Fußball

Warum kontert der Verband nicht? Das dröhnende Schweigen des DFB zu Völler und Rassismus

Rudi Völler fällt eher selten mit progressiven Äußerungen auf.

Rudi Völler fällt eher selten mit progressiven Äußerungen auf.

(Foto: IMAGO/Chai v.d. Laage)

Rudi Völler verschafft Rechtspopulisten Aufmerksamkeit, die deutschen U17-Fußballer sehen sich rassistischen Angriffen ausgesetzt. Doch der Deutsche Fußball-Bund vermeidet es, sich dazu öffentlichkeitswirksam zu positionieren.

Das Fußballmagazin "11 Freunde" bezeichnet es als "rechtspopulistischen Propagandasender, dessen Programm hauptsächlich von Faktenverdrehern bespielt wird", die "taz" schreibt von einer "Pseudonachrichtenschleuder", die "Frankfurter Rundschau" sieht gar einen "Fox-News-Klon". Eine Kopie des Haussenders der US-Republikaner also, der im Frühjahr fast 800 Millionen US-Dollar zahlte, um einen Gerichtsprozess aufgrund mit voller Absicht verbreiteter Lügen zu angeblichem Wahlbetrug bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 zu vermeiden.

Die Rede ist von Nius, einem rechten Nachrichtenportal, das sich mutig als "Stimme der Mehrheit" bezeichnet - jedoch in erster Linie damit auffällt, seinem Publikum stets hysterisch zu verkünden, dass der Weltuntergang nur noch eine Frage von Stunden sei. So erklärte zumindest der konservative Kolumnist Jan Fleischhauer der "Süddeutschen Zeitung", warum seine groß angekündigte Late-Night-Show dort nun doch nicht zustande komme: "Die meisten wollen auch nicht die ganze Zeit angeschrien oder wachgerüttelt werden."

Angesichts dieses Kontextes ist es wenig überraschend, dass ein Auftritt von Rudi Völler in seiner Rolle als DFB-Sportdirektor bei Nius für Wirbel sorgt. "Er sagte zwar nur harmlose Rudi-Völler-Dinge", resümierte der "Spiegel", aber das Portal "nutzte die Steilvorlage gleich für einen rechten Kommentar und konnte sich die Hände reiben". Völler habe damit "niemandem einen Gefallen getan", hieß es weiter, außer Nius. Und seinem Duzfreund Waldemar Hartmann, Gesprächspartner der ikonischen Weißbier-Tirade Völlers im September 2003, dessen Format "Waldis Dritte Halbzeit" damit erstmals breitere Aufmerksamkeit erreichte.

Völler saß dort im offiziellen DFB-Outfit, aufgezeichnet wurde das Gespräch am Tag nach der 2:3-Niederlage gegen die Türkei. Hartmann etwa freute sich, dass Kapitän İlkay Gündoğan wieder mit schwarz-rot-goldener Binde auflief, ehe er angesichts des Aufdrucks "Spielführer" die Hitler-Referenz nicht auslassen wollte: "Wobei man heutzutage schon vorsichtig sein muss, ob man 'Führer' noch verwenden darf." Lustig, fand zumindest Hartmann, Völler lächelte die ausgelutschte Anspielung weg. Auch die zumeist von Konservativen bis Rechtsextremen immer wieder befeuerte Hymne-Mitsingen-Diskussion durfte nicht fehlen: Hartmann schlug eine "Gesangsstunde" vor, Völler moderierte auch diese Idee ab. Immerhin.

"Wir müssen uns Gedanken um unser Land machen"

Irritierend ist ohnehin vielmehr, dass der DFB sich zu diesem Auftritt ausschweigt. Diverse Medien fragten vergeblich beim Verband an, der sonst gern stolz seine Werte präsentiert. Als etwa die Rechten von der AfD im Frühjahr Völler für die Rückkehr zu Schwarz-Rot-Gold feierten, wehrte sich der DFB: Man stehe für "Vielfalt, Respekt und Gemeinschaft. Und nicht für Ausgrenzung und Intoleranz". Dass Völler jetzt mit seinem Auftritt ausgerechnet den Sender legitimiert, der zuverlässig AfD-Narrative bedient? Scheint den Verband zumindest nicht so sehr zu stören, dass er sich öffentlich dazu äußert. Zumal das Interview offenbar nicht wie üblich konkret mit dem DFB abgestimmt gewesen sein soll.

