
Trainer Markus Feldhoff und Kapitän Anthony Losilla - zwei, im Unglück vereint.
(Foto: dpa)
7:2 demütigt Eintracht Frankfurt den Tabellenletzten VfL Bochum in der Fußball-Bundesliga. Für den Klub aus dem tiefen Westen stellt die Klatsche einen neuen Tiefpunkt seines dramatischen Niedergangs dar. Der Klub liegt in Scherben. Dabei ist das "Wunder der Relegation" gerade einmal fünf Monate her.
Es war die Nacht vom 27. auf den 28. Mai, als die Mannschaft des VfL Bochum im heimischen Kneipenviertel, dem sogenannten Bermudadreieck, feiernd in den Armen ihrer Fans versank. Es war ein magischer Moment für alle. Für die Anhänger, Spieler und Offiziellen des Klubs gleichermaßen. Nur Stunden zuvor hatte man in Düsseldorf das "Wunder der Relegation" gegen die Fortuna geschafft. Gefühlt schon abgestiegen, hatte man sich doch noch einmal gerettet. In dieser ganz besonderen Nacht schien alles möglich!
Jetzt, nur fünf Monate später, liegt derselbe Klub in Scherben. Komplett in seine Einzelteile zerlegt, gibt dieser einst so stolze Verein aus dem tiefen Westen der Republik aktuell nur noch ein Bild der Schande ab. Es ist der schiere Wahnsinn und in dieser Dramatik in der Bundesliga fast schon einzigartig, wie schnell der Niedergang des VfL Bochum vonstattenging. Wie rasend sich die Talfahrt des Klubs, die im Grunde schon länger andauert und eigentlich, wie viele Betrachter glaubten, nach dem Hinspiel der Relegation ihren Höhepunkt erfahren hatte, in den letzten Wochen und Monaten beschleunigt hat. Die ungewöhnlich ausgeprägte und dramatische Verkettung von katastrophalen Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen hat den Verein von der Castroper Straße in den Abgrund geführt. Aktuell scheint die Lage ausweglos. Nur ein Wunder und weise Entscheidungen können die ehemals "Unabsteigbaren" noch aus dieser Situation retten.
Riesige Fluktuation, zu viele Profis
Keven Schlotterbeck, einer der führenden Helden der Relegation, saß am Ende dieser magischen Nacht Ende Mai in aller Früh als einer der letzten Spieler noch in der Kneipe, in der der VfL Bochum gemeinsam die Rettung mit seinen Fans gefeiert hatte - und machte nicht den Eindruck, dass er so schnell aus dieser Stadt wegwollte. Mittlerweile spielt Schlotterbeck für den FC Augsburg, weil der VfL Bochum nicht bereit war, die Ablöse (und vermutlich auch das geforderte Gehalt) des Spielers zu zahlen. Auch Kevin Stöger, der fast im Alleingang dem VfL Bochum in Düsseldorf die erste Liga und damit viele, viele Millionen erhalten hatte, wechselte in der Sommerpause den Klub. Auch hier konnte und vor allem wollte der VfL wohl beim Gehalt nicht mitbieten. Stattdessen holte der Verein in der sommerlichen Transferperiode eine Menge neuer Spieler. So viele neue Akteure, dass Interimstrainer Markus Feldhoff unter der Woche beim Durchzählen auf 27 Profis kam - und verständlicherweise anmahnte, dass dies viel zu viele seien.
Marc Lettau, der ehemalige Sportdirektor des VfL Bochum, musste deshalb bereits vor zwei Wochen seinen Hut nehmen. Eine Entscheidung, die wohl schon nach der Saison im Raum stand, und nun, viel zu spät, vollzogen wurde. Lettau durfte noch eine Mannschaft zusammenstellen, die ganz offensichtlich hinten und vorne nicht zusammenpasst. Und statt die zwei bitter benötigten Führungsspieler Schlotterbeck und Stöger zu halten, wurde viel Geld für Masse statt Klasse ausgegeben. Statt die Konturen des Kaders zu schärfen, wurden Spieler als Ergänzung und Perspektivspieler verpflichtet, die, um es bildlich zu sagen, Platz auf dem Trainingsrasen wegnehmen. Es ist eine Situation, die nicht so schnell, egal, wer auch immer der zukünftige Trainer sein wird, zu bereinigen ist. Vor allem auch deshalb, weil erst einmal neben einem neuen Coach auch ein neuer Sportdirektor gefunden werden muss.
Ex-Trainer Zeidler entzweite Aufsichtsrat
Und diese Aufgabe übernimmt aktuell der alleinige Geschäftsführer des VfL Bochum, Ilja Kaenzig. Denn nach dem Rücktritt von Patrick Fabian im Sommer hatte der Aufsichtsrat entschieden, die "Position des Geschäftsführers Sport nicht neu zu besetzen" und "damit Kaenzig die Gesamtverantwortung" des Klubs anzuvertrauen. Ein beispielloser Akt des Vertrauens, der - wie man jetzt schon sagen muss - komplett nach hinten losgegangen ist. Denn mittlerweile hat sich auch der Aufsichtsrat des VfL, um es vorsichtig zu sagen, entzweit. Der langjährige Vorsitzender Hans-Peter Villis lässt momentan alle seine Ämter ruhen.
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Zum Zwist im Aufsichtsrat soll unter anderem die Personalie des ehemaligen Trainers Peter Zeidler geführt haben. Der mittlerweile entlassene Coach durfte im zarten Alter von 62 Jahren Anfang der Saison erstmals einen Bundesligisten übernehmen. Eine Entscheidung, die intern alles andere als einstimmig gefallen sein soll, und deshalb umso zweifelhafter erscheint. Nun hat man sich beim VfL Bochum geschworen, nur noch dann einen neuen Trainer zu verpflichten, wenn er das Wohlwollen aller erfährt. Man darf gespannt sein, auf wen die Entscheidung fallen wird. Die Gemengelage ist nach dem peinlichen 7:2 bei Eintracht Frankfurt sicherlich nicht einfacher geworden.
Nach der Partie des gestrigen Nachmittags schlich Kapitän Anthony Losilla, laut des Sky-Reporters Riccardo Basile, weinend vom Platz in Frankfurt. Stürmer Philipp Hofmann hingegen versuchte sich in allgemein bekannten Plattitüden, als er meinte: "Wer nicht mitzieht, soll nach Hause gehen!" Aktuell, so viel ist mal sicher, setzt niemand in der Bundesliga mehr einen Pfefferling auf den erneuten Klassenerhalt des VfL Bochum.
Doch eine gute Nachricht gab es am Samstagnachmittag schließlich doch noch für die Fans der Blau-Weißen: Durch den Sieg des FC St. Pauli bei der TSG Hoffenheim bleibt es bei sieben Punkten auf das rettende Ufer. Noch also ist nicht alles verloren für den VfL Bochum. Denn wenn es eine Lehre aus der magischen Nacht Ende Mai gibt: Eine Saison ist erst verloren, wenn der allerletzte Spieltag gespielt ist!
Quelle: ntv.de