Fußball

"The next Arjen Robben" Serge Gnabry, endlich wieder Wunderkind

Serge Gnabry hat sich bei den Olympischen Spielen in den Mittelpunkt gedribbelt.

Serge Gnabry hat sich bei den Olympischen Spielen in den Mittelpunkt gedribbelt.

(Foto: dpa)

Arsene Wenger schwärmt, Joachim Löw hatte ihn auf dem Zettel, und Horst Hrubesch versteht die Welt nicht mehr: Serge Gnabry hat den europäischen Fußball verrückt gemacht, dann war er weg – und ist plötzlich wieder da, als Superstar.

Alle Klubs aus der Bundesliga beschäftigen sich mit Serge Gnabry. Außer dem FC Bayern. Das sagt Schalkes Manager Christian Heidel noch vor ein paar Tagen. Aber wer verpflichtet den 21-Jährigen? Der FC Bayern. Natürlich. Aber nicht fürs eigene Aufgebot. Zumindest nicht zunächst. Wenn denn stimmt, was Sky Sport News verbreitet, dann leiht der deutsche Fußball-Rekordmeister den Nationalspieler direkt an Liga-Konkurrent Werder Bremen aus (Anmerk. d. Red.: Am Nachmittag erklärte nun Werder-Manager Frank Baumann, dass der Klub Gnabry direkt verpflichten möchte und es bereits eine Einigung mit dem Spieler gebe; offiziell bestätigt ist indes nichts) - als Ersatzmann für den lange verletzten Max Kruse. An jenen Klub, den die Elf von Coach Carlo Ancelotti am 1. Bundesliga-Spieltag müheloser zerschmettert hat als Tennis-Wüterich Goran Ivanisevic all seine Rackets. Ein Akt des Mitleids? Ein bisschen. Vielleicht. Aber vielmehr eine bajuwarische Investition in einen Spieler, der nun endlich seinem Ruf gerecht werden will.

Antrittsschnell und stark im Abschluss: Serge Gnabry.

Antrittsschnell und stark im Abschluss: Serge Gnabry.

(Foto: dpa)

Die Geschichte von Serge Gnabry beginnt, wo sie eigentlich schon zu Ende sein sollte. Sie beginnt, weil Gnabry einfach mal Glück hat. In Rio, bei den Olympischen Spielen, gehört er zum deutschen Aufgebot. Eine Hauptrolle ist ihm nicht zugedacht. Er ist halt dabei, er wird seine Einsätze bekommen, klar, aber eigentlich soll Leon Goretzka die ganz große Story werden. Der Ex-Bochumer, der auf Schalke sein Glück sucht, soll das DFB-Team führen, sein Spiel lenken. 28 Minuten gelingt ihm das, dann schreit die schmerzende Schulter: "Schicht im Schacht". Olympia-Traum ausgeträumt. Gnabry soll's nun richten. Ein Spieler, der sich seit mindestens zwei Jahren unter dem deutschen Radar durchwuselt. Und der 21-Jährige richtet's. Sechs Tore in sechs Spielen, Tempodribblings, die zum Spektakel werden. Das Team holt Silber mit, nein wegen Gnabry. Und der Spieler ist wieder das, was er vor vier Jahren schon einmal war, eines der gefragtesten Talente in Europa – und nun im Besitz der Bayern.

Noch vor sechs Wochen ist das nahezu unvorstellbar. Niemand interessiert sich so recht für Serge Gnabry. Zumindest niemand, für den sich auch Serge Gnabry interessieren würde. Beim FC Arsenal kickt er in der Reserve. Einem Haufen von hochtalentierten Spielern, aus dem nur die wenigsten irgendwann für begeisternde Momente in den großen internationalen Ligen sorgen werden. Gnabry ist einer von ihnen, seine großen Momente hatte er bereits, vor – für ein Talent – ewig langer Zeit. Im Sommer 2012 unterschreibt der damals 17-Jährige einen Profi-Vertrag beim FC Arsenal. Das Supertalent wird mit dem Prädikat des "next Arjen Robben" bedacht, beim besten Talententwickler des Kontinents, bei Arsene Wenger. Eine vielversprechende Symbiose. Gnabry spielt in der Premier League, begeistert in der Champions League. Sein Weg, rasant, unaufhaltsam.

Der Rücken, das Knie, der Knick

Doch dann kommt der Rücken. Ein Nerv klemmt. Er klemmt und klemmt. Monatelange fällt der gebürtige Stuttgarter aus. Aber Wenger lässt ihn nicht hängen. Gnabry kehrt zurück, spielt, fällt gar dem Bundestrainer auf. Joachim Löw, so heißt es Ende 2013, hat den Offensivspieler, der gerade erst zum zweitjüngsten Torschützen der Arsenal-Geschichte (nur Cesc Fabregas war jünger) geworden ist, auf dem Radar für eine mögliche WM-Nominierung. Wieder scheint Gnabrys Weg rasant, unaufhaltsam. Doch dann kommt das Knie. Verletzung, langer Ausfall. Statt Rio 2014 gibt's Reha. Gnabry erholt sich nicht mehr – vielleicht auch, weil seine Einstellung, sein Lebenswandel nicht immer denen eines ambitionierten Profis angemessen sind, wie es einige Medien immer mal wieder charmant umschrieben.

Zur letzten Saison wird er dann ausgeliehen. Von den "Gunners" zu West Bromwich Albion. Einsätze in der Premier League, endlich wieder Aufmerksamkeit, endlich wieder das von den Medien gefeierte "German Wunderkind". Ein Durchbruch mit Verspätung. So stellt sich das Gnabry vor. Klingt super, klappt aber leider gar nicht. "Serge ist zu uns gekommen, um zu spielen", erklärte Coach Tony Pulis nach der Hinrunde, in der er den Deutschen nur einmal eingesetzt hatte, "doch im Moment ist er für mich noch nicht auf dem Level, um in der Premier League zu bestehen." Mit einem satten Tritt in den Hintern wurde der Youngster zurück zum FC Arsenal befördert, schrieben die "11Freunde". Glücklich waren sie in London darüber nicht. Aus Gnabry, dem großartigen Talent wurde Gnabry, der fast überall Ungewollte. Nur einer hatte noch Lust auf den Tempodribbler – U21- und Olympiaauswahltrainer Horst Hrubesch.

Der "Papa" der Nachwuchselite, der schimpfte: "Mich ärgert, dass man ihm nie das Vertrauen gegeben hat", nahm den Arsenal-Profi mit nach Rio. Nicht als Protagonisten, aber als jemanden, an dessen Fähigkeiten er glaubte, die er brauchte. Dessen Fähigkeiten Deutschland schließlich zur Silbermedaille führten – inklusive gestiegener Aufmerksamkeit. Bei vielen Vereinen in Europa und in den Medien. Denen gegenüber präsentierte er sich während Olympia mit dem Habitus eines unnahbaren Superstars. Zwei Fragen wolle er nur beantworten, dann reiche es, sagte er nach einem Spiel. Ein bisschen verdutzt sind die anwesenden Journalisten, mit so einer selbstbewussten Ansage eines 21-Jährigen hatten sie nicht gerechnet. Eines 21-Jährigen, der in Rio zwar wieder tüchtig für persönliche Aufmerksamkeit gesorgt hatte, der im wahren Leben aber einer war, den so recht niemand mehr haben wollte. Die Geschichte beginnt nun offenbar neu. Sie beginnt mittendrin. Sie beginnt, als sie eigentlich bereits zu Ende war. An der Weser. In der Krise.

Quelle: ntv.de

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