Die Lehren des letzten Spieltags Pep bricht ein, Klopp genießt, Freiburg weint
25.05.2015, 16:35 Uhr![imago_sp_0525_10390023_19944917.jpg-preview2[1].jpg](https://www.n-tv.de/img/15166656-1483457891000/16-9/1136/imago-sp-0525-10390023-19944917.jpg)
Beim Bundesliga-Finale baut sich Huub Stevens in Stuttgart ein Unabsteigbarkeits-Denkmal. Josep Guardiola siegt tatsächlich noch einmal. Jürgen Klopp geht als Gewinner, Freiburg mit viel Pech. Schalke bleibt Chaos pur.
1. Affen sind unabsteigbar
Gibt es ein besseres Timing? 16 Spieltage lang stand der VfB Stuttgart in der Rückrunde auf einem der letzten drei Plätze, den Großteil davon sogar auf Rang 18. Huub Stevens ließ sich davon nicht erschüttern. Eine kurze Knurrer-Attacke am vorletzten Spieltag, als er sein Team im Training als "Affen" beschimpfte, mehr gönnte sich der Niederländer nicht an negativen Vibes im Abstiegskampf. Er arbeitete stoisch am Ziel Klassenerhalt, steckte mit beeindruckenden Nehmerqualitäten alle Rückschläge und - inzwischen bestätigten - Gerüchte über seinen Nachfolger weg und führte den VfB zu einem überragenden Finish: Zwei Siege an den letzten beiden Spieltagen ermöglichten Huubs Affen beim Saisonfinale noch den Sprung auf Rang 14.
Die Stuttgarter bleiben damit trotz absolut zweitklassiger Saison weiter erstklassig und Stevens unabsteigbar. Jubelexzesse, wie sie von manchem seiner niederländischen Trainerkollegen überliefert sind, schloss er dennoch aus. Seine ganz unaffige Erklärung: "Ich bin kein Feierbiest. Ich bin auch kein Louis van Gaal. Ich bin ein ganz normaler Huub Stevens."
2. Klopp macht Steven Gerrard neidisch
Was Jürgen Klopp und Steven Gerrard eint, ist schnell geschrieben: Beide sind Legenden in ihren Vereinen, beide verlassen ihre Klubs am Saisonende. Und beide hinterlassen Lücken in Dortmund und Liverpool, die schwer zu füllen scheinen. Doch während Klopp bei Borussia Dortmund in seinem letzten Heimspiel einen triumphalen Abschied feierte, geriet Gerrards Abschied legendär schlecht. Erst vermasselte ihm Crystal Palace sein letztes Heimspiel an der Anfield Road. Dann vermasselte ihm Stoke City auch noch sein letztes Pflichtspiel für den FC Liverpool. Schon zur Pause stand es 0:5, am Ende 1:6, es war die höchste Liverpool-Niederlage seit 1963 und die Krönung eines erstaunlichen "Bitter Ends". Denn zuvor hatte ihm Liverpool gegen Kellerkind Aston Villa schon die Chance vermasselt, sich am 30. Mai im englischen Pokalfinale mit einem Titel zu verabschieden. Klopp hat diese Chance noch, in Berlin trifft er mit seinem BVB auf den VfL Wolfsburg und will sich dort mit einem Sieg seinen Traum vom finalen Laster-Korso um den Borsigplatz erfüllen - und vielleicht als möglicher neuer Liverpool-Trainer empfehlen. Gerrard dürfte dann daheim wehmütig zuschauen, wie anderswo noch einmal Pokale verteilt werden. Er muss sich sein Geschenk, anders als Klopp, allein machen. Das Dumme ist: Er hat am 30. Mai Geburtstag.
3. Schalkes Theater fehlt das Happy End
Die Schalker Fans forderten wegen der vermurksten Saison bereits die Köpfe von Manager Horst Heldt und Klubchef Clemens Tönnies. Gehen muss nun Trainer Roberto di Matteo. Der Der Champions-League-Siegertrainer des FC Chelsea unterbot mit seiner Punkteausbeute Jens Keller, den er wegen vermeintlicher Erfolglosigkeit im vergangenen Oktober abgelöst hatte. Es bleibt dabei: Zufrieden ist bei den Königsblauen eigentlich nie jemand, sie sind der Verlierer der Herzen. Die Frage ist nur, warum? Die Anhänger des Erzrivalen aus Dortmund hätten wegen des plötzlichen Kontrasts zum erfolgreichen Power-Fußball der vergangenen Jahre viel mehr Grund zu Unmut, haderten aber trotz des Abstiegsgespensts niemals so heftig mit ihrem Personal wie die Königsblauen. Es muss an den unterschiedlichen Eindrücken liegen: Im Westfalenstadion wurde auf dem Feld häufig weiter hoher Aufwand betrieben, wenn auch erfolglos, weshalb sich Trainer Jürgen Klopp erst sichtbar die Haare raufte und dann seinen Abschied zum Saisonende ankündigte. Bei Schalke schlichen die Stars dagegen unmotiviert und konzeptlos übers Feld, Coach di Matteo säuselte schon nach ein paar Spielen seltsam anmutende Rechtfertigungen in die Mikrofone. Ansprüche und Theater produzieren keine positiven Ergebnisse. Harte Arbeit schon, ...
