Redelings Nachspielzeit

"Steinzeitalterliche Methoden" Als ein Trainer seine Spieler noch wie Kleinkinder behandelte

Uwe Klimaschefski (links) und Homburgs Präsident Manfred Ommer in 1990er Jahren.

Uwe Klimaschefski (links) und Homburgs Präsident Manfred Ommer in 1990er Jahren.

(Foto: imago images/Ferdi Hartung)

Uwe Klimaschefski war noch ein Trainer vom alten Schrot und Korn. Er ließ seine Spieler rückwärtslaufen und Purzelbäume machen. Als er vor 30 Jahren das fünfte Mal beim FC Homburg an der Seitenlinie stand, wurde allen Beteiligten aber klar, dass seine Methoden langsam überholt waren.

"Er lässt uns im Training minutenlang rückwärtslaufen. Anschließend machen wir auch noch Purzelbäume." Homburgs Neuzugang Frank Lelle schaute die Journalisten vor 30 Jahren ungläubig an, als er über seine Eindrücke vom Training des saarländischen Zweitligisten berichtete. Doch die lachten nur - und dachten sich: Da hättest du dich vielleicht einfach mal besser informiert, vor deinem Wechsel! Denn Trainer des FC Homburg war in diesen Tagen zum fünften Mal in seiner Karriere eines der größten Originale des deutschen Fußballs, Uwe Klimaschefski. Und auch der lachte nur über die Spieler, die sich von ihm "wie Kleinkinder behandelt" fühlten. Denn anders ist er nie gewesen in seiner Laufbahn.

Und doch hatten auch seine "steinzeitalterlichen Trainingsmethoden" (Spieler Daniel Jurgeleit) am Ende etwas damit zu tun, dass Uwe Klimaschefski nur wenige Monate später zum allerletzten Mal in seiner Karriere den Trainerstuhl räumen musste. Die Zeit der Übungsleiter der alten Schule war endgültig abgelaufen. Und das, obwohl einer seiner Spieler, Franco Foda, einmal irgendwo zwischen Bewunderung und Angst über ihn gesagt hatte: "Wer unter Klimaschefski ein Jahr durchhält, der ist einen großen Schritt weiter im Leben gekommen und braucht sich vor nichts mehr zu fürchten." Und genau das wiederum hat ganz viel mit "Klimas" eigener Biografie zu tun.

schon als Spieler verstand es der Mann aus Bremerhaven, sein Schicksal tatkräftig selbst in die Hand zu nehmen. Als er 1963 zum Start der neu geschaffenen Bundesliga einen Verein suchte, zeigten sich gleich mehrere Klubs interessiert. Klimaschefski hatte die Qual der Wahl. Innerlich hatte er sich nach einem Angebot aus Berlin bereits für die Hertha entschieden, doch da er schon einen Termin mit dem Präsidenten von Saarbrücken gemacht hatte, wollte er diesen auch wahrnehmen.

Das einzige Problem: Die Vertreter von der Hertha (Präsident Holst) und aus Saarbrücken waren für denselben Tag angemeldet. Klimaschefski erinnert sich: "Es kam wie es kommen musste. Plötzlich klingelte es und der andere Verhandlungspartner stand vor der Tür. Herr Holst musste sich dann so lange im Bad versteckt halten, bis ich den Saarbrückern abgesagt hatte. Danach war ich Herthaner!"

Unbändiger Ehrgeiz stachelt Klimaschefski an

Während seiner Karriere hatte Klimaschefski immer mit einer Fehlstellung seiner Beine zu kämpfen gehabt. Als er später als Trainer einmal arbeitslos war, nutzte er diese Zeit sinnvoll. Bei einer Operation ließ er sich die O-Beine ("Derjenige, der mich tunnelt, kriegt zwei Beinschüsse zurück") richten. Noch als Spieler hatten ihn seine Kameraden so sehr gehänselt, dass er sich nachts die Knie mit Bettlaken zusammenband. Nun war er wieder zu Späßen aufgelegt: "Wenn du jetzt einen mit geraden Beinen triffst, bin ich es."

Der Trainer Klimaschefski war bei seinen Spielern gleichermaßen gefürchtet wie beliebt. Seine stets gerade, offene Art gefiel aber verständlicherweise nicht allen Profis. Jemand, den er direkt anging, musste schon einmal kräftig schlucken: "Was will der, Geld? Der soll froh sein, wenn er auf unserem Platz den Sauerstoff kostenlos einatmen darf."

