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Fragen nach ter Stegens Drama Und was, wenn Manuel Neuer jetzt wieder übernimmt?

Marc-André ter Stegen muss auf einer Trage vom Platz getragen werden.

Marc-André ter Stegen muss auf einer Trage vom Platz getragen werden.

(Foto: Alberto Saiz/AP/dpa)

Zur absoluten Unzeit verletzt sich Marc-André ter Stegen schwer. Die Saison ist für den 32-Jährigen voraussichtlich vorbei, dabei sollte sie eine große für ihn werden. Nicht nur mit dem FC Barcelona wollte er wieder auferstehen, sondern auch für Deutschland glänzen. Nun stellen sich große Fragen.

Unmittelbar nachdem Marc-André ter Stegen seinen FC Barcelona mit einer gigantischen Parade, in Manier eines Eishockey-Goalies, vor dem 2:2-Ausgleich in La Liga gegen Villarreal (Endstand 5:1 für Barça) bewahrt hatte, kam es vor der Halbzeit zum großen Drama. Eine zu lang getretene Ecke der Gastgeber fischte der deutsche Torwart souverän aus der Luft, er landete aber nur auf einem Bein, schrie und sofort war klar: Hier ist etwas Schlimmes passiert. Wie schwer es den Schlussmann erwischt hat, legen die Videoaufnahmen aus dem Krankenhaus nahe, die ein spanischer TV-Sender veröffentlichte. Ter Stegen wird beim Verlassen der Klinik gezeigt, er wird von einer Armada an Betreuern im Rollstuhl zum Auto geschoben, das rechte Bein ist geschient und hoch gelegt.

Seine Mitspieler riefen nach der fatalen Landung des Spielers auf dem Rasen medizinischer Betreuung, auch der Schiedsrichter verlor keine Zeit und signalisierte, dass Hilfe eiligst kommen solle. Unter Schmerzschreien wurde der 32-Jährige ausgewechselt und wird für eine sehr lange Zeit nicht mehr auf dem Platz zu sehen sein. Mutmaßlich gar nicht mehr in dieser gerade gestarteten Saison. "Wir müssen warten. Es wird eine schwere Verletzung sein. Das hat man sofort gesehen, als er auf dem Feld lag", hatte Barcelonas Trainer Hansi Flick betont. In der Halbzeit hätten sie sich gesagt: "Wir spielen jetzt für Marc". Einen Tag später dann Gewissheit: Die Patellasehne im rechten Knie ist gerissen, er muss operiert werden. Schon vor 2020 und 2021 kam er deshalb unters Messer.

Für Flick, den Supertrainer, ist das Drama um die Nummer eins die schon zweite personelle Hiobsbotschaft in seiner noch jungen Amtszeit. Erst vor wenigen Wochen hatte sich das Supertalent Marc Bernal so schwer verletzt, dass auch er in dieser Spielzeit nicht mehr eingreifen werden kann. Den Ausfall des erst 17-Jährigen können Flick und sein Team indes deutlich besser kompensieren, als die Lücke, die ter Stegen nun reißt, trotz einiger Wackler zuletzt. Unter anderem in der Champions League, als er Mitspieler Eric Garcia mit einem fatalen Rückpass so sehr in Bedrängnis brachte, dass der die Notbremse auspackte. Barcelona spielte danach 80 Minuten in Unterzahl und verlor das Spiel bei der AS Monaco mit 1:2.

Gerade erst ist Neuer weg

Das Tor der Katalanen wird nun vorerst von Inaki Pena gehütet. Der 25-Jährige ist ein Eigengewächs und die klare Nummer zwei im Kader. Bis zur Winterpause dürfte daran nicht zu rütteln sein. Dann könnte der Klub aber auf dem Transfermarkt aktiv werden. Zuletzt hatte schon das wilde Gerücht die Runde gemacht, dass Brigthons niederländischer Nationalkeeper Bart Verbruggen in den Fokus von Barça gerückt sein, auch wegen der Wackler des Deutschen.

Für den beginnt nun eine lange Phase des Wartens und der Genesung. Und wenn jemals eine Verletzung zur absoluten Unzeit gekommen ist, dann wohl diese. Denn eigentlich sollte nun endgültig die große Zeit von ter Stegen beginnen. Er wollte nicht mehr nur in Spanien eine große Nummer sein, sondern auch die Last des DFB-Teams endlich schultern. Er wollte aus dem Schatten von Manuel Neuer treten, in dem er jahrelang gefangen war. Zwischendurch war er immer mal wieder vorübergehend im Licht, aber wenn es richtig wichtig wurde, dann knallhart zurückgedrängt. Bis jetzt: Neuer hat seine DFB-Karriere beendet und für ter Stegen begann damit die Mission Weltmeisterschaft 2026. Erleichtert wie selten hatte man den Keeper in seiner ersten Pressekonferenz mit neuem, mit Nummer-eins-Status erlebt. Und dann kommt Villarreal. Ein Fehltritt. Mehr Tragödie geht nicht.