4. Jedes Tor zählt
… allerdings in dieser Spielzeit nicht in Freiburg. "Eigentlich denkt man ja, dass sich Glück und Pech über eine Saison ausgleichen, nur bei Freiburg hat man dieses Gefühl nicht." Gladbachs Christoph Kramer sprach nach dem 34. Spieltag aus, was viele Freiburger nach dem Schlusspfiff gedacht haben dürften. Fans der Abstiegskonkurrenten werden angesichts des Freiburger Heimsieges gegen die Meister-Bayern zwar protestieren, unglücklich bleibt der vierte Abstieg der Freiburger Vereinsgeschichte trotzdem. Ein einziges Tor fehlte am Ende zur Rettung und zum ersten Abstieg des Hamburger SV. Entweder eines, das aus dem 1:2 in Hannover noch ein 2:2 gemacht hätte. Oder zum Beispiel dieser Elfmeter, den SC-Kapitän Julian Schuster am 28. Spieltag beim 0:0 auf Schalke verschossen hatte. Oder, oder, oder. "Die Fassungslosigkeit und die Trauer kommen nie in diesem Moment. Das wird eine schlimme, schlimme Woche. Weil du alles durchgehst...", sagte Freiburgs Trainer Christian Streich nach dem Abpfiff in Hannover. Ein heftiges Schluchzen unterbrach seine Worte. Einen Abschied aus dem Breisgau schloss Streich aber aus, obwohl wenig später eine Trainerstelle auf Schalke frei wurde: "Ich habe dem Verein so viel zu verdanken. Wie sollte ich jetzt hingehen und sagen: Ich höre auf. Das ist unglaublich." Für Freiburg wäre sein Verbleib Glück im Unglück.
5. Guardiolas Bayern fehlt der finale Biss, aber …
... als Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller und Philipp Lahm am späten Samstagabend ins ZDF-Sportstudio zugeschaltet wurden, die Meisterschale im Arm, da wirkten sie angenehm euphorisiert. Wenn schon Single statt Triple, dann Meister. Der "ehrlichste Titel" sei das ja, hatte schon Bayern-Sportdirektor Matthias Sammer erklärt. Am Sonntag folgte dann die doppelte Münchner Meisterparty, Sebastian Rode benutzte hinterher das Wort "affengeil" zur Beschreibung der Sause. Ein Geschmäckle hat die Spielzeit trotzdem, der Zieleinlauf nach vorzeitigem Gewinn der Jubiläumsschale war dann doch eher dürftig. Und bestätigte, dass den Bayern von Übertrainer Josep Guardiola in der Bundesliga der finale Biss fehlt. Im Schnitt holen die Münchner unter Guardiola 2,49 Punkte pro Spiel, den besten Wert der Ligageschichte. Er wäre allerdings noch besser, wenn Guardiolas Bayern nach vorzeitigem Titel einfach weitersiegen würde, so wie zum Beispiel im Triple-Jahr unter Jupp Heynckes. Denn in den Spielen vor der perfekten Meisterschaft liegt Guardiolas Punkteschnitt sogar bei 2,68 Punkten pro Partie - in den Spielen danach allerdings bei 1,45 Durchschnittszählern. Was überaus mittelmäßig klingt, ist aber nur eine Frage der Perspektive. Denn 1,45 Punkte im Gesamtschnitt, das hätte in dieser Saison zu Platz 5 gereicht - vor Schalke und Dortmund.
6. Die nationale Spitze ist stabil
Hinter den Bayern wechselten die Teams in dieser Saison vermeintlich munter die Positionen. Wie wild! Doch das Gefühl trügt. Ein Blick auf die Abschlusstabellen der vergangenen zwei Spielzeiten zeigt, dass sechs Mannschaften auch im Sommer 2014 oben dabei waren: der alte neue Deutsche Meister aus München, die beiden Ruhrvereine Schalke und Dortmund, dazu Borussia Mönchengladbach sowie Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg. Der einzige Unterschied ist Europapokalneuling Augsburg, der Mainz ersetzt hat. Von einem achten Platz Gladbachs in der Saison 2012/13 abgesehen sind seit 2011/12 in den Top 7 sogar fünf Klubs identisch. Allein Wolfsburg kehrte erst im vergangenen Jahr in die Spitzengruppe zurück. Die Bundesligavereine können also relativ sicher mit dem internationalen Geschäft planen.
Quelle: ntv.de