Fußball

Sechs Erkenntnisse des Spieltags Klopp tobt, Hoeneß lebt, Völler träumt

Contenance? Jürgen Klopp.

Contenance? Jürgen Klopp.

(Foto: imago/Horstmüller)

Dortmunds Trainer Jürgen Klopp zeigt in der Fußball-Bundesliga seine weltbekannte Mimik, Rudi Völler hofft auf die Wende in Leverkusen - und Uli Hoeneß ist nicht tot. Auch wenn sie sich beim FC Bayern so anhören.

1. Haftstrafen sind überbewertet

Beim FC Bayern können sie auch Tagesgeschäft, das hat dieser 25. Spieltag der Fußball-Bundesliga gezeigt. Ein 2:1-Sieg gegen Bayer Leverkusen, klingt knapp, aber die Mannschaft von Josep Guardiola hat die Partie dominiert, keine große Sache, auch wenn es das 50. Spiel der Münchner hintereinander war, das sie nicht verloren haben. Bastian Schweinsteiger hatte zwei lichte Momente, er legte das 1:0 von Mario Mandzukic kurz vor der Pause auf und erzielte das 2:0 mit einem wunderbaren Freistoß sieben Minuten nach dem Wechsel. Gezeigt wurde ansonsten zur Genüge, dass ein grauer Schalensitz im mit 70.999 Zuschauern ausverkauften Stadion leer geblieben war. Ex-Präsident und Ex-Aufsichtratsvorsitzender Uli Hoeneß war nicht zugegen, was den Vorstandschef und Ostwestfalen Karl-Heinz Rummenigge zu einer Art emotionalen Ausbruch verleitete: "Das erste Spiel ohne Uli Hoeneß ist ein komisches Gefühl, weil der Platz neben mir leer war." Ansonsten klangen die Beileidsbekundungen der Bayern meist ein wenig so, als sei Uli Hoeneß gestorben und nicht wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren im Gefängnis verurteilt worden. Sportvorstand Matthias Sammer sprach von "Ulis Lebenswerk, wir haben alle davon profitiert". Und weiter: "Niemand braucht Uli zu kopieren, das geht sowieso nicht. Ich habe aber ein gutes Gefühl. Wir werden überhaupt nicht in eine lethargische Phase verfallen. Alles, was passiert ist, ist traurig genug." Und Rummenigge assistierte: "Ich bin auch kein Freund der Philosophie 'Der König ist tot, es lebe der König'. Sondern eher ein Freund der Philosophie von Franz Beckenbauer: Gute Freunde kann niemand trennen." Zurück zum Tagesgeschäft.

2. Ausraster sind überbewertet

Es sieht nicht schön aus, wenn Jürgen Klopp die Contenance verliert. Das weiß der Trainer des BVB selbst. Er nennt das seinen "weltbekannten Gesichtsausdruck" und seit dem Champions-League-Spiel in Neapel ist "weltbekannt" ein Adjektiv, das Klopps Mimik in emotionalen Ausnahmesituationen treffend beschreibt. Am Samstagnachmittag hat sich Klopp wieder einmal selbst verloren. Zum Ende eines Spiels, in dem seiner Borussia zu wenig gelungen war gegen die Borussia aus Gladbach, entgleisten Klopp Gesichtszüge und Tonfall beim Tête-à-Tête mit dem Vierten Offiziellen. Klopp selbst fand das nicht, Schiedsrichter Deniz Aytekin schon. Die Schlussphase verbrachte Dortmunds Trainer auf der Tribüne, wo sich seine Gesichtsmuskeln auch nicht nennenswert entspannten. Auch nach dem Spiel setzte die Einsicht nicht sofort ein. In der Mixed lieferte sich Klopp ein Verbalscharmützel mit ZDF-Reporterin Claudia Neumann, in der Pressekonferenz nannte er seinen erneuten Platzverweis "nicht akzeptabel" - und attestierte dem Schiedsrichter fehlendes Einfühlungsvermögen: "Wenn 80.000 im Stadion emotional aufgewühlt sind und nur einer dafür kein Verständnis hat, dann bist du eben weg." Die DFB-Schiedsrichtergilde würde möglicherweise erwidern: Wenn 80.000 im Stadion emotional aufgewühlt sind und einer ausrastet, dann ist es Klopp. Jedenfalls ermittelt nun der Kontrollausschuss. "Dass Jürgen Klopp Wiederholungstäter ist, kann Einfluss auf das Urteil des Sportgerichts haben", sagte Anton Nachreiner. Er sitzt dem Ausschuss vor.

3. Siege sind überbewertet

Immer nur gewinnen, gewinnen, gewinnen. Ist doch langweilig. Bei Bayer Leverkusen gehen sie einen neuen Weg, frei nach dem Motto: Knappe Niederlagen sind die neuen Siege. Was insofern ein kluger Schachzug ist, als dass sie zuletzt am 7. Februar ein Spiel in der Bundesliga gewonnen haben, am 20. Spieltag war das, mit 1:0 in Mönchengladbach. Nun also freuen sie sich darüber, in der Champions League nur mit 1:2 bei Paris St. Germain verloren zu haben und nun auch in München nicht untergegangen zu sein. Trainer Sami Hyypiä konstatierte: "Wir können viel Positives mitnehmen. Wir haben Charakter gezeigt und Selbstvertrauen getankt." Auch Sportchef Rudi Völler hat die neue Maxime bereits verinnerlicht und einen Traum: "Das muss uns Auftrieb geben und das wird uns Auftrieb geben. Ich bin total optimistisch, dass wir noch die Kurve kriegen, wenn wir so auftreten wie gegen Bayern und Paris." Das Problem ist nur, dass die Leverkusener mittlerweile auf Platz vier der Tabelle abgerutscht sind, nun drei Punkte hinter den starken Schalkern stehen, die mit 2:1 bei den starken Augsburgern gewannen - und nur noch drei Punkte vor dem FSV Mainz, der in der verrücktesten Partie des Spieltags in Sinsheim die TSG Hoffenheim bezwang. Für Bayer wird es ernsthaft eng im Kampf um einen Platz in Europas Königsklasse - wo sie sich doch auch in der kommenden Saison über knappe Niederlagen freuen wollen.

