"Wenn wir wieder nüchtern sind!" Als das große Erfolgsmärchen des Jürgen Klopp spektakulär begann
01.06.2024, 12:04 Uhr
Mai 2004: Trainer Jürgen Klopp, seine Ehefrau Ulla Klopp und Mainz-Stürmer Andrej Voronin.
(Foto: imago/Alfred Harder)
Vor zwanzig Jahren feierte Jürgen Klopp seinen - wie er heute immer noch selbst sagt - größten Erfolg seiner Karriere. Damals stieg der Mainzer Trainer mit seinem FSV in die Bundesliga auf. Und tatsächlich war dieser Erfolg ein kleines Fußballmärchen, das zwei tragische Vorgeschichten hatte.
"Sollte ich jemals ein schlechtes Wort über Mainz 05 verlieren, dann möchte ich sofort eins mit der Eisenstange gegen das Schienbein bekommen", hat Jürgen Klopp einmal gesagt - und damit nachträglich seine wilden Jahre am Mainzer Bruchweg geadelt. Jetzt, wo er nach dreiundzwanzig Jahren als Trainer vorerst in eine Ruhepause entschwindet, erinnert man sich nicht nur beim FSV gerne an den ersten großen Meilenstein in der Erfolgskarriere des Jürgen Klopp.
Denn vor zwanzig Jahren gelang dem Mann, der im Februar 2001 quasi über Nacht an einem Rosenmontag zum Cheftrainer aufgestiegen war, mit seinen Mainzern der lang ersehnte Aufstieg in die erste Fußball-Bundesliga. Auch für Jürgen Klopp selbst wird dies - trotz aller Triumphe, die er seitdem feiern sollte - für immer ein ganz besonderes Ereignis sein.
Tatsächlich hat er erst vor wenigen Wochen wieder einmal betont, dass der Bundesliga-Aufstieg mit dem FSV Mainz 05 sein größter Erfolg bleiben wird. Klopps Begründung klingt logisch, wird dadurch aber nicht weniger spektakulär angesichts der herausragenden Historie seiner Laufbahn. Aber irgendwie ist diese Einordnung des Erlebnisses von Ende Mai 2004 dennoch so typisch für den Menschen Jürgen Klopp: "Wir hatten damals kaum Geld in Mainz und niemand hat uns in der ersten Liga gesehen. Wir waren bei Mainz 05 die Mannschaft mit den Spielern, die ihre zweite Chance bekommen haben. Deren Karriere halbwegs zu Ende war. Die wir aufgepäppelt und in die Spur gebracht haben. Später habe ich zwar größere Titel gewonnen, aber ich hatte auch bessere Mannschaften und mehr Geld zur Verfügung. Das ist mein Empfinden, ganz einfach."
Mainz-Stürmer wechselt unglücklich nach Cottbus und schnell zurück
Um diese Aussage etwas besser verstehen zu können, muss man allerdings auch wissen, dass der FSV Mainz 05 zuvor zwei Jahre nacheinander überaus unglücklich am Aufstieg gescheitert war. Beim zweiten Anlauf ging es gegenüber der Eintracht aus Frankfurt sogar nur um einen einzigen Treffer, den die Mainzer schlechter waren in der Endabrechnung als die Hessen. Deshalb kannte die Freude nach der Spielzeit 2003/04 natürlich auch kein Halten mehr, als man Energie Cottbus wegen des deutlich besseren Torverhältnisses auf den vierten Rang verwiesen hatte. Die Party an diesem Tag bezeichnen nicht wenige Mainzer auch heute noch als die größte Feier ihres Lebens.
Deshalb kann auch das Zitat des damaligen wie heutigen Managers des FSV, Christian Heidel, nicht verwundern, der meinte: "Wenn wir wieder nüchtern sind, machen wir Verträge." Apropos Verträge: Besonders tragisch ist damals die ganze Aufstiegsdrama-Geschichte für den FSV-Stürmer Michael Thurk gelaufen. Denn der hatte sich zuvor schon für einen anderen Verein entschieden - und das ist ausgerechnet der Viertplatzierte aus Cottbus gewesen: "Es ist eine beschissene Lage für mich. Ich musste ja nicht hier weg, sondern wollte nach Cottbus."
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Klopp wäre aber nicht Klopp gewesen, hätte er seinem Torjäger nicht noch am Tag des Aufstiegs etwas versprochen: "Wenn er nicht so glücklich ist - wir nehmen ihn wieder. Er hat es sich verdient." Und so kam es schließlich auch. Bereits in der Winterpause wechselte Thurk zurück nach Mainz.
Klopp selbst genoss beim FSV spätestens seit dem Aufstieg endgültig die totale Unantastbarkeit mit einer Jobgarantie für alle Fälle, so Heidel: "Der Kloppo bleibt unser Trainer. Wir sind zusammen aufgestiegen, wir steigen, wenn es sein muss, zusammen ab." Klaus Hafner, der damalige Stadionsprecher des FSV Mainz 05, beschrieb den Status des Trainers in diesen Tagen des Jahres 2004 ganz gut mit einem Vergleich: "Ich habe mal gesagt: Jürgen Klopp ist in der Lage, dem Papst ein Doppelbett zu verkaufen. Und das dokumentiert genau das, was Jürgen Klopp ist." Aber auch kein Wunder, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie selbstbewusst und offensiv Klopp nach dem Aufstieg dachte: "Unser Ziel ist es, auch in der Bundesliga den Mainzer Spaßfußball zu zeigen. Die totale Leidenschaft und Begeisterung rüberzubringen und unseren Fans ein Spektakel zu bieten."
Klopp schickt Videokassette nach Sevilla
Das klappte anschließend zwar nicht immer so gut wie erhofft, brachte die Mainzer nach dem Ende der ersten Saison und einem elften Platz aber sogar in den UEFA-Pokal. Den Platz hatten sie sich durch die UEFA-Fair-Play-Wertung gesichert. Und dort kam es zu einer Anekdote, die perfekt veranschaulicht, was Jürgen Klopp auch heute noch meint, wenn er davon spricht, dass der Aufstieg von Mainz unter den damaligen Gegebenheiten sein größter sportlicher Erfolg bleiben wird. Denn als man gegen den FC Sevilla spielen sollte, erzählte Klopp den staunenden Journalisten, nachdem der Klub eine Videokassette mit einem Mainz-Spiel nach Spanien geschickt hatte: "Der Trainer hat mich angerufen und gefragt, welche Farbe wir eigentlich hätten."
Drei Jahre später verabschiedete sich Jürgen Klopp unter Tränen vor 30.000 Menschen auf dem Mainzer Marktplatz von seinem Klub und seinen Fans mit ergreifenden Worten: "Alles, was ich bin, alles, was ich kann, habt ihr mich werden lassen. Das ist die Wahrheit!"
Und Christian Heidel, sein Freund aus diesen Tagen, sagte erst vor Kurzem: "Jürgen Klopp ist zwar nicht in Mainz geboren, aber gefühlt ist Mainz seine Heimat und dieser Verein hängt ihm sehr, sehr am Herzen. Auch wenn er die Premier League mit dem FC Liverpool gewonnen hat, weiß er fünf Minuten nach Spielende in Mainz, wie Mainz 05 gespielt hat. Das ist ein ganz, ganz besonderes Verhältnis." Kein Wunder also, dass das Erfolgsmärchen mit Klopps "größtem Erfolg" vor zwanzig Jahren genau dort mit dem Bundesliga-Aufstieg begann.
Quelle: ntv.de