Noch verheerender ist allerdings das Schweigen aus der Frankfurter Verbandszentrale zum rassistischen Hass, der über einer DFB-Nachwuchsauswahl ausgekübelt wird. Die männliche U17 steht bei der WM erstmals seit 2011 wieder im Halbfinale, vom zweiten Finaleinzug nach 1985 kann die Mannschaft von Trainer Christian Wück nur noch Halbfinalgegner Argentinien abhalten. Doch statt über den sportlichen Erfolg zu sprechen, musste Wück seine Spieler gegen menschenfeindliche Anfeindungen verteidigen.

Der offizielle Facebook-Account der DFB-Junioren, der neben den U-Nationalteams auch die U19- und U17-Bundesliga umfasst, hatte nach dem Achtelfinalerfolg gegen die USA ein ganz gewöhnliches Jubelbild von Charles Herrmann, Almugera Kabar, Paris Brunner und Fayssal Harchaoui gepostet. Darunter jedoch sammelten sich rassistische und diskriminierende Kommentare. "Wir müssen uns da Gedanken um unser Land machen, um Deutschland und um die Gesellschaft", sagte Wück in einem Podcast des "Kicker". Und fügte an, ihm täten in erster Linie "einfach die Spieler leid, weil sie schon in jungen Jahren mit solchen Themen beschäftigt werden".

Der DFB vergibt eine Chance

Der DFB sperrte zwar die Kommentare unter dem entsprechenden Beitrag und löschte Hassbotschaften. Zu mehr als einem eigenen Kommentar unter jenem Post sah sich der Verband jedoch augenscheinlich nicht veranlasst. "Wir sind stolz auf die Vielfalt in unserer U17", heißt es darin, dann folgt der Bezug auf Satzungswerte Toleranz und Respekt: "Wenn ihr diese Werte nicht teilt, dann entfolgt uns gern." Zudem seien rechtliche Schritte eingeleitet worden. Eine öffentlichkeitswirksame Positionierung des DFB etwa per Pressemitteilung indes blieb aus, auch in den News auf der Verbandswebseite ist der Vorfall kein Thema.

Vielleicht ist diese Indifferenz aber traurigerweise auch nur konsequent bei einem Verband, der einst einen Nazi in seinem WM-Quartier begrüßte und die Kritik daran mit den Worten abmoderierte, man wolle diesem doch jetzt wohl nicht "seine Kampffliegertätigkeit während des Zweiten Weltkriegs vorwerfen". Der Historiker Moritz Hoffmann zeichnet in seinem Newsletter "Schicht im Schacht" in einem lesenswerten Text nach, wie lange schon "die geringen Berührungsängste des DFB mit rechten Personen und Positionen" bestehen. Er berichtet darin etwa über den 2015 verstorbenen früheren DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder. Der langjährige CDU-Politiker publizierte 1988 in einer rechtsextremen Zeitschrift, der laut Hoffmann "die zweifelhafte Ehre gebührt, das erste in der Bundesrepublik hergestellte Medium zu sein, in dem [...] der Holocaust geleugnet wurde".

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Von solchen Extremen hat sich der Verband erfreulicherweise längst entfernt. Das ändert jedoch wenig bis nichts an der Enttäuschung, die das öffentliche Schweigen zu Völlers Auftritt und den rassistischen Attacken auf den DFB-Nachwuchs auslöst. Der DFB vergibt damit Chancen, sich eindeutig zu positionieren. Besonders in einer Zeit, in der nicht nur in Deutschland Rechtspopulisten und Demokratiefeinde versuchen, die Errungenschaften freiheitlicher Gesellschaften rückgängig zu machen.

Stattdessen betonte DFB-Präsident Bernd Neuendorf jüngst, die Vergabe der WM 2034 an Saudi-Arabien nicht grundsätzlich abzulehnen. "Wir alle wissen, dass die Menschenrechtssituation düster ist", sagte Neuendorf, ehe er einschränkte: "Dennoch ist es richtig zu schauen, wie sieht die Bewerbung konkret aus und gibt es Zugeständnisse beim Thema Menschenrechte." Ganz so, als wären Menschenrechte verhandelbar. Aber es passt zu dem, was Rudi Völler anlässlich seiner Rückkehr in eine offizielle DFB-Funktion gesagt hatte: "Ich verstehe zwar, dass man ab und zu ein Zeichen setzen muss. Aber jetzt geht es wieder um Fußball." Wenn es doch bloß so einfach wäre.

Quelle: ntv.de

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