"Besser verlieren kann man nicht" Hrubeschs Fußballer gewinnen trotz Pleite

fabfd261087a2a27934cd94a73fa26ea.jpg

(Foto: dpa)

Gegen Brasilien platzt der Traum vom Olympia-Gold fürs DFB-Team auf dramatische Weise - und dennoch auf bestmögliche. Horst Hrubesch schwärmt: "Wir gehen hier als Gewinner raus", sagt er. "Aus dieser Partie auch."

Er trug weiße Turnschuhe zum schwarzen Trainingsoutfit und war guter Dinge, das bestätigte Horst Hrubesch auf Nachfrage: "Sehen Sie mich weinen? Ich lach' die ganze Zeit schon." Tatsächlich war Hrubesch schon lächelnd zur Pressekonferenz im Bauch des Maracana erschienen - nach diesem hochklassigen und dramatischen Olympia-Finale zwischen Brasilien und Deutschland. Das allerdings war ein untrügliches Zeichen dafür, dass er nicht als Olympiasieger-Trainer kam, der Unterlegene bekommt im Sport den Vortritt.

Horst Hrubesch kann trotz Niederlage im Finale lachen.

Horst Hrubesch kann trotz Niederlage im Finale lachen.

(Foto: dpa)

Hrubesch ließ sich das Lachen nicht nehmen. Die Finalniederlage in der olympischen Elfmeterlotterie mochte dem 65-Jährigen in der letzten Partie seiner Trainerkarriere jenen goldenen Abschied verwehrt haben, wie er Silvia Neid gut 24 Stunden zuvor an selber Stelle mit den Fußballfrauen vergönnt war. Aber Hrubesch ging es nach seinem letzten Spiel nullkommanull um Horst Hrubesch. Wenn, dann bedauerte er die Niederlage für seine Spieler, aber eigentlich sah er die ganze Sache so: Die Goldmedaillen baumelten zwar Neymar und Co. um den Hals, aber: "Wir gehen hier als Gewinner raus, aus dieser Partie auch."

Olympiagewinner statt Olympiasieger, dem stimmte der Leverkusener Julian Brandt zu: "Besser verlieren kann man nicht. Es ist Wahnsinn, was wir geleistet haben. Mit fast gar keiner Vorbereitung haben wir Silber geholt." Bei der Siegerehrung hatte das - natürlich - noch anders ausgesehen. Die dramatische 4:5-Niederlage im Elfmeterschießen hing allen in Kopf und Knochen, besonders Nils Petersen. Ihm war als fünfter deutscher Schütze der entscheidende Fehlschuss unterlaufen. "Im Elfmeterschießen gab es nur einen Doofen, der bin heute ich", sagte der Freiburger. Dennoch sei er stolz darauf, "dass ich Teil des Teams sein durfte".

Hrubesch: "Tolles Turnier gespielt"

Dieses deutsche Team war im Turnier zu einer Mannschaft gewachsen. Seine Spieler, sagte Hrubesch auf der Pressekonferenz, hätten Großes geleistet, ein "tolles Turnier gespielt", und jetzt seien sie "in der Kabine mittlerweile auch so weit, dass sie lachen und wissen, was sie da getan haben". Das soll nicht heißen, dass Hrubesch dieses historische erste Männer-Gold für deutsche Fußballer nicht liebend gern mitgenommen hätte. Aus Rio de Janeiro in den Ruhestand, als Beigabe zu seinen EM-Triumphen mit den DFB-Junioren 2008 und 2009. Es zeigte ein letztes Mal, dass Hrubesch Erfolg nicht in Titeln misst, was er in seiner Zeit als Nachwuchstrainer des DFB mit bewundernswerter Ruhe und Überzeugung vorgelebt hatte.

Zu einem Team zusammengewachsen: Hrubesch mit den DFB-Männern.

Zu einem Team zusammengewachsen: Hrubesch mit den DFB-Männern.

