BVB gegen Bayern im Schnellcheck Ohne "Pep" und Heavy Metal
19.11.2016, 21:26 Uhr
Fast ganz zahm, dieser Ribéry.
(Foto: imago/Team 2)
Der FC Bayern ist seine Tabellenführung los. In Dortmund verliert das Team von Carlo Ancelotti, weil ihm kaum etwas Kreatives einfällt. Der BVB erreicht zwar die dritte Ebene, kämpft leidenschaftlich, verzichtet aber auf Heavy Metal.
Was ist im Signal-Iduna-Park passiert?
Etwas denkwürdiges, Herrschaften. Der Tabellenführer der Fußball-Bundesliga heißt nämlich nach diesem elften Spieltag nicht mehr FC Bayern München. Das hat es in der seit 1963 andauernden Geschichte der Spielklasse freilich schon häufiger gegeben - in der jüngeren Vergangenheit kam das allerdings ähnlich oft vor wie ein BVB-Fan, der Franck Ribéry mag. Also eigentlich nie.
Nun, der Rekordmeister ist nur noch Zweiter, weil er das Topspiel am Samstagabend bei Borussia Dortmund im lautesten Besinnungstempel Deutschlands mit 0:1 (0:1) durch einen Treffer von Pierre-Emerick Aubameyang verlor. Vorbereitet - und auch das ist ein kleines bisschen historisch oder einfach nur der hunderttausendste Fall von ausgerechnet - hatte den Treffer der starke Mario Götze, der erst im Sommer aus München heimgekehrt und bislang noch ohne Torbeteiligung in der Liga war. Neuer Tabellenführer, so viel Zeit muss sein, ist nun tatsächlich Aufsteiger RB Leipzig, der ja eigentlich gar nicht Meister werden wollte. Zumindest noch nicht. Neu-Vize Philipp Lahm findet das, nunja, so: "Das ist doch schön für die Liga, das haben sich doch alle gewünscht."
Teams & Tore
Borussia Dortmund: Bürki – Schmelzer (89. Pulisic), Bartra, Sokratis, Ginter, Piszczek – Weigl, Götze (77. Castro), Schürrle (68. Durm) – Aubameyang, Ramos; Trainer: Thomas Tuchel;
FC Bayern München: Neuer – Alaba, Hummels, Boateng, Lahm (67. Rafinha) – Ribéry, Kimmich (58. Costa), Alonso (74, Sanches), Thiago, Müller – Lewandowski; Trainer: Carlo Ancelotti;
Tor: 1:0 Aubameyang (11.)
Schiedsrichter: Tobias Stieler (Hamburg) - Zuschauer: 81.360 (ausverkauft)
Die Highlights im Spielfilm
10. Minute, TOOOR für Borussia Dortmund, 1:0 Aubameyang: Mario Götze hat die Schnauze voll von dem Gejohle, er müsse doch endlich mal ein Tor schießen oder zumindest eins vorbereiten. Weil ihn das so nervt, macht er also Folgendes: Er nimmt den Ball halbrechts am Strafraum an, schleppt ihn in höchstem Tempo ein paar Meter Richtung Torauslinie, legt ihn dann ausgerechnet durch die Beine des Ex-Borussen Mats Hummels in die Mitte zu Aubameyang, der tippt den Ball mit dem Füßchen kurz an, Tor!
20. Minute: Prall-Knall-Fußball vom Feinsten, weil es wieder schnell geht und wieder über rechts. Diesmal hat dort Torschütze Aubameyang eine gute Idee, flankt in die Mitte auf Schürrle, der knallt volley drauf – in die Arme von Manuel Neuer.
46. Minute: Die Ordner sind noch dabei, das bayrische Klorollendesaster (saubere Rollen versteht sich) zu beseitigen, da steht Aubameyang plötzlich frei vor Neuer. Der aber lässt seine linke Hand gewohnt lässig hochschnellen und pariert.
50. Minute: Sie vermissen die Bayern? Zurecht. Sagen wir's so: Bislang spielen sie taktisch sehr engagiert. Sie wissen bestimmt, was das heißt. Nun, in dieser 50. Minute erinnern sich die Münchner mal wieder daran, dass Spiele nur durch Tore gewonnen werden. Also: Flanke Philipp Lahm, fast genau auf den Kopf des freistehenden Robert Lewandowski, nur die Faust von BVB-Schnapper Roman Bürki verhindert den durchaus möglichen Einschlag.
61. Minute: Und schon wieder die Bayern. Nach minutenlangem links-mitte-rechts-mitte-links-Josep-Guardiola-Ballbesitz-Fußball landet der Ball bei Xabi Alonso. Der schießt und wemst die Kugel an die Unterlatte, BVB-Keeper Bürki hatte das gut gesehen und daher gar nicht erst reagiert.
71. Minute: Herrje! Alonso spielt den schlechtesten Pass seiner Karriere. Hinter ihm steht nur Aubameyang, der sprintet mit Ball am Fuß los, hat aber auf seinen Meilen Richtung Tor offenbar so viele gute Ideen, wie er den Treffer machen will, dass er sich für keine entscheiden und Neuer relativ mühelos parieren kann.
Der Tweet zum Spiel
Was war gut?
Der Plan von Thomas Tuchel in der ersten Halbzeit. Denn der war ziemlich ungewöhnlich, ebenso wie die Aufstellung. Der Coach des BVB hatte noch am Freitag angekündigt, mutig spielen zu wollen, von Prall-Knall-Fußball war in der "Bild"-Zeitung die Rede. Wie das indes mit drei Innen- und zwei Außenverteidigern, stark ausgedünntem Mittelfeld und Doppelspitze gelingen sollte, erschloss sich weder Journalisten, noch Fans. Weil sich aber auch der FC Bayern darauf zunächst keinen Reim machen konnte, funktionierte die Idee prima. Hinten stabil und aggressiv, vorne schnell und beweglich, allerdings ohne die durch die Ankündigung zu erwartende Rückkehr des brutal-wilden Heavy-Metal-Fußball der Ära Jürgen Klopp. So lief's also. Es war die vom Coach im Vorfeld öffentlich fast spirituell beschworene und sich über Emotion, Aggression und Aktivsein definierende dritte Ebene im Spiel der Borussen neben der taktischen und technischen. Nach zehn Minuten funktionierte der Plan so gut, dass der Ball am Ende der Passkette über Götze und Aubameyang im Tor landete. Bis mindestens mal zur 35 Minute wussten die Gäste mit dem Topspiel so gar nichts anzufangen, erst dann wurde das Spiel der Münchner druckvoller, bis zur Pause allerdings befreit von jedweder Torgefahr.
Was war schlecht?
Hat eigentlich irgendwann mal jemand behauptet, dass die Bayern unter Carlo Ancelotti nicht mehr so spielen können wie unter Josep Guardiola? Vergessen Sie's! Können die Münchner nämlich wohl, allerdings nur das monotone bisweilen totlangweilige Ballgeschiebe rund um den Strafraum. Es fehlte der letzte "Pep(p)", der letzte Pass in die Spitze, das Überraschungsmoment gegen jederzeit beherzt verteidigende Gastgeber. Bezeichnend, dass die beste Chance der Lattenknaller von Alonso aus gut 20 Metern war. Im 16er kamen die Bayern zu keiner berichtenswerten Szene, trotz immer größerer Dominanz und fast ausschließlichem Ballbesitz in Halbzeit zwei. Eine wirklich gute Idee gegen das clevere Räumezustellen der Gastgeber hatte der Rekordmeister nicht. Aber, ein Trost für alle Bayern-Fans: Von Carlo Ancelotti trainierte Mannschaften kommen fast immer erst in der zweiten Saisonphase ins Rollen – dann, wenn die Titel vergeben werden.
Wie waren die Überläufer?
Fangen wir mit den Überläufern von Dortmund nach München an: Stürmer Robert Lewandowski knickte in der ersten Halbzeit früh um, war danach trotz allem Engagement spürbar gehemmt, hatte keine nennenswerte Aktion. Mats Hummels wirkte am Anfang von der feindseligen Stimmung in seiner alten Heimat sehr angefasst und daher auch nicht immer sattelfest. Steigerte sich aber schnell, hatte allerdings auch zunehmend weniger zu tun. Bleibt als dritter Überläufer noch Dortmund-Heimkehrer Mario Götze. Er begann richtig stark, war an fast allen guten Aktionen beteiligt und bereitete ja auch das Tor vor. Tauchte aber mehr und mehr unter als die Bayern dominanter wurden, konnte dem Spiel seines Teams trotz großem Laufpensum und kämpferisch vorbildlicher Einstellung keine Struktur mehr geben. Insgesamt freute sich Thomas Tuchel nach dem Spiel aber über die Leistung seines Zehners: "Es war jetzt auch höchste Zeit, dass mal eine Torbeteiligung dazukommt und etwas Fleisch an den Knochen kommt."
War Franck Ribéry brav?
Bis zur 88. Minute können wir Franck Ribéry wirklich ein tadelloses Zeugnis ausstellen. Engagiert und bissig spielte er, wie man das von ihm gewohnt ist. Doch ganz ohne Ärger ging's wieder nicht für den Aggro-Lurch (so hat ihn der Sky-Kommentator tatsächlich genannt), der gegen Dortmund ja fast immer auf allerhöchster Betriebstemperatur agiert und sich schon den einen oder anderen Ausraster geleistet hatte. Nach einem Handgemenge mit Adrian Ramos gab's für beide für kurz Schluss zurecht Gelb. Nunja, zu seiner Entschuldigung. Es war auch wirklich hitzig in Dortmund, auf dem Rasen.
Quelle: ntv.de