Collinas Erben

"Collinas Erben", tribü(h)nenreif Costa macht ein Selfie, Schmidt Theater

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Bitte lächeln: Douglas Costa.

Bitte lächeln: Douglas Costa.

(Foto: imago/DeFodi)

Muss Gelb sehen, wer nach einem Tor ein Selfie knipst? Ein Spieler des FC Bayern kommt ungeschoren davon. Anders als Leverkusens Trainer, der erneut auf die Tribüne verbannt wird. In Italien sorgt die Torlinientechnik für ein Kuriosum.

Es ist noch gar nicht so lange her, da warfen Spieler, die in er Fußball-Bundesliga ein Tor erzielten, lediglich die Arme in die Luft, ballten ihre Fäuste oder taten einen kleinen Luftsprung, bevor sie von ihren Mitspielern flüchtig geherzt wurden und wieder zur Tagesordnung übergingen. Verglichen mit dem heutigen, oftmals perfekt durchgestylten Torjubel, den bisweilen ein stummer Zwang zur Originalität kennzeichnet, wirkt die seinerzeitige Freude sympathisch unspektakulär und spontan. Es wurde keine Batman-Maske aus dem Strumpf gezogen, keine Babywiege simuliert und kein Golfabschlag pantomimisch dargestellt.

Auf die Idee, aus dem Publikum eine Kamera entgegenzunehmen und sich selbst beim Feiern mit Fans zu fotografieren, kam ebenfalls niemand. Einen solchen Selfie-Jubel hat nun Douglas Costa vom FC Bayern am Samstagabend inszeniert und damit kontroverse Reaktionen ausgelöst, auch in der eigenen Mannschaft. Manche fanden die Aktion amüsant, andere wiederum respektlos gegenüber den Gladbachern. Schiedsrichter Jochen Drees hatte ebenfalls eine Meinung dazu - und das musste er auch.

"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.

Denn wenn Costa mit seinem Selfie im Spiel gegen Mönchengladbach nach seinem Treffer zum 2:0 den Tatbestand des übertriebenen Torjubels, der Provokation des Gegners oder der Spielverzögerung erfüllt hätte, dann wäre eine Gelbe Karte wegen unsportlichen Verhaltens unvermeidlich gewesen. Der Unparteiische entschied sich jedoch, auf eine Verwarnung zu verzichten, und begründete das gegenüber dem ARD-Hörfunk auch. "Es gibt im Regeltext keine Passage, dass er kein Selfie machen darf", sagte Drees. "Solange es nicht verhöhnend gegen den Gegner ist, ist mir keine Regel bekannt, dass das zu ahnden wäre."

Persönlich finde er Costas Jubel sogar "eine nette Sache". Schließlich tue er niemandem weh, und das Spiel sei auch nicht verzögert worden. Die für die Schiedsrichter Verantwortlichen müssten sich aber "Gedanken machen, ob sie das in irgendeiner Form sanktionieren wollen in der Zukunft oder zumindest Hinweise herausgeben wollen, dass die Spieler das zu unterlassen haben". Einstweilen jedoch hätten die Referees, sagte Drees, "einen gewissen Freiraum", da der Regeltext keine Vorgaben zum Selfie-Jubel mache. Tatsächlich heißt es in der Regel 12 (Fouls und unsportliches Betragen) lediglich, "choreografierte Jubelszenen" dürften "zu keiner übermäßigen Zeitverzögerung führen", und ein Spieler müsse verwarnt werden, wenn er "an einem Zaun hochklettert, mit provozierenden, höhnischen oder aufhetzenden Gesten jubelt, den Kopf oder das Gesicht mit einer Maske oder Ähnlichem bedeckt, das Hemd auszieht oder den Kopf mit dem Hemd bedeckt". Aber hat Costa die Gäste provoziert oder gar verhöhnt? Das kann man, auch mit Blick auf deren gelassene Reaktion, gewiss verneinen.

Wird Roger Schmidt erneut gesperrt?

Anders stellten sich die Geschehnisse in der 51. Minute der Partie zwischen dem TSV Bayer 04 Leverkusen und der TSG 1899 Hoffenheim (0:3) dar. Da nämlich ging der Trainer der Hausherren, Roger Schmidt, den Kollegen Julian Nagelsmann verbal heftig an, nachdem dieser sich über das Foulspiel eines Leverkuseners an der Seitenlinie empört hatte. Zunächst entbot Schmidt seinem Kollegen das berühmte Zitat des Götz von Berlichingen, dann sagte er zu ihm: "Gar nichts war das! Was bist du denn für ein Spinner?" Schließlich herrschte er ihn auch noch mit den Worten an: "Halt doch einfach mal die Schnauze!" Anders, als Rudi Völler meint, war das ein bisschen zu viel, um noch als zu duldender, branchenüblicher Jargon durchzugehen.

Freundlich, aber bestimmt: Bastian Dankert erklärt Roger Schmidt, warum er zu gehen hat.

