Fußball

Fan-Proteste gegen Nmecha-Deal Deutscher Nationalspieler spaltet den BVB

Felix Nmecha soll vor einem Wechsel nach Dortmund stehen.

Felix Nmecha soll vor einem Wechsel nach Dortmund stehen.

(Foto: David Inderlied/dpa)

Borussia Dortmund steht kurz davor, einen Nationalspieler für das Mittelfeld zu verpflichten. Felix Nmecha aus Wolfsburg soll kommen. Die Fans protestieren gegen den Transfer, wegen womöglich homophober Überzeugungen des Spielers. Dem Klub droht ein Belastungsprobe.

Borussia Dortmund sucht nach Lösungen, um den Verlust von Weltstar Jude Bellingham aufzufangen. Einen bezahlbaren Eins-zu-eins-Ersatz für den jungen Engländer gibt es nicht, trotz Ablöse-Einnahmen von über 100 Millionen Euro. Ein Teil der Lösung soll der Mexikaner Edson Álvarez sein. Ein klassischer Sechser, der zwischen 40 und 50 Millionen Euro kosten soll. Das ist der einfache Teil der Lösung.

Der komplizierte ist Felix Nmecha, der bislang einmalige DFB-Nationalspieler des VfL Wolfsburg. Sportlich könnte sich der Deal mit dem Mittelfeldmann (zentral und offensiv) in die Reihe der jüngsten BVB-Topdeals einreihen. Ein junger Spieler (22 ist er) kommt für einen vernünftigen Kurs (irgendwo zwischen 25 und 30 Millionen Euro, vielleicht sogar weniger), entwickelt sich weiter, steigert seinen Marktwert und zieht (vielleicht) weiter. Doch es gibt noch eine andere Seite bei Nmecha. Er vertritt Überzeugungen, die die BVB-Grundwerte herausfordern.

Video von Rechtspopulist geteilt

Nmecha gilt als streng religiöser Christ. Auf seinem Instagram-Profil macht er daraus keinen Hehl. Regelmäßig veröffentlicht er Bilder und Videos und bezieht seinen Glauben mit ein. Nach der Saison mit dem VfL Wolfsburg, die ihn für die Nationalmannschaft und den BVB interessant gemacht hat, dankte er Jesus. In seinem aktuellsten Posting schreibt er: "Herr, du gibst mir Frieden, wir bekommen keine Einschränkungen." So weit, so unkritisch. Aber Nmecha hat in der Vergangenheit eben auch andere Dinge gepostet. Im Februar hatte er ein Video des US-amerikanischen Rechtspopulisten Matt Walsh geteilt, der immer wieder seine Transfeindlichkeit und Ablehnung der LGBTQ-Rechte zur Schau stellt. Und mit Beginn des Pride-Monats Juni hatte er ein Video eines Accounts mit dem Namen "Reformedbychrist" geteilt. In dem Beitrag wird der Begriff "Pride" dem Teufel zugeordnet. Für die Fans des BVB ist damit eine Linie überschritten. In Foren und im realen Leben wird hitzig diskutiert. Einige Fans drohen sogar damit, ihre Vereinsmitgliedschaft aufzugeben.

Nmecha selbst hatte im April die Vorwürfe zurückgewiesen, homophob zu sein. "Ich hasse definitiv niemanden. Ich liebe alle Menschen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er bereue es, den Post von Walsh geteilt zu haben, "vor allem, weil ich nicht weiß, ob er Christ ist", sagte er. "Ich bin nicht damit einverstanden, wie er seine Überzeugungen vermittelt, und ich stimme auch nicht mit allem überein, was er sagt." In Wolfsburg sorgte das Teilen der Beiträge zwar für Aufmerksamkeit, nicht aber für eine eskalierende Debatte. Anders als beim BVB.

