Müller ist sauer und verärgert Tja, so ist es nix mit Super-Bayern
04.10.2021, 07:51 Uhr
Gemütszustand offensichtlich: Thomas Müller.
(Foto: REUTERS)
Nach neun Pflichtspielsiegen mit dem FC Bayern am Stück endet die Serie von Julian Nagelsmann. Das 1:2 gegen Eintracht Frankfurt ist aus gleich mehreren Gründen ärgerlich. Frankfurt feiert einen Matchwinner, für den im Nationalteam diesmal kein Platz war.
Womöglich hat sich Hansi Flick am Sonntag ein wenig geärgert. Womöglich hat der immer noch neue deutsche Bundestrainer zum ersten Mal einen Nominierungsfehler begangen. Nun wird über diesen Fehler, wenn er denn überhaupt einer war, vermutlich nicht sehr lange debattiert werden. Und erst recht nicht wird dieser Fehler, wenn er denn überhaupt einer war, zum Müllerhummelsboateng-Thema seiner Amtszeit. Aber es ist schon so, dass dieser Kevin Trapp, den Flick nicht in sein Aufgebot für die anstehenden Länderspiele in der WM-Qualifikation gegen Rumänien und Nordmazedonien berufen hat, einen Platz im Kader verdient hätte.
Den sportlichen Nachweis bekam Flick an diesem Sonntagabend amtlich um die Ohren gepfeffert, als er in München zu Gast war und erstaunt sah, wie Eintracht Frankfurt, sorry, wie Trapp, den FC Bayern bei der 1:2-Niederlage (1:1) entnervte. Man könnte nun sehr detailliert aufschreiben, wie und wen er beim Rekordmeister zur Verzweiflung trieb. Das Problem ist nur: Dann würde dieser Text sehr, sehr lang. Wirklich sehr, sehr lang. So was muss ja nicht sein. Die Kurzversion seiner Heldentaten ist schon beeindruckend genug: Egal aus welcher Lage und ganz egal wie hart oder platziert die Münchner die Bälle auf ihn feuerten, Trapp war (fast) immer da. Nur beim 0:1 durch Leon Goretzka streckte er sich vergeblich. Der Nationalspieler hatte den Ball aber auch perfekt in die lange Ecke gesetzt.
Wie einst der junge Manuel Neuer
Eine Parade aber zeigte die Außergewöhnlichkeit seiner Leistung. Als Robert Lewandowski in der 56. Minute aus kürzester Distanz frei zum Kopfball kam, da ist die Sache für jeden im Stadion eigentlich klar. Dieser Kopfball wird im Tor…, nein, er wird von Trapp mit einem Giga-Mega-Monster-Reflex oder so etwas von der Linie gekratzt. Wie der Keeper seinen Fuß noch vor den Ball bekam, das war mindestens Weltklasse. Oder giga-mega-monstermäßig halt. Oder wie einst der sehr junge Schalker Manuel Neuer, der am 5. März 2008 einen Kopfball von Portos fassungslosem Stürmer Tarik Sektioui ähnlich titanesk vernichtete. Nun, das ist lange her. Neuer hat in seinem Leben als Torwart noch sehr viele andere herausragende Paraden gezeigt. Eine solide hätte an diesem Sonntag indes gereicht, um die erste Pflichtspielniederlage der Saison zu verhindern. Aber Neuer ließ in der 83. Minute einen Schuss von Filip Kostic aus 14 Metern an sich vorbeifliegen. Dabei wäre der Ball wohl haltbar gewesen.
Nun kann Flick das egal sein. Neuer ist gesetzt. Und das natürlich völlig zu Recht. Marc-André ter Stegen ist auch wieder dabei, auch völlig unstrittig. Selbst wenn sich sein FC Barcelona gerade in einem peinlichen Sprint durch alle Wettbewerbe verzwergt. Und dass nun Arsenals Bernd Leno der dritte Mann ist und nicht Trapp, nun ja, das ist den meisten Menschen nun wirklich sch…egal. Aber trotzdem bitter für Trapp. Immerhin ein kleiner Trost für ihn und seine Eintracht: Zum ersten Mal seit 21 Jahren gab es wieder einen Sieg in München und zudem auch noch den ersten Liga-Erfolg in dieser Saison.
