Fußball

DFB-Elf in der Einzelkritik Löws Gnadenlose schlagen wieder zu

Ganz schön abgekämpft: das deutsche Team nach dem Sieg gegen das nordirische Verteidigungsbollwerk

Ganz schön abgekämpft: das deutsche Team nach dem Sieg gegen das nordirische Verteidigungsbollwerk

(Foto: picture alliance / dpa)

Rigoros, gnadenlos, mühelos: Auch Nordirlands 9-0-1-Betonsystem kann Deutschlands Fußballer nicht stoppen. Die WM-Qualifikation ist ihr Lieblingswettbewerb - ohne Müllers Tore und trotz Hummels' Schnarchern.

Bundestrainer Joachim Löw ist als durchaus höflicher Mensch bekannt. Nach dem lockeren 2:0 (2:0) seiner Fußballweltmeister gegen überforderte Nordiren, der ihn nach Siegen auf Augenhöhe mit dem großen Sepp Herberger brachte, spendierte er dem Gegner und dem laschen Publikum allerdings nur ein paar magere Freundlichkeitsfloskeln zum Abschied aus Hannover. Der große Löw erkannte die engagierte Verteidigung der Nordiren an ("Räume gut zugemacht") und auch deren taktische Disziplin "im 9-0-1-System". Dem bei Länderspielen so oft unterkühltem Publikum attestierte er einen Beitrag zu einer "positiven Stimmung", was als Euphemismus des Spieltags durchging. Wichtiger war ihm aber: "Ich denke, es war heute ein relativ müheloser Sieg für uns."

Deutschland - Nordirland 2:0 (2:0)

Tore: 1:0 Draxler (13.), 2:0 Khedira (17.)
Deutschland: Neuer - Kimmich, Boateng (ab 69. Mustafi), Hummels, Hector (ab 81. Volland) - Kroos, Khedira - Müller, Özil (ab 46. Gündogan), Draxler - Götze. Trainer: Löw
Nordirland: McGovern - Hughes, McAuley, J. Evans - Hodson, Ferguson - Davis - C. Evans, Ward (ab 60. McGinn), Norwood (ab 72. McNair) - Magennis (ab 76. Lafferty). Trainer: O'Neill
Schiedsrichter: Tagliavento (Italien)
Zuschauer: 42.132

Nach den frühen Toren von Julian Draxler in der 13. Minute und Sami Khedira vier Minuten später war das Trostspiel für das im November 2015 ausgefallene Trotzspiel vor 42.132 Zuschauern früh entschieden. Danach dominierte seine DFB-Elf im Schongang, bilanzierte der Rekord-Bundestrainer, und sah an diesem Dienstagabend durchaus zufrieden aus. "Es war natürlich nicht ganz so spektakulär wie gegen Tschechien, weil der Gegner einfach noch tiefer stand", sagte Löw, befand nach dem dritten Zu-Null-Sieg im dritten Qualifikationsspiel für die WM 2018 in Russland aber: "Wir haben das insgesamt souverän gelöst und hatten eigentlich auch keine Probleme." Eben so rigoros und gnadenlos, wie es der Bundestrainer nach der holprigen EM-Qualifikation von seinen Spielern explizit eingefordert hat. Löws Gnadenlose in der rigorosen Einzelkritik:

Manuel Neuer: Das Warten geht weiter. Auch in seinem 74. Länderspiel ließ sich Manuel Neuer nicht dazu herab, endlich mal selbst ein Tor zu schießen. Nicht mal ein Torschuss wurde für den Titan verzeichnet, obwohl er sich den in der zweiten Halbzeit problemlos hätte erlauben können. Zu tun hatte Kapitän Neuer da in seinem Hauptjob Torverhinderung nämlich nichts mehr. Also wirklich überhaupt nichts, wie gelegentliche Dehnübungen am Mittelkreis belegten. Vor der Pause war das noch anders gewesen, da hatten ihn die Nordiren tatsächlich mit vereinzelten Torabschlüssen belästigt. Doch Neuer parierte lässig, einmal sogar mit der Brust. Als hauptamtlicher DFB-Spielführer bleibt er damit unbezwungen. Auch da geht das Warten weiter.

Ein wenig ungestüm: Joshua Kimmich.

Ein wenig ungestüm: Joshua Kimmich.