Auch ein BVB-Sponsor hegt Zweifel

Die Bosse des Vereins haben sich des Themas angenommen. Sie sind von den Qualitäten des Spielers und den Details des Deals begeistert. Sie, allen voran Beinahe-Meistertrainer Edin Terzić, wollen ihnen unbedingt nach Dortmund holen. Weil die Proteste im Netz und der realen Welt in den vergangenen Tagen allerdings immer vehementer wurden - vor dem Stadion etwa wurde ein Banner gezeigt, ein Großsponsor zeigte sich ebenfalls nicht begeistert - trafen sich die BVB-Oberen mit dem 22-Jährigen und klapperten ab, ob seine christlichen Überzeugungen mit den Leitmotiven des BVB kompatibel sind. Erst im vergangenen Jahr wurden diese in einem Grundwertekodex verabschiedet. Kernelement: die Borussia stellt sich klar gegen jede Form von Diskriminierung. Gelebte Praxis ist das schon länger.

Im Grundwertekodex heißt es: "Wir werden uns stets für das gesellschaftliche Gelingen einsetzen. Darunter verstehen wir ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung. (...)" Wie also soll das zusammenpassen, fragen sich viele Dortmunder. Die Liebe der Fans zum Verein, zu den Spielern und zum Trainer ist der Kitt, der den BVB zu etwas Besonderem macht, wie nach der vergeigten Meisterschaft einmal mehr offenbar wurde. Nun einen Spieler zu verpflichten - der Deal soll Medienberichten kurz bevorstehen - der schon vorab für massiv viel Unruhe sorgt, könnte eine große Belastungsprobe für die Schwarzgelben werden.

Auch Nmechas Versöhnungskurs nach mehreren umstrittenen Beiträgen sorgte kaum für Beruhigung in der schwarzgelben Szene: "Ich habe auf meiner Fußball-Reise Menschen mit allen erdenklichen Hintergründen, Ethnien und Glaubensrichtungen getroffen. Es ist wichtig, dass ich klarstelle, dass ich wirklich ALLE Menschen liebe und niemanden diskriminiere", schrieb er vor wenigen Tagen bei Instagram. Er stellte dem Post ein Foto mit Josha Vagnoman bei, mit dem er im März in der A-Nationalmannschaft debütiert hatte. Der Stuttgarter trug ein Trikot mit buntem Brustring, ein Statement für die LGBTIQ+-Bewegung. Glaubhaft wirkte das in Fankreisen des BVB nicht. Anders sehen das eben die Klubbosse. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge konnte der Profi die BVB-Delegation mit Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Präsident Reinhold Lunow überzeugen, dass er den Grundwertekodex des Klubs unterstütze.

Auch die Nationalmannschaft ist involviert

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Was für den BVB gilt, gilt auch für den Deutschen Fußball-Bund. Auch der sieht sich der Debatte ausgesetzt, den Spieler zu nominieren und den eigenen Wertekanon weiter zu leben. Im Ethik-Kodex des DFB heißt es etwa: "Wir achten und fördern diese Vielfalt auf und abseits des Platzes und dulden keine Diskriminierungen, Belästigungen oder Beleidigungen, sei es aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Religion, Alter, Behinderung oder sexueller Orientierung."

Der Fußball wird sei Monaten von einer moralischen Debatte eingeholt, vielleicht schon überholt. Seit der WM in Katar wird nicht mehr der Fußball/der Fußballer in den Mittelpunkt gestellt, sondern für Botschaften genutzt, er wird gegen Überzeugungen gnadenlos aufgewogen. In Frankreich etwa hatten im Frühjahr mehrere Spieler die Unterstützung einer Homophobie-Kampagne verweigert. Bayern-Profi Noussair Mazraoui solidarisierte sich mit einem Kollegen aus der marokkanischen Nationalmannschaft. Die Fans des FC Bayern lief hernach Sturm und forderten den Ergänzungsspieler mit einem Banner in der Allianz Arena auf, die Werte des Klubs zu respektieren. Dem BVB droht das gleiche Szenario. In einer noch heftigeren Intensität. Weil der Verein sich über die Liebe und Emotionen definiert. Und weil Nmecha eine zentrale Rolle beim BVB einnehmen soll.

Quelle: ntv.de

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