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Ein unbändiger Ehrgeiz stachelte Klimaschefski an, wie sich Homburgs ehemaliger Spieler, Harald Diener, erinnert: "Wenn unser Trainer mit seiner Mannschaft im Rückstand liegt, dauert ein Spiel oft drei Stunden. Wenn man dann heimkommt, sind die Filets so hart, dass man sie nicht mehr essen kann." Niederlagen nahm der Bremerhavener persönlich. Nach einer verlorenen Partie bei einem Hallenturnier raunzte er seine Spieler an: "Jetzt zieht euch warm an! Jetzt reiß' ich euch den Arsch auf! Bis zur Naht!" So manches Mal saß er nach einer Niederlage im Presseraum, schaute kurz die Journalisten an und eilte dann hinfort: "Weitere Fragen kann ich nicht beantworten. Ich muss jetzt zu meinen Spielern. Die sind so blind, dass sie den Weg von der Kabine zum Bus nicht finden."

Als ein Journalist einmal wissen wollte, wann der Trainer denn die nächsten Spieler verkaufen würde, antwortete Klimaschefski: "Wenn die Schrottpreise wieder steigen!" Mit seinen Profis ging er gerne verbal hart ins Gericht: "Unsere Spieler können 50-Meter-Pässe spielen: 5 Meter weit und 45 Meter hoch."

Das Training wird unter die Dusche verlegt

Berühmt-berüchtigt waren auch des Trainers Scherze mit neuen Spielern. Bei einer Übungseinheit besorgte Klimaschefski eine Platzwalze und gab das Kommando aus: "So, Jungs, wir machen heute einen Härtetest. Jeder zieht die Walze 400 Meter. Dabei fahren wir die Löcher zu, die die Leichtathleten mit ihren Schuhen aufgerissen haben. Der Neue da fängt an." Auf den ersten 100 Metern rollte die Walze gut an. Der Ehrgeiz, sich nicht zu blamieren, zog kräftig mit. Nach 200 Metern wurde der Neuling so klein, dass er die grinsenden Spieler auf der anderen Seite nicht mehr sehen konnte. Ins Ziel kam er beinahe auf allen Vieren. "Gut gemacht", lobte ihn der Trainer, "aber ich habe gesehen, dass die Übung doch wohl etwas zu schwer ist und außerdem zu gefährlich. Die Walze hätte dich beinahe überrollt. Wir brechen ab!"

Einen spanischen Testspieler ließ Uwe Klimaschefski einmal in voller Fußballkluft unter der Dusche mit dem Ball jonglieren: "Lass mal sehen, wie du bei Regen spielst!" Und als Dieter Müller aus der Schweiz in die Bundesliga zum 1. FC Saarbrücken zurückkehrte, sah Klimaschefski noch viel Arbeit auf seinen Stürmer zukommen: "Von seinem Grasshopper-Trip hat er eine Menge Schweizer Speck mitgebracht."

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Es gab eine Zeit, als Uwe Klimaschefski in Homburg quasi Narrenfreiheit besaß und sogar ungestraft bei Rot über die Ampel fahren durfte. Wenn sich in diesen Tagen ein Spieler bei seinem Präsidenten über ihn beschwerte und meinte: "Der Klima hat uns als Arschlöcher bezeichnet!", dann hat der Homburger Vorstandsvorsitzende keine langen Reden geschwungen, sondern kurz und knapp gesagt: "Ja und? Ihr seid doch auch Arschlöcher!" Als der FC Homburg damals die Bayern aus dem DFB-Pokal geworfen hatte, bat ein Pressevertreter Klimaschefski, er möge den Zuschauern doch bitte einmal erklären, wo Homburg liegt. Der Trainer musste nicht lange überlegen: "Das ist nicht nötig, das weiß man inzwischen bis in München."

Seine große Verbundenheit zu den Vereinsoffiziellen rettete Klimaschefski aus manch brenzliger Situation mit seinen Spielern. Doch als auch beim fünften Mal in Homburg die ganz großen Erfolge ausblieben, war die Zeit für den Trainer gekommen. Eine Menge Profis sollen damals aufgeatmet haben. Doch die Fußballfans haben Klimaschefski und seine extravaganten Sprüche nie vergessen: "Ich habe meinen Spielern vorgeschlagen, barfuß und mit langen Zehennägeln zu spielen. So dürften sie den besten Halt auf dem Schneeboden haben."

Quelle: ntv.de

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