"Collinas Erben" zufrieden Beim Saisonfinale sind die Schiris kein Thema
29.05.2023, 08:48 Uhr

Sven Jablonski traf - unterstützt vom VAR - eine wichtige Entscheidung richtig.
(Foto: picture alliance / nordphoto GmbH / meuter)
Nach Eingriffen des VAR bekommt Dortmund einen Strafstoß zugesprochen, während den Bayern wegen Handspiels ein Tor aberkannt wird und sie später einen Elfmeter hinnehmen müssen. Diese Entscheidungen sind korrekt, auch sonst funktioniert das Zusammenspiel gut.
Wann gibt es das schon mal, dass es am letzten Bundesliga-Spieltag einer Saison in ausnahmslos allen Partien zumindest für eine Mannschaft noch um sehr viel geht - die Meisterschaft, die Qualifikation für einen Europapokal-Wettbewerb oder den Klassenerhalt respektive die Relegation? Diesmal war es so, was auch für die Unparteiischen eine besondere Herausforderung bedeutete. Nach dem Schlusspfiff in allen neun Stadien lässt sich sagen: Die Schiedsrichter haben sie gut gemeistert, sie standen nirgendwo im Mittelpunkt der Diskussion - auch weil das Zusammenspiel mit den Video-Assistenten reibungslos funktionierte.
Die Begegnung zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FSV Mainz 05 (2:2) leitete Marco Fritz, der den BVB damit schon zum vierten Mal in den letzten elf Saisonspielen pfiff. Eine solche Häufung ist ungewöhnlich, aber natürlich kein Zufall: Fritz gehört nicht nur zu den erfahrensten und besten deutschen Referees, sondern auch zu den aktuell formstärksten. Seine jüngsten Einsätze bei den brisanten Partien der Schwarz-Gelben in Schalke (2:2) und beim FC Bayern München (2:4) brachte er geräuschlos über die Bühne, beim klaren 6:0-Sieg der Dortmunder gegen den VfL Wolfsburg am 31. Spieltag hatte er erst recht keine Mühe.
Warum der BVB nur einen Strafstoß bekam
In der Begegnung des BVB gegen Mainz war der 45-Jährige ebenfalls kaum einmal ein Thema. Das lag diesmal auch daran, dass VAR Pascal Müller zu Recht eingriff, nachdem der Mainzer Dominik Kohr in der 17. Minute im eigenen Strafraum Raphael Guerreiro durch einen Tritt gegen dessen rechte Ferse zu Fall gebracht, Fritz jedoch weiterspielen lassen hatte. Das On-Field-Review dauerte nicht lange, danach entschied der Referee richtigerweise auf Strafstoß für Borussia Dortmund. Doch Sébastien Haller vergab beim Stand von 0:1 die Chance, den Ausgleichstreffer zu erzielen.
Kurz darauf forderten die Hausherren einen weiteren Elfmeter, als wiederum Guerreiro im Anschluss an eine Flanke nach einem Zweikampf mit Aaron im Mainzer Strafraum zu Boden ging. Marco Fritz ließ jedoch erneut weiterspielen, und diesmal blieb eine Intervention aus der Kölner Videozentrale aus. Das war nachvollziehbar: Zwar gab es einen Impuls von Aaron mit angelegtem Arm und der Körperseite gegen den Rücken von Guerreiro, als dieser den halbhohen Ball annahm. Doch ein Stoßen lag hier nicht vor, und ob man den Kontakt als verbotenes Rempeln bewertet oder noch als erlaubt harten Körpereinsatz, ist letztlich eine Frage des Ermessens.
VAR-Eingriffe gegen den FC Bayern waren korrekt
Es war eine Situation, in der zwei Entscheidungen denkbar waren, also auch ein erneuter Elfmeterpfiff. Klar falsch wäre weder die eine noch die andere Entscheidung gewesen, ein Eingriff des VAR war somit nicht erforderlich. Einen ernsthaften Versuch, den Ball zu erreichen, unternahm Aaron in dieser Szene zwar nicht, auf der anderen Seite sah der Impuls gegen Guerreiros Rücken je nach Kameraeinstellung aber auch nicht unbedingt danach aus, als wäre er klar ursächlich dafür gewesen, dass der Dortmunder fiel. Hinzu kam, dass Marco Fritz bei der Zweikampfbewertung generell keine kleinliche Linie verfolgte. Insofern passte es, auch hier nicht zu pfeifen.