(Foto: imago/ActionPictures)

Joshua Kimmich: Laufstark, einsatzfreudig, umsichtig, mutig - verursacht nicht nur bei Horst Hrubesch enthemmte Schwärmereien, sondern bleibt auch der neue Musterschüler des Fußballlehrers Löw. Verdiente sich in der 74. Minute eine besonders lobende Erwähnung im Klassenbuch in der Spalte Mannschaftsdienlichkeit, als er dem Teamkollegen Kroos eine peinliche Einwurfverursachung ersparte. Nachdem sich ein Kroos'scher, nunja, Torschuss Richtung Seitenauslinie verirrt hatte, sprintete Kimmich hinterher, stoppte den Ball rechtzeitig - und wurde zur Belohnung nordirisch-rustikal abgeräumt. War außer an der einzigen gelben Karte des Spiels auch an einigen gelungenen DFB-Angriffen direkt beteiligt. Bisweilen noch zu ungestüm. Trotzdem: unverwüstlich, unersetzlich.

Jérôme Boateng: Diesmal verzichtete der deutsche Abwehrchef auf die Sechzig-Meter-Diagonalflanken, die man beim souveränen Sieg über Tschechien bestaunen durfte. Dafür hatte der 28-Jährige ein neues belebendes Spielelement in petto: den Chip-Pass. Dazu pirschte sich der Innenverteidiger wiederholt an den gegnerischen Strafraum heran, um dann den Ball über den nordirischen Abwehrriegel zu schnibbeln. Könnte in Zukunft sogar funktionieren, wenn Boatengs Vordermänner die Lupfpässe zu verwerten wissen. Nach knapp einer halben Stunde erstmals indisponiert weil vom flinken Ward im eigenen Strafraum düpiert, dessen Abschluss aber nicht halb so gut geriet wie die Körpertäuschung gegen Boateng. In der 42. Minute dann doppelt im Glück, als er Ward an der Strafraumkante von den Beinen holte und es dafür von Schiedsrichter Tagliavento weder Elfer noch Gelb gab. In der 69. Minute nach insgesamt solider Leistung ausgewechselt, für ihn kam Shkodran Mustafi. Der 41-Millionen-Mann vom FC Arsenal kommt nach 23 ereignisarmen Spielminuten nun auf 14 Länderspiele.

War auch schon mal besser: Mats Hummels.

War auch schon mal besser: Mats Hummels.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mats Hummels: Startete mäßig engagiert in die Partie, was kurz nach dem Anpfiff prompt in einem verlorenen Mittelfeldzweikampf endete - und einen Noteinsatz von Manu dem Libero auslöste. Hatte auch danach immer wieder seine liebe Mühe mit der eigenen Schnarchnasigkeit und Gegenspieler Josh Magennis, auch wenn die Sprintduelle der beiden Schneckenrennen glichen. Wütete in der 1. Halbzeit das deutsche Mittelfeld an, nachdem das zwei Nordiren zur deutschen Strafraumgrenze durchgewinkt hatte - wo sie dann über ihre eigenen Füße stolperten. Blieb im Spielaufbau diesmal ohne Akzente. Konnte ab der 80. Minute aber heimlich "Will Grigg's on fire" mitsingen. Trotz Torvorlage zu Khediras 2:0 nach hübscher Eckenvariante und souveräner 2. Halbzeit - war schon viel besser.

Jonas Hector: Der Duracell-Hase im DFB-Team. Hat als einziger Spieler alle Partien in den Jahren 2015 und 2016 absolviert, zeigte dennoch keinerlei Abnutzungserscheinungen. Ließ sich nur einmal an der eigenen Eckfahne düpieren, was aber folgenlos blieb. Deutlich auffälliger in der zweiten Halbzeit, als er direkt vor der deutschen Trainerbank auf und ab marschierte. Zeigte immer wieder gefährliche Hereingaben in diversen Varianten, hoch, flach, scharf, sanft. Nur die Veredelung gelang den Teamkollegen nicht. Trotzdem: Festgeflankt. Das lässt sich für Kevin Volland noch nicht behaupten, der in 81. Minute für Hector kam.

Sami Khedira: Bestätigte in Hannover ein Vorurteil: Das, im Nationalteam nur noch gegen kleine Gegner zu treffen. War gegen Nordirland erstmals nach einer 1099-minütigen Kunstpause wieder erfolgreich. n-tv.de-Leser wissen sofort: also erstmals seit dem 8. Juli 2014, diesem 7:1 im WM-Halbfinale gegen geschrumpfte Brasilianer. War in Hannover allerdings vom Bundestrainer explizit beauftragt worden, immer wieder mit in die Spitze zu gehen, da er ja "teils schon auch torgefährlich ist" und seine Kernkompetenz als Mittelabräumer nicht benötigt wurde. Hätte nach Nationalmannschaftstor sechs nach der Pause noch Nr. 7 erzielen müssen, visierte aber die falsche Seite des rechten Torpfostens an. Trotzdem stark.