Und wenn man in der Katastrophe für den Torwart etwas Gutes finden möchte, dann ist es vielleicht doch der Zeitpunkt der Verletzung. Sollte er tatsächlich erst im nächsten Sommer zurückkehren, hat er noch ein Jahr Zeit, sich den Traum vom ersten Turnier als Nummer eins in der Nationalmannschaft zu erfüllen. Und ausgerechnet sein ewiger Rivale Neuer zeigt ihm den Weg. Auch der kämpfte sich nach einer schweren Verletzung, zugezogen beim Skifahren nach dem WM-Debakel in Katar, zurück, wieder in starke Form und wurde Nummer eins. Trotz eines so starken Herausforderers wie ter Stegen, der das mit der Faust in der Tasche hinnehmen musste.

Nübel, Baumann, Trapp ...

Das Gute für ter Stegen: Ein Herausforderer, wie er es war, ist derzeit nicht in Sicht. Deswegen ist die Verletzung auch für Bundestrainer Julian Nagelsmann eine ganz bittere Nachricht, der sein Team ja für das große Ziel WM-Titel 2026 möglichst lange in bester Besetzung einspielen lassen will (oder im Fall ter Stegen eben lassen wollte). So stellt sich jetzt die Frage: Wer wird nun Nummer eins auf Zeit? Die logischste Antwort wäre Alexander Nübel. Der ist beim VfB Stuttgart zu einem Top-Mann gereift und mit 27 Jahren derzeit der einzige Torwart, der für Deutschland auch so etwas wie die Zukunft verkörpert. Allerdings war der Keeper, der dem FC Bayern gehört, und da irgendwann mal Neuer beerben soll, zuletzt auch nicht frei von Fehlern.

Im Land der Torhüter sieht es nämlich hinter der alten Garde eher mau aus. Oliver Baumann steckt mit der TSG Hoffenheim in einer tiefen sportlichen Krise, ist dabei aber noch einer der Besseren. Der wackligen Defensive kann aber auch keine nachhaltige Sicherheit geben. Kevin Trapp ist derzeit verletzt und bekommt bei Eintracht Frankfurt Druck von seinem jungen Vertreter Kaua Santos. Zuvor hatte sich der 34-Jährige bereits mit einer ganz schwachen Rückrunde um das EM-Ticket gebracht.

Und Bernd Leno? Ja, genau, von dem hat man eine gefühlte Ewigkeit nichts mehr gehört. Immerhin ist er aber Stammkraft beim FC Fulham in der Premier League. Dort steht auch Stefan Ortega unter Vertrag. Wird der 31-Jährige gebraucht, ist er bei Manchester City immer zur Stelle. Er überzeugte in der Endphase der vergangenen Saison als Vertreter von Ederson in einigen großen Partien, in dieser Spielzeit ist er aber noch ohne Einsatz. Er war zwar schon häufiger in Diskussion für eine Nominierung und richtig heiß wurde es nie um ihn. Zu stark war die Konkurrenz. U21-Keeper Noah Atubolu vom SC Freiburg wurde ebenfalls als Hoffnungsträger gehandelt, doch spielte der 22-Jährige lange nicht konstant. Immer wieder leistete er sich nach starken Spielen bittere Aussetzer. Teilweise musste er sich harte Kritik von Fans anhören. Vor allem in den sozialen Medien, was Ex-Coach Christian Streich damals heftig empörte und zu einer Generalabrechnung mit der Kultur in den Netzwerken veranlasste.

... oder sogar Neuer?

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Schaut man sich in der U21-Nationalmannschaft weiter um, findet man auch eher Namen für eine fernere Zukunft. Für eine Zeit nach 2026. Mit Jonas Urbig vom 1. FC Köln und Tjark Ernst von Hertha BSC gibt es zwei weitere durchaus interessante Kandidaten, die beide in der 2. Bundesliga die jeweilige Nummer eins in ihren Klubs sind. Der vierte Mann ist Felix Gebhardt vom SSV Jahn Regensburg, der mit seinem Klub allerdings derzeit tief im Abstiegskampf feststeckt und dem die Bälle derzeit nur so um die Ohren sausen.

Bleibt noch, Obacht, ein Comeback von Manuel Neuer? Klingt ziemlich verrückt, aber warum eigentlich nicht? Nach seinem Rücktritt hatte er via "Players Tribune" einen emotionalen Brief geschrieben und dabei durchaus die Hintertür in der Nationalmannschaft nicht zugeschlagen: "Im Moment fühle ich mich in meinem Körper sehr gut, aber niemand kann in die Zukunft schauen", schreibt Neuer. In Gesprächen mit Freunden und Familie sei seine Entscheidung klarer geworden: "Das ist der richtige Zeitpunkt." Nun haben sich die Zeiten geändert und der Bundestrainer schon einmal überrascht, als er Toni Kroos zu einer Rückkehr bewegt hatte. Ja, verrückt wäre es wirklich, wenn ausgerechnet Neuer jetzt den Platzhalter für ter Stegen geben würde. Was für ihn spricht: In starker Form ist der ewige Titan. Und: Er kennt die Nationalmannschaft wie kein Zweiter.

Quelle: ntv.de

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