Freundlich, aber bestimmt: Bastian Dankert erklärt Roger Schmidt, warum er zu gehen hat.

(Foto: imago/Chai v.d. Laage)

Der Vierte Offizielle bekam diese Tirade, die von den am Spielfeldrand platzierten Mikrofonen auch an die Fernsehzuschauer übertragen wurden, aus nächster Nähe mit und meldete sie Schiedsrichter Bastian Dankert. Dieser schickte Roger Schmidt daraufhin auf die Tribüne und erläuterte ihm seine Entscheidung freundlich, aber bestimmt. Anders als vor acht Monaten im Spiel gegen Borussia Dortmund folgte der Leverkusener Trainer der Anweisung diesmal ohne Lamento. Seinerzeit hatte er sich zunächst geweigert, dem Innenraumverweis durch Schiedsrichter Felix Zwayer Folge zu leisten, und dadurch eine fast zehnminütige Spielunterbrechung heraufbeschworen. Infolgedessen war Schmidt für fünf Spiele gesperrt worden, wovon zwei bis zum 30. Juni 2017 zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Ob er diese beiden Spiele nun ebenfalls absitzen muss - und gegebenenfalls noch eine zusätzliche Strafe erhält -, wird das Sportgericht des DFB entscheiden. Einerseits ist eine erneute Sperre keine Zwangsläufigkeit, weil das jetzige Fehlverhalten von Schmidt anders gelagert ist als im Februar dieses Jahres. Damals hätte er beinahe einen Spielabbruch verursacht, weil er sich einer Anweisung des Unparteiischen widersetzte, jetzt geht es um die Beleidigung eines Trainerkollegen in der Hitze des Gefechts. Andererseits ist es bereits Schmidts dritte Verbannung auf die Tribüne seit 2014. Alle anderen Bundesliga-Übungsleiter kommen in diesem Zeitraum zusammengerechnet auf fünf Verweise.

In Italien versagt die Torlinientechnik

Bereits wenige Minuten nach Spielbeginn hatte Schiedsrichter Dankert eine weitere für die Leverkusener schmerzliche Entscheidung zu treffen, als er ausgerechnet den Ex-Hoffenheimer Kevin Volland wegen der regelwidrigen Verhinderung einer offensichtlichen Torchance vom Platz stellte. Zwar hatte der Nationalspieler bei seinem Foul an Kerem Demirbay versucht, den Ball zu spielen, doch anders als bei "Notbremsen" im Strafraum spielt eine solche Ballorientierung bei derartigen Vergehen außerhalb des Sechzehners keine Rolle. Das heißt: Wäre Volland sein Foul im Strafraum unterlaufen, hätte es - neben dem Elfmeter - nur die Gelbe Karte gegeben. So aber kam der Unparteiische nicht am Platzverweis vorbei.

Italiens höchste Spielklasse, die Serie A, erlebte derweil ein Kuriosum, als im Derby zwischen Sampdoria Genua und dem FC Genua 1893 (2:1) die für unfehlbar gehaltene Torlinientechnik den Schiedsrichter beinahe in die Irre geführt hätte. Denn nach einem Kopfball von Sampdorias Abwehrspieler Matias Silvestre beim Stand von 1:1 wurde dem Unparteiischen Paolo Tagliavento vom System ein Tor gemeldet, obwohl der Ball von der Latte eindeutig zurück ins Spielfeld zurückgesprungen war. Die Partie lief zunächst auch weiter, bis der irritierte Referee sie mit einem Hinweis auf seine Uhr, die ihm den Treffer signalisiert hatte, doch noch kurz unterbrach. Die Ursache für den Fehler konnte bislang nicht ausgemacht werden, fest steht jedoch: Der Fifa-Schiedsrichter traf auch so die richtige Entscheidung.

Eine Kollegin und ein früherer Kollege von Tagliavento sind derweil in den Medien gelandet, ohne mit spektakulären Pfiffen Aufsehen erregt zu haben. Vielmehr hat der Boulevard herausgefunden, dass die deutsche Fifa-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus und der ehemalige Fifa-Referee Howard Webb aus England eine Liaison eingegangen sind. Die 37-jährige Steinhaus ist die erste Frau, die Spiele im deutschen Profifußball leiten durfte, der 45 Jahre alte Webb pfiff unter anderem im Jahr 2010 das Finale bei der Weltmeisterschaft in Südafrika zwischen den Niederlanden und Spanien (0:1) sowie das Endspiel in der Champions League zwischen Inter Mailand und dem FC Bayern (2:0). Nach der WM in Brasilien 2014 beendete er seine Karriere, heute arbeitet er als Technischer Direktor bei der englischen Schiedsrichtervereinigung PGMOL. Beide haben ihren Hauptberuf bei der Polizei erlernt. Nicht immer sind es Gegensätze, die sich anziehen.

Quelle: ntv.de

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