(Foto: dpa)

Seine Fußballkarriere als Spieler und Trainer, die mit 18 Jahren begonnen hatte und nun im Maracana endete, beschrieb Hrubesch zum Abschied als eine Art Geschenk: "Es hat einfach immer Spaß gemacht, egal ob ich gewonnen oder verloren habe." Als Spieler hat Hrubesch fast alles gewonnen. Für den Trainer Hrubesch waren immer auch die Dinge wichtig, die man sich nicht in den Trophäenschrank stellen kann, die einen formen, weiterbringen, reifen lassen, besser machen - nicht unbedingt nur als Fußballer.

Bei den Olympischen Spielen seien seine Spieler "von null - wir hatten ja nix, keine Vorbereitung, nix - durchgestartet" und hätten viel darüber "gelernt, wie man miteinander umzugehen hat, welchen Charakter man braucht, um am Ende des Tages einfach so weit zu kommen". Er hoffe, dass sie diese Verantwortung jetzt auch in ihren Vereinen übernehmen, "denn sie wissen jetzt, wie eine Mannschaft funktioniert".

Schlechte Kritiken "unter der Gürtellinie"

Das, sagte Hrubesch, "war für mich eine der entscheidenden Erkenntnisse, warum wir überhaupt so weit gekommen sind. Ich kann eigentlich nur hier sitzen und in den höchsten Tönen von ihnen schwärmen". Geärgert hätten ihn nur schlechte Kritiken nach der schwierigen Kadernominierung, die von den Bundesligisten bekanntlich nach Kräften sabotiert worden war, und dem holprigen Turnierstart. "Das war absolut unter der Gürtellinie teilweise", sagte Hrubesch: "Ich hoffe, dass das jetzt genau umgekehrt ist."

Denn seine Mannschaft hatte auch im Finale funktioniert, in dem die 80.000 Zuschauer mehrfach neue Dezibel-Rekorde für diese Spiele aufstellten. Brasilien spielte gut, Deutschland spielte gut, hatte Chancen und Pech, als der Ball in der ersten Halbzeit gleich dreimal an der brasilianischen Latte landete. Deutschland spielte, wie es Trainer Hrubesch erwartet hatte. "Also für mich war klar, dass diese Brasilianer uns nicht zerlegen, was ja hier eigentlich gefordert worden ist. Auf der anderen Seite haben wir gewusst, dass wir sie auch nicht zerlegen", sagte Hrubesch: "Es war einfach ein Spiel, was auf gutem Niveau gelaufen ist. Beide Teams hatten ihre Möglichkeiten und dass es am Ende nach 120 Minuten nur 1:1 gestanden hat, ok, dann kommt halt dieses Elfmeterschießen." Aber "jeder, der im Stadion gesessen ist, muss Spaß an diesem Spiel gehabt haben".

Brandt: "Hrubesch ist ein geiler Mensch"

Auf die Frage eines brasilianischen Journalisten, ob die Brasilianer verdient gewonnen hätten, sagte Hrubesch: "Für mich ging es eigentlich nur darum, dass der Fußball gewonnen hat." Der Finaleinzug seiner Mannschaft trotz der widrigen Umstände, die "überragende" Erfahrung im Olympischen Dorf mit anderen Sportlern zusammentreffen, habe ihn in der Überzeugung bestärkt, "dass Olympia super ist". Und folgerichtig auch darin: "Es macht einfach Sinn für uns in Deutschland zu Olympia zu gehen". Die drei Wochen mit dem Team nannte Hrubesch ein "Vergnügen", nur die Zeit davor sei sehr schwierig gewesen.

Die Spitze Richtung Bundesliga mochte er sich nicht verkneifen. Aber Hrubesch verteilte sie mit der Gelassenheit eines Mannes, der als DFB-Nachwuchstrainer schon so oft erfolgreich Rückschlägen und Widerständen getrotzt hatte. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte dem "großen Talenteflüsterer" schon vor dem Olympia-Endspiel ein rührendes Denkmal aus Buchstaben errichtet. Nach dem Endspiel sagte Julian Brandt: "Ich ziehe meinen Hut vor Horst Hrubesch. Er ist ein sehr geiler, ein sehr spezieller Mensch." Horst Hrubesch wird gelacht haben, als er davon hörte.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen