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"Vollprofi" Basler als Vorbild? Füllkrug sieht den "über die Stränge" schlagenden Profi als Lösung

Niclas Füllkrug hat tief in seine Gefühlswelt blicken lassen.

Niclas Füllkrug hat tief in seine Gefühlswelt blicken lassen.

(Foto: IMAGO/Sven Simon)

Es ist ein echtes Dilemma: Das Image der Fußball-Nationalmannschaft soll aufpoliert werden, doch so recht weiß keiner, wie das gelingen kann. DFB-Torjäger Niclas Füllkrug hat da so seine ganz eigenen Gedanken, die auch mit dem früheren "Vollprofi" Mario Basler zu tun haben.

Tatsächlich findet bereits im nächsten Jahr die Fußball-Europameisterschaft 2024 im eigenen Land statt. Doch von einer echten EM-Stimmung ist weit und breit noch nichts zu spüren. Nicht wenige machen dafür auch das aktuell eher schlechte Image der deutschen Nationalmannschaft verantwortlich. Und in der Tat ist die Lage im Moment für die DFB-Elf kompliziert. Nun versucht man mit aller Kraft aus dem Tal wieder herauszukommen - und die Fans für sich zurückzugewinnen. Doch das wird nicht so leicht werden, wie sich Marketingexperten das möglicherweise vorstellen. Denn in den vergangenen Jahren ist seitens des Verbands viel Porzellan zerbrochen worden.

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Und dann sind da ja auch noch die Profis, die Seit an Seit mit dem Verband agieren sollen. Doch auch für die ist die Lage schwieriger, als sie auf den ersten Blick wohl erscheinen mag. Niclas Füllkrug hat sich am Sonntag zu dieser speziellen Situation einmal geäußert. Seine Gedanken lassen tief in die Gefühlswelt eines Nationalspielers blicken: "Es ist ein schmaler Grat. Natürlich versuchen wir gerade zu vermitteln, wir wollen euch zurückhaben, wir wollen die Fans haben, wir wollen zum Anfassen sein, wir wollen nahbar sein - aber wir sind trotzdem wir selbst. Ich sehe keinen, der sich verstellt. Und ich finde auch, wenn dann manche Leute kritisch sind, manche Leute auch einmal ein bisschen über die Stränge schlagen, dann ist das doch auch genau das, was die Leute sehen wollen."

Mertesackers legendäre Wort-Salve

Füllkrug trifft damit einen spannenden Punkt - und hat Recht wie Unrecht zugleich. Denn tatsächlich wollen die Fußballfans unterhalten werden - und die Medien bedienen natürlich nur allzu gerne diese Sehnsucht - doch andererseits zählt eben auch der Erfolg. Ist der in Gefahr, schlägt das Pendel zurück. Bei der WM 2014 gab es nach dem mühsamen Achtelfinalsieg gegen Algerien eine Situation, die genau auf der Kippe stand. Als Per Mertesacker die kritischen Fragen des ZDF-Reporters mit einer Salve von legendären Worten ("Was woll'n Se! Eistonne! Karnevalstruppe!") parierte, war sofort klar, dass der Ausraster so schnell nicht vergessen werden würde.

Vor allem auch deshalb, weil Mertesacker so ehrlich und ungekünstelt ("Ich war total angefressen von ihm. Als wir aus dem Bild waren, habe ich die DFB-Pressesprecher angebrüllt: 'Unfassbar, was der Kerl sich erlaubt. Unfassbar'") seinem Unmut freien Lauf gelassen hatte. Was damals aber noch niemand absehen konnte: Würde der Ausraster einmal im Nachhinein als positiv oder eher als negativ empfunden werden? Spätestens nach dem WM-Sieg der DFB-Elf war dann klar: Per Mertesacker hatte alles richtig gemacht. Seine Reaktion hatte genau den Nerv der Nation getroffen. Übrigens: Seine Mitspieler hatten ihm schon direkt danach nicht nur verbal auf die Schulter geklopft: "Super Interview, Per! Du gehst in die Geschichte ein!"

Doch Füllkrugs Gedanken gingen noch einen Schritt weiter - und so fragte sich der DFB-Stürmer und aktuelle Torschützenkönig der Bundesliga mit seinem bekannt schelmischen Grinsen im Gesicht: "Wer sind von früher die beliebtesten Fußballprofis? Wenn wir mal an Mario Basler denken, der in Bremen gefeiert wurde wie sonst was - der hat auch nicht wie ein Vollprofi gelebt. Auch wenn er jetzt kritisch mit den Vollprofis umgeht. Dementsprechend ist das doch auch zum Anfassen, wenn jemand kritisch ist, über die Stränge schlägt oder mal nicht perfekt ist. Ich glaube, es geht eher darum, echt zu sein. Es geht eher darum, dass die Fans, die Leute dir das abkaufen."

Den Teufelskreis durchbrechen

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Und wieder hat Niclas Füllkrug Recht und Unrecht zugleich - denn sein Beispiel Mario Basler steht genau für beides: große Beliebtheit und möglicherweise einige verpasste sportliche Chancen aufgrund eines nicht ganz so soliden Lebenswandels. Doch eine Sache, da kann man Füllkrug zustimmen, war immer wesentlich für Baslers Anklang bei den Leuten: seine Echt- und Ehrlichkeit. Unvergessen, wie der frühere Nationalspieler einmal im WM-Trainingslager der deutschen Elf die Frage eines Journalisten empört auf diese Weise beantwortete: "Quatsch, wir zocken nie um viel Geld. Höchstens um 3000 Mark!"

Tatsächlich wird es spannend sein, wie die aktuelle Profigeneration mit den Gegebenheiten der Zeit umzugehen lernt. Denn bei aller Kritik an der "Unnahbarkeit" der Fußballer darf man auch nie vergessen, dass mittlerweile jedes Wort und jede Aktion potenziell millionenfach geteilt werden kann - wie man aktuell erst wieder im Fall von Antonio Rüdiger gesehen hat. Da hatten es frühere Generationen von Profis deutlich leichter - wie der ehemalige Bundesligaspieler Michael Krätzer einmal augenzwinkernd über zwei Weltmeister erzählte: "In der 'Tennis Bar' sind einige Bundesligagrößen ein- und ausgegangen. Und die kamen nicht nur wegen der Musik. Ich kann mich noch an einen Abend mit Andy Brehme und Lothar Matthäus erinnern. Die waren eigentlich beste Freunde, aber am Ende so besoffen, dass die sich auf Klo gesiezt haben".

Man kann sicher sein, dass es heutzutage diese Anekdote nicht nur - viele Jahre später - als Erzählung geben würde. Es ist also ein Teufelskreis, den die aktuelle Generation da durchbrechen muss. Doch genau am Beispiel von Niclas Füllkrug und seiner unaufgeregt ehrlichen und offenen Art sieht man, wie leicht man doch Pluspunkte sammeln kann. Gerne mehr davon! Und wenn am Ende dann auch noch der EM-Titel 2024 dazukommen sollte, kann man sicher sein, dass spätestens dann Fans und Spieler wieder eine echte Einheit bilden.

Quelle: ntv.de

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