Debatte um Alaba und Upamecano
Sch…egal war's übrigens Julian Nagelsmann auch, ob die Niederlage des phasenweise wieder einmal erdrückend dominanten FC Bayern gegen Frankfurt verdient war oder nicht. Denn was würde das ändern? Man kennt die Antwort: nichts. Aber einfach abtun wollte der 34-Jährige seine erste Pleite in einem Pflichtspiel als Trainer des Rekordmeisters nicht. "Niederlagen schmerzen immer. Die heute ebenfalls. Zum einen, weil es die erste war und zum anderen, war sie total vermeidbar", befand er. Tatsächlich mangelte es ja nicht an Tempo, Wucht und auch Chancen (siehe oben). Aber: "Wir haben ähnliche Dinge nicht richtig gemacht, die wir auch in den vergangenen Wochen hatten. Da hat es der Gegner aber nicht ausgenutzt. Heute wurden wir bestraft." Eigentlich würde er am liebsten sofort die Analyse machen, "weil es immer gut ist, das zeitnah zu erledigen, wenn das in den Köpfen noch präsent ist. Aber wir haben drei Spieler hier, der Rest ist verstreut bei den Nationalmannschaften."
Eine Sache, die nicht so gut lief, war das Spiel der Abwehr. Und ganz besonders das von Dayot Upamecano. Der kam in diesem Sommer und sollte unter anderem Abwehrchef David Alaba ersetzen. Die Klublegende, die nach einem fiesen Vertragspoker zu Real Madrid weitergezogen war. Aber gegen Frankfurt machte der Franzose kein gutes Spiel. Beim 1:1 (32.) ließ er Martin Hinteregger nach einer Ecke einfach mal machen. Keine gute Idee, denn der Österreicher hat ein bekanntermaßen herausragendes Kopfballspiel. Und vor dem späten 1:2 durch Kostic war Upamecano gleich zweimal viel zu passiv. Das galt auch für einige seiner Kollegen. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison machte der 22-Jährige kein souveränes Spiel, wenngleich er auch schon wirklich gute Leistungen gezeigt hatte. In den diversen Foren wird bereits darüber diskutiert, ob die Rotation der Abwehrchefs eine wirklich gute Idee für den Rekordmeister war. Die Wahrheit ist: Es ist zu früh, das zu bewerten.
Klartext vom Müllerthomas
So herausragend die Frühform des FC Bayern in den vergangenen Wochen war, so schwach waren die Gegner. Der FC Barcelona, der in der Champions League mit 3:0 im eigenen Stadion vorgeführt worden war, ist kein Maßstab mehr. RB Leipzig war es auch (noch) nicht (wieder). Der VfL Bochum und Greuther Fürth sind es sowieso nicht und werden es wohl auch nie werden. Und ebenfalls nicht Dynamo Kiew, das sich in der vergangenen Woche mit 0:5 brav ergab. Was sich noch durchzog: die mangelnde Effektivität. Beim Tempo- und Torrausch ging das zuletzt ein wenig unter, aber vor dem Tor ließen die Münchner doch zahlreiche Hochkaräter liegen. Wenn kein Trapp im Weg steht, lässt sich das verschmerzen. Wenn ein Trapp im Weg steht, kann das zum Problem werden.
Thomas Müller, der viele Chancen gegen Frankfurt vorbereitete, befand daher in aller Deutlichkeit: "Wir sind enttäuscht. Oder sauer, verärgert - ich weiß nicht, was man am besten verwenden kann. Das ist ein Spiel, das wir auf keinen Fall verlieren müssen. Es hat an der Effektivität gemangelt", klagte er bei DAZN. "Wenn wir das 2:1 machen, dann kann es auch 3:1 ausgehen oder 4:1. Dann stehen wir wieder und singen 'Super-Bayern'. Und so ist es nix mit 'Super-Bayern'. Jetzt haben wir auch noch zu Hause verloren. Das ist eine ungewohnte Situation, ein ungewohntes Gefühl." Mit dem schleppt sich der FC Bayern nun in die Länderspielpause. Wobei "schleppen" in München ja eher eine relative Kategorie ist. Denn die Mannschaft führt die Tabelle weiter an, wenngleich nur dank des besseren Torverhältnisses vor Bayer Leverkusen. Lediglich einen Zähler dahinter folgen Borussia Dortmund und der wieder einmal erstaunlich starke SC Freiburg.
Für die Liga ist die Pleite des FC Bayern eine gute Nachricht. Denn zumindest vorübergehend bleibt es spannend. Und nach der Länderspielunterbrechung kommt es am 17. Oktober direkt zum Duell der Liga-Dominatoren. Und dann auch zu einer wirklich ernsten Probe für unter anderem Upamecano gegen die brutal schnelle Offensive der Leverkusener. "Wir müssen die Niederlage analysieren. Wenn die Jungs von den Nationalmannschaften kommen, werden wir uns vorbereiten, damit wir das nächste Spiel gewinnen", sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Auch Nagelsmann urteilte: "Wir hatten sehr vieles selber in der Hand und demnach kann man auch viele Lehren daraus ziehen." Das gilt ebenfalls für ihn selbst: Ohne Not nahm er Rechtsverteidiger Niklas Süle in der 75. Minute vom Feld und brachte Offensivmann Marcel Sabitzer. Über die Seite kassierte der FC Bayern schließlich den Knockout-Treffer...
Quelle: ntv.de