Redelings Nachspielzeit

Hohn und Spott der Fans Als die "Papierkugel Gottes" den HSV fatal ausbremste

Die Papierkugel wurde Teil der Fußball-Geschichte.

Die Papierkugel wurde Teil der Fußball-Geschichte.

(Foto: imago sportfotodienst)

Vor 15 Jahren standen sich der Hamburger SV und der SV Werder Bremen im Halbfinal-Rückspiel des UEFA-Pokals gegenüber. Es sollte ein legendärer Abend werden - denn eine Papierkugel schrieb Fußballgeschichte. Hinterher musste der HSV viel Hohn und Spott der Fans im ganzen Land ertragen. Das "Knäuel des Schicksals" jedoch landete im Museum!

"Solch eine Verkettung unglücklicher Umstände habe ich noch nie erlebt. Das ist die Szene des Jahres, wenn man so ein Tor kassiert. Ganz bitter!" Sat.1-Experte Mirko Slomka war fassungslos. Es war der 7. Mai vor 15 Jahren, als im Halbfinal-Rückspiel im UEFA-Cup der Hamburger SV zu Hause auf den alten Rivalen SV Werder Bremen traf. Dieser Abend im Jahr 2009 sollte für den HSV damals in Hohn und Spott enden, weil etwas passierte, das es so zuvor noch nie gegeben hatte.

Das Hinspiel hatten die Hamburger bei Werder mit 1:0 gewonnen. Nun stand es zwar 1:2, aber dennoch bestand Hoffnung für den HSV auf den Einzug ins Finale. Doch dann kam die 83. Minute. HSV-Spieler Michael Gravgaard wollte einen Ball zu seinem Keeper Frank Rost an der Toraußenlinie entlang locker zurückspielen. Und in 9999 von 10.000 Fällen wäre dies auch überhaupt kein Problem gewesen - doch in diesem ganz speziellen Fall sprang das Leder unglücklich über eine Papierkugel und so landete der völlig harmlose Rückpass anstatt am Fuß von Rost im Seitenaus.

Und weil ein Unglück selten allein kommt, brachte die folgende Ecke tatsächlich "was ein", wie man so schön sagt. Zu allem Überfluss sollte der Treffer von Frank Baumann auch noch das erste Gegentor für den HSV nach einer Ecke in der laufenden Saison sein. Und das im bereits 49. Pflichtspiel der Hamburger.

Frank Rost versucht es mit Galgenhumor

Hinterher war der Unglücksrabe Michael Gravgaard nach dem Ausscheiden des HSV gar nicht mehr zu beruhigen: "So viel Pech kann man doch gar nicht haben. Ich habe mich voll auf den Ball konzentriert, und plötzlich sprang der einfach weg. Dass nach der Ecke das 1:3 fällt, ist doppelt bitter." Torhüter Frank Rost, der das ganze deprimierende Schauspiel aus unmittelbarer Nähe mitangesehen hatte, versuchte sich nach der Partie gleich in (Galgen-)Humor, als er kopfschüttelnd äußerst spitzfindig meinte: "So ist das eben in solchen Spielen. Die Kleinigkeiten entscheiden."

Was an der ganzen Geschichte besonders tragisch war: Die "Papierkugel der Entscheidung" entstammte einer Choreo der HSV-Fangruppierung "Chosen Few", wie Thorsten Eikmeier vom HSV-Fanprojekt hinterher bestätigte: "Insgesamt wurden 45.000 Pappen in den Vereinsfarben verteilt." Johannes Liebnau von den "Chosen Few" und seine Fanklub-Mitglieder hatten mit ihren blauen, weißen und schwarzen Pappen anfangs für einen schönen Rahmen gesorgt - nach der Niederlage waren sie aber sichtlich konsterniert: "Das ist höhere Gewalt gewesen!"

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Und einem schmeckte das Ganze natürlich überhaupt nicht: dem HSV-Profi Michael Gravgaard. Nachdem sein Rückpass wegen des vorherigen Kontakts mit dem "Knäuel des Schicksals" von seinem Schienenbein unkontrolliert ins Aus befördert worden war, kickte er die Papierkugel wütend weg. Doch da war es schon zu spät.

Denn die Ecke führte zum 3:1. Und auch dieses Tor war in seiner Entstehung äußerst unglücklich, denn den von Diego geschossenen Ball hatte Piotr Trochowski auf der Linie eigentlich geklärt - dabei allerdings den Torschützen Frank Baumann angeschossen. Von ihm prallte die Kugel ins Netz. Da half es auch nichts mehr, dass Ivica Olic in der 87. Minute noch einmal auf 2:3 verkürzen konnte. Und im damals sich noch in den Kinderschuhen befindenden Internet hatte sich auch bereits Hohn und Spott seinen Weg gebahnt.

"Die Kugel kommt ins Werder-Museum"

Auf YouTube hatten einige humorvolle Fans schon Sprüche wie - "Das Papier stand doch im Abseits!" oder "Warum hat die Papierkugel eigentlich keine Gelbe Karte bekommen? Ach ne, sie hat ja nur den Ball gespielt" - hinterlassen. Anhänger des Lokalrivalen FC St. Pauli ließen sich auch nicht lange bitten und druckten voller Schadenfreude Buttons mit dem Slogan: "I love Papierkugel." Und ganz jecke Fußballfans verpassten der Papierkugel sogar ein eigenes Spielerprofil: "Land Deutschland. Geboren am 7. Mai 2009. Verein Werder Bremen. Position Sturm. Status unverkäuflich."

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Anschließend wurde es aber noch einmal richtig kurios, als es darum ging, wer in den Besitz der ominösen "Papierkugel Gottes" im Original gelangt war - denn direkt nach Spielschluss existierten auf Ebay gleich mehrere Angebote. Doch da im TV Sat.1-Moderator Oliver Welke dem damaligen Werder-Manager Klaus Allofs die zusammengeknüllte, legendäre Pappe überreicht hatte ("Das nehme ich mit. Die Kugel kommt ins Werder-Museum. Da wird sie einen besonderen Platz erhalten", Klaus Allofs), ging man davon aus, dass dies das Original der Kugel sei. Hinterher wurde dieses Stück sogar noch einmal für einen guten Zweck versteigert und landete dann endgültig im Werder-Museum.

Doch um die Kuriosität dieses ganz speziellen Europapokal-Abends vor fünfzehn Jahren perfekt zu machen, behaupteten später Männer des HSV-Ordnungsdiensts, bei der Papierkugel hätte es sich auch nur um eine Kopie gehandelt. Die Mitarbeiter von Sat.1 hätten einfach eine herumliegende Pappe zusammengeknüllt, damit sie ihr Moderator Oliver Welke für die interessierten TV-Zuschauer in die Kamera halten konnte. Wie dem auch sei. Ganz geklärt wurde die Geschichte nie. In jedem Fall passte auch diese Story zu diesem herrlich-verrückten Abend des Jahres 2009.

Quelle: ntv.de

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