Fußball

Kontrollierte Attacke - zu stark für Gladbach Tuchels BVB sorgt für eine surreale Gala

Thomas Tuchel und Pierre-Emerick Aubameyang erkennen zum Auftakt der Saison: Sie können vorne mitspielen.

Thomas Tuchel und Pierre-Emerick Aubameyang erkennen zum Auftakt der Saison: Sie können vorne mitspielen.

(Foto: AP)

Es ist Spiel eins nach Jürgen Klopp in der Fußball-Bundesliga - und es hätte für den BVB nicht viel besser laufen können. Das Team von Thomas Tuchel fegt die Gladbacher vom Platz. Der Trainer weiß warum, zeigt aber auch Demut.

Es mutete fast surreal an, was an diesem frühen Samstagabend in Dortmund geschah. Und für Thomas Tuchel, den neuen Trainer, verlief sein Bundesliga-Debüt mit dem BVB "natürlich so, dass man sich es beinahe nicht zu wünschen getraut hätte". Mit einem bemerkenswerten 4:0 (3:0) sind seine Borussen gegen Mönchengladbach in die 53. Saison der Bundesliga gestartet. Und Tuchel, 41 Jahre alt, dürfte so etwas noch nicht erlebt haben, sind doch die Dortmunder nach dem FSV Mainz erst sein zweiter Arbeitgeber im Profifußball.

Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach 4:0 (3:0)

Tore: 1:0 Reus (15.), 2:0 Aubameyang (21.), 3:0 Mkhitaryan (33.), 4:0 Mkhitaryan (50.)
Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer - Weigl - Reus (78. Kampl), Gündogan, Kagawa (85. Sven Bender), Mkhitaryan - Aubameyang (78. Ramos)
Mönchengladbach: Sommer - Jantschke, Marvin Schulz, Christensen, Wendt - Stindl, Xhaka (79. Dahoud) - Traore (65. Herrmann), Johnson - Raffael, Drmic (66. Hazard)
Schiedsrichter: Tobias Stieler - Zuschauer: 81.359 (ausverkauft)

Während - bis auf die geschätzt 8000 Gladbacher Fans - die Zuschauer im mit seinen 81.359 Plätzen ausverkauften Westfalenstadion feierten wie selten in der nahezu traumatischen vergangenen Saison, stand Tuchel in seiner Coachingzone und hatte entweder die Hände in der schwarzen Trainingshose und schaute, oder er schaute und dirigierte.

Hinterher sagte er als erstes: "Es war eine herausragende Stimmung, unfassbare Stimmung. Das war wirklich auch zwischendrin Gänsehaut." Und eine Gala, wie sie niemand erwartet hatte. Seine Dortmunder spielten in ihrem 4-1-4-1-System wild, aber bestens organisiert, bissig, aber präzise, mit einem überragenden Pressing im Mittelfeld und einer ungeheuren Wucht in der Offensive. Und sie machten das, was ihnen in der vergangenen Saison unter Jürgen Klopp zu selten gelungen war: Sie nutzten ihre Chancen und erzielten Tor um Tor.

Schon in der vergangenen Saison waren sie im Heimspiel den Gladbachern haushoch überlegen - und benötigten doch ein spektakuläres Eigentor des mittlerweile wieder nach Leverkusen zurückberufenen Weltmeisters Christoph Kramer, um die Partie mit 1:0 zu gewinnen. Die Bilanz seinerzeit: zwölf Torschüsse und strenggenommen kein eigener Treffer. Nun aber sah das alles ganz anders aus: Die Dortmunder Glückszahlen an diesem Wochenende lauten: 15, 21, 33 und 50. Es trafen gegen einen hilflosen Gast vom Niederrhein erst Marco Reus, dann Pierre-Emerick Aubameyang und schließlich Henrikh Mkhitaryan gleich zweimal. Macht vier Treffer aus sieben Versuchen, bei denen der Ball auf das Tor des Gladbacher Torhüters Yann Sommer flog.

Ist das die neue Vielseitigkeit des BVB?

Es war von allem etwas dabei: Mal ließen die Dortmunder den Ball laufen und kontrollierten das Geschehen nach Belieben - wie vor dem 2:0, als sie über eine halbe Minute den allerdings arg bewegungsarmen und indisponierten Gegner nicht mitspielen ließen und schließlich Innenverteidiger Mats Hummels seinen Viererkettenkollegen Marcel Schmelzer auf der linken Seite auf die Reise gen gegnerisches Tor schickte. Der flankte ebenso scharf wie präzise auf Aubameyang, der per Kopf traf. Mal konterten sie die Gladbacher aus, herrlich anzuschauen gar, wie beim dritten Tor. Julian Weigl, 19 Jahre alt, vom TSV 1860 München gekommen und von Tuchel gleich mit dem Job des Sechsers vor der Abwehr betraut, hatte sich den Ball von Lars Stindl erobert und an Ilkay Gündogan weitergeleitet. Der übergab an Aubameyang, der fulminant lossprintete und bei aller Eile doch die Übersicht hatte, zu Mkhitaryan zu passen. Vor dem ersten Tor machten sie das Spiel plötzlich schnell, das 4:0 resultierte ebenfalls aus einem schnellen Gegenstoß. Kurzum: kontrollierte Attacke.

Fußball ist immer ein Versprechen, die Hoffnung auf mehr. Der BVB hat mit dieser Gala gleich am ersten Spieltag dieser 53. Saison der Fußball-Bundesliga die Ansprüche und Erwartungen in die Höhe geschraubt. Tuchel will davon natürlich nichts wissen. Er ist keiner, der nach einem glanzvollen Sieg seine These revidiert, wonach die Dortmunder sich in dieser Saison als die Herausforderer der großen Vier sehen. Will meinen: Sie wollen dem FC Bayern, dem VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und eben den Gladbachern das Leben möglichst schwer machen - was im Falle der Namenscousine ja schon einmal ganz gut geklappt hat. "Ich bin sehr, sehr froh über die Art und Weise, wie meine Mannschaft heute auf dem Feld stand, mit welcher Ausstrahlung, mit welcher Lust, mit welcher Begeisterung, mit welcher Disziplin und auch mit welchem Mut wir den starken und komplizierten Gegner bespielt haben, uns viele Torchancen herausgespielt haben. Das war eine Freude zu sehen."

Wie gut sie in Dortmund drauf sind, zeigte sich, als Sascha Fligge, der Pressesprecher des BVB, den Trainer der Gäste nach der Pressekonferenz verabschiedete. "Viel Glück in der Qualifikation zur Champions League", gab er Lucien Favre mit auf dem Weg. Er wird es nicht böse gemeint haben, wahrscheinlich hat er sich einfach nur vertan. Es klang aber auch ein wenig so, als könne sich der Dortmunder partout nicht vorstellen, dass diese Gladbacher sich in der vergangenen Saison als Tabellendritter einen Platz in der Gruppenphase der europäischen Königsklasse längst gesichert haben. Allein gemessen an diesem surrealen Samstagabend wäre darauf allerdings so schnell auch keiner gekommen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen