FC Bayern vor dem Halbfinale Wie sehr zittert Real vor El Zorro Heynckes?
25.04.2018, 16:27 Uhr
Sie nannten ihn Fuchs: Jupp Heynckes.
(Foto: dpa)
Real Madrid ist schon super. Aber eben auch nicht stets. Darin liegt die Hoffnung des FC Bayern vor dem Halbfinale in der Champions League. Ob sie trügt, wird sich weisen. Die Madrilenen wollen den Titel "bis zum Tod verteidigen".
Worum geht's?
Um alles, will heißen: um das Endspiel der Champions League, das am 26. Mai in Kiew stattfindet. Der Liverpool Football Club hat an diesem Dienstagabend mit einem 5:2 (2:0) gegen die Associazione Sportiva Roma im ersten Halbfinale mächtig vorgelegt, nun spielen (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) die beiden anderen Bewerber vor. Da es sich bei der Partie des Fußball-Clubs Bayern München e. V. gegen den Real Madrid Club de Fútbol ebenfalls um das Hinspiel handelt, fällt also an diesem Mittwoch noch keine Entscheidung. Es geht für beide Mannschaften darum, nicht schon vor dem Rückspiel am Dienstag, 1. Mai, im Estadio Santiago Bernabéu alles zu verspielen. In München wissen sie, was gemeint ist.
FC Bayern München: Ulreich - Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba - Javi Martinez - Müller, James - Robben, Ribéry – Lewandowski. - Trainer: Heynckes
Real Madrid: Navas - Carvajal, Varane, Sergio Ramos, Marcelo - Casemiro - Modric, Kroos - Isco - Benzema, Ronaldo. Trainer: Zidane
Schiedsrichter: Björn Kuipers (Niederlande)
Knapp ein Jahr ist es her, als sich beide Teams zum bisher letzten Mal in München trafen. Am 12. April war das Hinspiel des Viertelfinales und Madrid gewann mit 2:1 - weil Cristiano Ronaldo zweimal traf; weil Arturo Vidal, der heute verletzt fehlt, zwar das Tor erzielte, aber auch einen Elfmeter verschoss; weil Javier Martínez mit Gelb-Rot vom Platz flog; weil die Mannschaft von Trainer Carlo Ancelotti in Halbzeit zwei unsicher wirkte; und weil sie den Ausfall Robert Lewandowskis nicht kompensieren konnte. Im Rückspiel eine Woche drauf boten die Bayern dann die mutmaßlich beste Leistung der Saison. Und schieden mit Mut, Leidenschaft und ein wenig Pech in der Verlängerung aus. Die Münchner zeigten sich als schlechte Verlierer und wüteten gegen den ungarischen Schiedsrichter Viktor Kassai. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef, witterte gar Betrug: "Wir sind beschissen worden, im wahrsten Sinne des Wortes."
Wie ist die Ausgangslage?
Dieses Mal kommt der Schiedsrichter aus den Niederlanden, ist 45 Jahre alt, heißt Björn Kuipers und kann auf die Erfahrung von zwei Europameisterschaften 2012 und 2016 sowie der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien zurückgreifen. Ein guter Mann? Ein guter Mann und eine gute Wahl für dieses Spiel, sagen Collinas Erben: "Er beschäftigt sich viel mit der Taktik und den Spielsystemen der Mannschaften, auch mithilfe eines eigenen Coaches. Er bereitet sich akribisch vor, auch auf mögliche Konflikte. Kuipers ist sehr sachlich im Auftreten, erfahren und konsequent, vor allem bei taktischen Fouls. Dabei ist er aber nicht übermäßig kleinlich im Strafmaß." Mal hören, was Rummenigge hinterher sagt.
Ansonsten ist es so, dass beide Mannschaften nicht gerade in dieses Halbfinale geschwebt sind. Die Bayern hatten mit Beşiktaş aus Istanbul und dem FC Sevilla nicht gerade Gegner der allerersten europäischen Güte, aber immerhin dann auch wenig Mühe. Real schaltete im Achtelfinale Paris Saint-Germain aus und hatte im Viertelfinale gegen Juventus Turin etwas Glück. Und natürlich diesen Cristiano Ronaldo. In der Champions League hat er nun in elf Spielen hintereinander getroffen, 15 Tore sind es in dieser Saison insgesamt. Sein Fallrückziehertor beim 3:0 in Turin sorgte für Furore. Überhaupt scheint der Portugiese mit seinen 33 Jahren so wertvoll für die Madrilenen zu sein wie selten zuvor. Heute in München bestreitet er seine 151. Partie in der Königsklasse. Mehr hat kein anderer Feldspieler geschafft. Nur Reals ehemaliger Torhüter Iker Casillas kommt auf 167 Begegnungen. Aber den holt Ronaldo bestimmt auch noch ein.
Wie ist der FC Bayern drauf?
1975/1976, Halbfinale
FCB - Real 2:0 (2:0), Real - FCB 1:1 (1:1)
1986/1987, Halbfinale
Real - FCB 1:0 (1:0), FCB - Real 4:1 (3:1)
1987/1988, Viertelfinale
Real - FCB 2:0 (2:0), FCB - Real 3:2 (2:0)
1999/2000, Halbfinale
FCB - Real 2:1 (1:1), Real - FCB 2:0 (2:0)
2000/2001, Halbfinale
FCB - Real 2:1 (2:1), Real - FCB 0:1 (0:0)
2001/2002, Viertelfinale
Real - FCB 2:0 (0:0), FCB - Real 2:1 (0:1)
2003/2004, Achtelfinale
Real - FCB 1:0 (1:0), FCB - Real 1:1 (0:0)
2006/2007, Achtelfinale
FCB - Real 2:1 (1:0), Real - FCB 3:2 (3:1)
2011/2012, Halbfinale
Real - FCB 1:3 (2:1, 2:1, 2:1) i. E. , FCB - Real 2:1 (1:0)
2013/2014, Halbfinale
FCB - Real 0:4 (0:3), Real - FCB 1:0 (1:0)
2016/2017, Viertelfinale
Real - FCB 4:2 n.V., FCB - Real 1:2 (1:0)
Die Münchner setzten all ihre Hoffnung darauf, dass Real zwar super ist - aber eben auch nicht immer. So hat Nationalspieler Thomas Müller durchaus registriert, dass die Madrilenen sich beim 1:3 im Rückspiel des Viertelfinals gegen Juve durchaus mühen mussten. "Das heißt, sie sind auch verwundbar. Das Spiel kommt zur richtigen Zeit." Und so gelte: "Wir müssen auf jeden Fall nach vorne spielen. Wir müssen Tore erzielen wollen und die Schwächen, die Madrid auf jeden Fall auch hat, ausnutzen." Und was sagt Jupp Heynckes? Erst einmal darf er sich darüber freuen, dass die spanische Sporttageszeitung "Marca" dem Entrenador der Bayern einen neuen Spitznamen verpasst hat: El Zorro. Und der Fuchs sagt: "Wille kann Berge versetzen." Es sei nämlich so: "Die Champions League kann man nicht kaufen. Die Champions League gewinnt die Mannschaft, die am homogensten ist und den optimalen Fußball spielt." Dem ist im Grunde nichts entgegenzusetzen. Doch Zorro hat noch einen im Köcher: "Wir sind sehr gut beieinander, wir spielen eine überragende Saison, die wir damit krönen wollen, ins Finale einzuziehen. Es gibt keinen Favoriten, obwohl ich ein gutes Gefühl habe." Und: "Wenn Sie die Champions League gewinnen wollen, muss sich die Mannschaft zwischenmenschlich verstehen und respektieren. Das war bei mir 1998 mit Real Madrid so und 2013 beim FC Bayern. Im Moment sind wir in einer ähnlichen Situation." Das klingt doch durchaus optimistisch.
Was machen die Madrilenen?
Haben am Wochenende pausiert, weil der Termin für das spanische Pokalfinale reserviert war, an dem Real und sein französischer Trainer Zinédine Zidane allerdings gar nicht teilgenommen haben. Stattdessen desklassierte Barça den FC Sevilla mit 5:0. Was zu einem ebenso interessanten wie nutzlosen Quervergleich anregt: Wenn also der FC Barcelona, der als Spitzenreiter der spanischen Primera División satte 15 Punkte vor dem Tabellendritten Real steht, mit 5:0 gegen die Mannschaft gewinnt, gegen die der FC Bayern jüngst in Viertelfinale der Champions League 0:0 gespielt hat - was heißt das dann für die Partie heute?
Nichts, vermutlich. Außer vielleicht, dass die Bayern froh sein dürfen, dass Barça in der Königsklasse nicht mehr dabei ist. Und Real? Sie haben den Kapitän und spanischen Abwehrchef Sergio Ramos, den Brasilianer Marcelo, sie haben im Mittelfeld den deutschen Weltmeister Toni Kroos, den kongenialen Kroaten Luka Modric, und den immer noch unterschätzen, aber wegen seiner unglaublichen Zweikampfstärke unersetzlichen Brasilianer Casemiro. Sie haben den Spanier Isco, den Waliser Gareth Bale - und eben Ronaldo. Der hat im vergangenen Jahr gegen den FC Bayern in beiden Viertelfinalspielen insgesamt fünf Mal getroffen. Vor allem aber hat Real eine unglaubliche Wucht im Spiel nach vorne und das durch kaum etwas zu erschütternde Selbstbewusstsein einer Mannschaft, die in den vergangenen beiden Jahren die Champions League gewonnen hat. Die Madrilenen wissen, dass sie jedes Team auf diesem Planeten schlagen können. Oder wie es Zidane dieser Tage formulierte: "Wir sind in Form. Und wir werden unseren Titel bis zum Tod verteidigen." Möge das Spiel beginnen.
Quelle: ntv.de