Diesmal ohne Doppelpack: Thomas Müller.

Diesmal ohne Doppelpack: Thomas Müller.

(Foto: picture alliance / dpa)

Thomas Müller: Wird die WM-Qualifikation doch nicht mit einem Doppelpack in jedem Spiel beenden. Ging diesmal komplett leer aus. Entfachte seine größte Torgefahr, als er Götze (4.) mustergültig beflankte, der vergab. Kriselte trotz verpasster Müllerei aber mitnichten. Bildete auf rechts ein formidables Tandem mit Bayern-Kollege Kimmich, mit dem er auf dem Platz nicht nur harmonierte, sondern auch immer wieder kommunizierte. Hatte seine größte Torchance in der 36. Minute, als ihm eine Kimmich-Flanke nur knapp über den Schädel rutschte.

Mesut Özil: Mal links, mal rechts, vorne, hinten - Mustafis Teamkollege vom FC Arsenal war überall zu finden, ohne jedoch Akzente zu setzen. Vom Ideenwucher wie gegen Tschechien war die Nr. 10 so weit entfernt wie die nordirische Elf von einem Torerfolg. Immerhin: Der Spielmacher war in seinem 83. Länderspiel an der Entstehung des 2:0 als Initiator der Kurz-Ecken-Variante beteiligt. Ansonsten bewegte sich Özil wenig schwungvoll über den Rasen. Das lag, deutete Löw später an, an Rückenproblemen. Für Özil kam zur 2. Halbzeit Ilkay Gündogan. Der Mann von Manchester City war nach seiner Einwechslung gleich an mehreren Offensivmomenten beteiligt. Aktionen wie sein Seitfallzieher auf das nordirische Tor gehörten zu den belebenden Akzenten, die der 25-Jährige im deutschen Spiel setzte. Dennoch blieb auch der Eindruck: Gündogan ist noch nicht voll zurück in der DFB-Elf. Es war nach diversen Verletzungen allerdings auch erst sein 18. Länderspiel. Unglaublich bei seiner Klasse.

Toni Kroos: Gemeinsam mit Khedira für den Spielaufbau zuständig. Das tat der Mann in Diensten von Real Madrid gewohnt souverän, auch wenn die nordirische Nationalelf offenbar nicht zu dessen Lieblingsgegnern gehört: "Wir haben es in der ersten halben Stunde hervorragend gelöst und haben das Spiel im Endeffekt entschieden. Nordirland hat ja nicht gespielt, um ein Tor zu schießen", monierte der 26-Jährige. "In der zweiten Halbzeit hielt sich der Spaß dann in Grenzen." Ein paar Mal probierte er mit der Brechstange, das Ergebnis nach oben zu korrigieren. Das wusste der nordirische Abwehrriegel allerdings zu verhindern. "Aber 2:0 ist ja auch in Ordnung."

Julian Draxler: In den vergangenen beiden Spielen war es Müller, nun therapierte Draxler seine Torphobie und seinen Wolfsburg-Frust. Entgegen der Kroos'schen Brechstangentaktik versuchte es der 23-Jährige auf die sanftere Art - was zumindest in der 13. Minute von Erfolg gekrönt war, als er den Ball von der Strafraumgrenze aus zur 1:0-Führung im nordirischen Tor platzierte. Wirbelte auch in der Folge weiter und überforderte die nordirische Abwehr beim Versuch, einen neuen niedersächsischen Übersteiger-Rekord aufzustellen.

Mario Götze: 60 Länderspiele hat er nun schon mit seinen 24 Jahren, und längst nicht alle waren so gut wie das gegen Nordirland. War als nominelle Sturmspitze immer anspielbar, äußerst beweglich, um Abschlüsse bemüht. Belohnte seine gute Leistung aber nicht mit dem fälligen Jubiläumstor, obwohl er beste Chancen vorfand. Etwa in der 4. Minute, als Kroos auf Müller durchsteckte, der von der Grundlinie präzise flankte – und Götze viel zu unpräzise an Michael McGovern scheiterte. Oder in der 69. Minute. Schöne Ballannahme mit dem Rücken zum Tor, feine Drehung, Abschluss, aber wieder war McGovern dran. Im WM-Finale 2018 macht Götze den dann wieder.

Quelle: ntv.de

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