Fußball

Spiel mir das Lied vom Tor Löw will seine Boxer den K.o. lehren

Rechter Haken, gute Beinarbeit und K.o.: So etwa stellt sich Joachim Löw das Spiel seiner Weltmeister vor.

Rechter Haken, gute Beinarbeit und K.o.: So etwa stellt sich Joachim Löw das Spiel seiner Weltmeister vor.

(Foto: imago/Moritz Müller)

Es ist nicht so, dass die DFB-Elf alles verlernt hat. Nur mit den Toren klappt’s nicht so. Der Bundestrainer will verhindern, dass das schöne Spiel zum Selbstzweck verkommt. Und knöpft sich überraschend zwei Außendienstler vor.

Das Dublin-Syndrom, das die deutschen Fußballer plagt, ist nicht zu leugnen - im Grunde aber ein Luxusproblem. Sie spielen prima, schießen aber keine, wie am Donnerstag gegen Irland, oder viel zu wenige Tore, wie am Sonntagabend in Leipzig gegen Georgien - gemessen an den Chancen, die sie sich herausspielen, gemessen an der eher überschaubaren Stärke der Gegner und nicht zuletzt gemessen am eigenen Anspruch. Einerseits. Andererseits hat sich die DFB-Elf letztlich als Gruppenerster für die Europameisterschaft qualifiziert, die vom 10. Juni bis zum 10. Juli kommenden Jahres in Frankreich stattfindet. Es ist also nicht alles schlecht - was allerdings auch niemand behauptet hat.

Deutschland - Georgien 2:1 (0:0)

Tore: 1:0 Müller (50./FE), 1:1 Kankawa (53.), 2:1 Kruse (79.)

Deutschland: Neuer - Ginter, Boateng, Hummels, Hector - Gündogan, Kroos - Müller, Özil, Reus (90. Bellarabi) - Schürrle (76. Kruse)

Georgien: Rewischwili - Kwerkwelia, Amisulaschwili, Kaschia - Lobjanidse, Nawalowsky - Kankawa, Kwekweskiri (76. Chisanischwili) - Kasaischwili (90. Kobachidse), Okriaschwili - Gelaschwili (46. Watsadse)

Referee: Kralovec (Tschechien) Zus.: 43.630 (av)

Umgekehrt jedenfalls wäre es schlimmer, weil strukturell tiefgreifender: Würde die deutsche Nationalmannschaft schlecht spielen und mit Glück einige Tore schießen, hätte der Bundestrainer ein echtes Problem. So aber bleibt ihm nur, die mangelnde Effizienz seiner Spieler beim Schuss auf des Gegners Tor anzumahnen. Und darauf zu verweisen, dass das bei der Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Brasilien ja noch ganz gut funktioniert hat. Dennoch weiß auch Joachim Löw, dass sein Ensemble hochbegabter Edeltechniker bisweilen dazu neigt, das schöne Spiel und die feine Kombination zum Selbstzweck verkommen zu lassen und dabei das Ziel des Spiels aus den Augen zu verlieren. Und das besteht immer noch darin, den Ball ins Tor zu befördern - und das möglichst häufiger als die andere Mannschaft.

"Das gleiche Lied wie in Dublin"

Also klagte der Bundestrainer am späten Sonntagabend im Erdgeschoss des Zentralstadions nach dem 2:1 (0:0) gegen wackere, aber spielerisch limitierte Georgier: "Eigentlich können wir heute das gleiche Lied singen wie vor drei Tagen in Dublin." Wieder hatte sich seine Mannschaft eine Vielzahl an Gelegenheiten erspielt. Und wieder machte sie am Ende viel zu wenig daraus. "Wir sind wie ein Boxer, der zwar viele Treffer landet, aber nicht vorzeitig den K.o. schafft." Daher gelte: "Mit den letzten zwei Spielen bin ich nicht zufrieden." Damit steht er nicht alleine. Torhüter Manuel Neuer monierte: "Im Training schießen wir 50 Tore, ein Ball nach dem anderen fliegt ins Netz." Sein Tipp: "Wir brauchen vorne den Killerinstinkt und machen uns das Leben selbst schwer. Und dann kriegen wir auch noch den Ausgleich. Bei der EM muss das anders werden, da werden wir hoffentlich zu dem Spiel finden, das man von der deutschen Nationalmannschaft kennt."

Für den Bundestrainer war das kein toller Auftritt seiner Mannschaft.

Für den Bundestrainer war das kein toller Auftritt seiner Mannschaft.

(Foto: imago/Bernd König)

Insofern scheinen sich also alle einig zu sein. Nur, wie übt man das - K.o., Killerinstinkt? Oder wie es Mittelfeldspieler Toni Kroos umständlich, aber im Inhalt klar formulierte: "Wir müssen dahinkommen, dass wir die absolute Geilheit, ein Tor zu schießen, wiederbekommen." Marco Reus vergab in Leipzig gleich drei Chancen der Kategorie "Den-muss-er-machen". Absichtlich aber wird er wohl kaum daneben gezielt habe. Auch Max Kruse zu fragen, der es kurz nach seiner Einwechslung in der 79. Minute besser machte und das entscheidende Tor erzielte, brachte einen auf der Suche nach der Antwort nicht wesentlich weiter: "Ich habe den Ball beim Tor ganz gut getroffen und zum Glück ist er reingegangen." Ansonsten habe er sich sehr gefreut, der Mannschaft helfen zu können. Vielen Dank für diese Information.

Joachim Löw hatte dann doch noch eine Idee, worin die mangelhafte Durchschlagskraft im Angriff ihren Ursprung haben könnte. Und knöpfte sich - aufs erste Zuhören überraschend - Matthias Ginter und Jonas Hector vor. Die beiden Außenverteidiger seien nun einmal so ausgebildet, dass ihr Rüstzeug vor allem darin bestünde, in der Defensive für Ordnung zu sorgen. "Das machen sie sehr gut." Leider seien sie nicht in der Lage, mit überfallartigen Angriffen über die Flügel das Spiel der DFB-Elf variabler und damit gefährlicher zu machen. "Diese Spieler müssen noch dazulernen. Im Moment brechen sie ein bisschen ab." Das mag im Grunde stimmen, klang aber harscher, als sich Löw sonst gibt. "In unserem Spiel läuft viel durch die Mitte. Uns fehlt die Variante, dass wir auch mal außen entscheidend durchbrechen mit viel Tempo." Als Vorwurf an die Außendienstler wollte er das aber nicht verstanden wissen, "weil sie es aus den Vereinen nicht kennen. Da fehlt die Schulung". Schönen Gruß an den 1. FC Köln und die Dortmunder Borussia. Ansonsten aber gelte, und damit meinte der Trainer die Offensivkräfte: "Die haben schon Vollstreckerqualitäten - eigentlich."

Vielleicht sogar Toni Kroos, der zum Schluss noch für alle, die es mit der DFB-Elf halten, eine gute Nachricht hatte: "Ich kann versprechen, dass Deutschland auch bei der EM wieder eine Mannschaft stellen wird, die in Frankreich mit absolut guten Chancen antritt." Genau darum geht es: Die Weltmeister wollen den nächsten Titel. Und dafür sollten sie in den kommenden Monaten an ihrem Luxusproblem arbeiten.

Quelle: ntv.de

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