4. Elfmeter sind überbewertet

Würden wir in einer perfekten Fußballwelt leben, bräuchte es die "Wahre Tabelle" nicht. Es gäbe keine Fehlentscheidungen, jede Partie würde mit ihrem gerechten Ergebnis enden. Und wenn doch nicht, läge das an Umständen wie der Chancenverschwendung des BVB oder den Konzentrationsschwierigkeiten der Hoffenheimer. Es gibt die "Wahre Tabelle" aber, dort werden jede Woche falsche Pfiffe der Schiedsrichter ausgewertet und kollektiv korrigiert und wäre die "Wahre Tabelle" wirklich wahr, dann hätte der FC Bayern nur 20 Punkte Vorsprung auf den BVB, die TSG Hoffenheim elf Punkte mehr auf dem Konto und Schalke acht weniger. Die vergangenen Wochen dürften den Wahrheitssuchern jedoch Sorgen bereitet haben, ihr Fußballweltbild wankt. Das fußt nämlich unter anderem auf der Annahme, dass ein zu Unrecht verweigerter Elfmeter ein verweigertes Tor ist. Die vergangenen beiden Bundesliga-Spieltage müssen deshalb rein wahrheitstechnisch gelebter Fußball-Horror gewesen sein. Insgesamt sieben Mal gab es Strafstoß, aber nur zweimal gab es Elfmetertore. Zwischen den Spieltagen verschossen die Bundesligisten aus München und Leverkusen jeweils noch einen Elfmeter in der Champions League. In der Bundesliga sank die Quote der verwandelten Elfer in Rückrunde auf dramatisch schlechte 50 Prozent (10 von 20), insgesamt wurden in dieser Saison 17 von 72 Elfmetern vergeben. Das heißt, jeder vierte Schuss ist nicht drin - und jeder vierte verweigerte Elfer dürfte nach dieser Logik nicht als Tor gewertet werden. Merke: Auch in einer nicht perfekten Fußballwelt braucht es perfekte Elferschützen.

5. Chancen sind überbewertet

Niemals wird der SC Freiburg absteigen. Zumindest nicht, wenn sie so spielen wie an diesem Sonntag in Frankfurt. Drei Chancen erspielte sich die Mannschaft von Trainer Christian Streich, was locker zu einem 4:1-Sieg bei der Eintracht reichte. Die "Badische Zeitung" schrieb nicht ohne Grund von "Fußball paradox". Schließlich sahen die 45.400 Zuschauer ein Spiel auf ein Tor - auf das der Freiburger. Die glänzten ihrerseits "mit einer bisher nicht gekannten Effizienz, die den einen oder anderen fast schon an Bayern München erinnert haben mag". Streich nahm's freudig zur Kenntnis: "Tja, in der Vergangenheit hatten wir einiges Pech, heute dagegen viel Glück. Die Besseren haben heute jedenfalls nicht gewonnen." Die Frankfurter waren, welch' Wunder, denkbar unglücklicher. "Das ist eine deprimierende Niederlage, die uns in eine schwierige Situation bringt", konstatierte Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen. Blicken wir auf die Tabelle: Die Freiburger haben sich auf Platz 16 vorgearbeitet, die Eintracht ist zurück im Abstiegskampf. Nun reden sie in Frankfurt von einer lahmen Ente und meinen damit Trainer, der angekündigt hatte, dass er zum Ende der Saison geht. Zumindest Bruchhagen will davon aber nichts wissen: "Einen Zusammenhang zum Ende der Zusammenarbeit mit Armin Veh kann ich nicht erkennen."

6. Jubiläen sind überbewertet

Eigentlich sind Jubiläen etwas Schönes, auch im Fußball. Das 100. Bundesligaspiel, das 100. Tor, der 100. Tag in Haft - alles Gründe, sich mit Edmund Stoiber ein Glas Sekt aufzumachen. Eigentlich. Am 25. Spieltag begingen gleich sechs Spieler Jubelspiele, nur zum Jubeln war anschließend keinem zu Mute. Stuttgarts Georg Niedermeier traf zwar in seinem 100. Bundesligaspiel, zum Sieg gegen Bremen mit 100er Jubilar Eljero Elia reichte das aber nicht - was auch Niedermeiers VfB-Kollegen Christian Gentner (250.) und Cacau (300.) die Feierlaune verdarb. Auch VfB-Rettertrainer Huub Stevens guckte nicht wirklich glücklich, nachdem er die Stuttgarter bei seinem Debüt von Rang 15 auf den vorletzten Platz geführt hatte. Noch etwas verdrießlicher schauten Hoffenheims Sejad Salihovic und der Nürnberger Mike Frantz drein. Der eine steuerte in seinem 150. Bundesliga-Spiel einen verschossenen Elfmeter zum Spektakel gegen Mainz bei. Der andere schoss in Hamburg ein derart formvollendetes Eigentor ("Natürlich schaut man da beschissen aus"), das viele Stürmerkollegen vor Neid erblassten. Alle Jubilare dürften gedacht haben: vielen Dank für die Blumen.

Quelle: ntv.de

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