In der Partie des 1. FC Köln gegen den alten und neuen Deutschen Meister FC Bayern München (1:2) schaltete sich ebenfalls der Video-Assistent ein: Zunächst empfahl Christian Dingert seinem Kollegen Sven Jablonski kurz vor der Pause ein On-Field-Review, nachdem Leroy Sané zu Beginn des Angriffs, den er selbst mit dem vermeintlichen 0:2 abschloss, den Ball verbotenerweise mit dem abgespreizten Unterarm gespielt hatte. Eine berechtigte Intervention, die dazu führte, dass der Treffer annulliert wurde. Korrekt war auch Dingerts Einschreiten in der 79. Minute, nachdem Jablonski ein ebenfalls strafbares Handspiel von Serge Gnabry außerhalb des Bayern-Strafraums verortet hatte. Die Bilder zeigten jedoch, dass der Kontakt innerhalb des Strafraums geschehen war. Deshalb gab es nach der Überprüfung einen Strafstoß.
Richtige Entscheidungen auch im Abstiegskampf
Auch im Abstiegskampf gab es keine Klagen über die Unparteiischen, die von den VAR gut unterstützt wurden. So etwa in Bochum, wo der Klassenerhalt des VfL durch den Sieg gegen Bayer 04 Leverkusen (3:0) gewiss dadurch begünstigt wurde, dass Amine Adli sich bereits nach sechs Minuten zu einem Nachtreten gegen Dominique Heintz hinreißen ließ. Eine Tätlichkeit, die Schiedsrichter Tobias Welz auf dem Feld zunächst nicht als solche wahrnahm und bewertete - er verwarnte Adli lediglich -, bevor VAR Benjamin Brand eingriff und ein On-Field-Review empfahl. Daraufhin gab es berechtigterweise die sehr frühe Rote Karte für den Leverkusener, dessen Team in Unterzahl gegen entschlossene Bochumer klar verlor.
Im Spiel des VfB Stuttgart gegen den TSG 1899 Hoffenheim (1:1) lief Schiedsrichter Robert Schröder derweil ebenfalls einmal in die Review Area. Dort schaute er sich den Zweikampf in der 80. Minute zwischen Tiago Tomás und Robert Skov vor dem Ausgleichstor für die Gastgeber noch einmal an, das der Stuttgarter Angreifer erzielt hatte. Skov war zu Boden gegangen, als Tiago Tomás kreuzen wollte, doch der Kontakt im Fußbereich war dem Torschützen nicht anzulasten, und es lag auch kein Haltevergehen vor. Dass Referee Schröder nach eingehendem Betrachten der Bilder bei seiner Entscheidung blieb, den Treffer zu geben, war deshalb korrekt.
Guter Abschluss für Referees und VAR
"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.
Auch die VAR-Eingriffe in den Begegnungen 1. FC Union Berlin - SV Werder Bremen (1:0) und Borussia Mönchengladbach - FC Augsburg (2:0) samt anschließender Entscheidungsänderungen waren berechtigt. In Berlin hatte Schiedsrichter Patrick Ittrich nach einem Zweikampf zwischen Lee Buchanan und dem Berliner Janik Haberer im Bremer Strafraum zunächst auf Strafstoß für Union erkannt, doch Buchanan hatte klar den Ball gespielt. In Mönchengladbach foulte Robert Gumny den Gladbacher Marcus Thuram auf dessen Weg zum Tor, aber nicht im Strafraum, wie Referee Matthias Jöllenbeck es zunächst wahrgenommen hatte, sondern knapp außerhalb. Deshalb gab es statt des Strafstoßes schließlich nur einen Freistoß - dafür jedoch statt der Gelben Karte die Rote. Denn "Notbremsen" führen außerhalb des Strafraums auch dann zu einem Feldverweis, wenn der betreffende Spieler versucht hat, den Ball zu erreichen.
Wenn über die Unparteiischen und ihre Video-Assistenten nach einem Spieltag kaum gesprochen wird, ist das in aller Regel ein gutes Zeichen. Erst recht, wenn es sich dabei um das Saisonfinale handelt, bei dem Entscheidungen eine ganz besondere Tragweite haben können. An diesem letzten Spieltag der Saison 2022/23, der so viel Dramatik zu bieten hatte, waren die Schiedsrichter und VAR nirgendwo ein wirkliches Thema. Auch ihre wichtigen Entscheidungen passten, nötigenfalls griffen die Video-Assistenten ein. So war es in dieser Saison nicht immer, aber mit diesem Abschluss können die Referees zweifellos zufrieden sein.
Quelle: ntv.de