

Beide Manchesters sind unerreicht

Immerhin, Liverpool ist nicht eingebrochen nach dem frühen Zwei-Tore-Rückstand, die Mannschaft kam zurück und hätte mit ein bisschen Glück sogar noch den Ausgleich schießen können, wie auch Trainer Klopp anmerkte, außerdem hätte das Team seiner Meinung nach einen Elfmeter bekommen müssen in der Schlussphase nach einem Duell von Marouane Fellaini gegen Mané. Doch wie es aussieht, ist der dritte Platz in der Liga - der an diesem Sonntag wieder an Tottenham verloren gehen könnte - im Moment das Maximum für Liverpool. An den beiden Klubs aus Manchester ist kein Vorbeikommen.

Um eine ernste Rolle im Kampf um die Meisterschaft zu spielen, muss sich die Mannschaft in der Defensive weiter verbessern, spielerisch und wohl auch personell. Die Verpflichtung eines zweiten Hochklasse-Innenverteidigers neben Van Dijk scheint unumgänglich. Auch im Mittelfeld entsteht zur neuen Saison vermutlich eine Vakanz durch den sich andeutenden Weggang von Emre Can. Und ob Karius im Tor eine langfristig funktionierende Variante ist, muss sich erst zeigen. Er hält im Moment gut, trug an der Niederlage gegen United keine Schuld, doch das Umfeld in Liverpool träumt von einer großen Lösung zwischen den Pfosten, von Brasiliens Nationaltorwart Alisson vom AS Rom oder Jan Oblak von Atlético Madrid.

Klopp weiß, dass er noch viel Arbeit vor sich hat, ihm ist klar, dass ein zweiter, dritter oder vierter Platz auf Dauer zu wenig ist. Bei seiner Ankunft vor zwei Jahren und fünf Monaten hat er dem Klub einen Titel innerhalb von vier Jahren versprochen. Das Warten darauf geht auch in dieser Saison weiter. Es sei denn, die Mannschaft gewinnt die Champions League. Ausgeschlossen ist das natürlich nicht. Aber auch eher unwahrscheinlich.

Quelle: ntv.de

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