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Investorendeal-Proteste Podolskis Aufruf zur "Radikalität" wird den Fußball nicht retten

Lukas Podolski hat eine klare Haltung.

Lukas Podolski hat eine klare Haltung.

(Foto: IMAGO/Newspix)

Die Proteste am Wochenende in den Stadien der ersten beiden Fußball-Profiligen waren vielfältig. Angesichts des anstehenden Investorendeals der DFL machen sich die Fans Sorgen um ihren Fußball. Doch diese Angst ist nicht neu. Im Gegenteil.

"Immer nur dieses höher, schneller und weiter. Boah!" Als vor 17 Jahren der Film "Wem gehört das Spiel? Über FIFA, VIPs und Fußballfans" gedreht wurde, glaubte die Schalker Legende Yves Eigenrauch nicht daran, dass das alles immer so weitergehen würde. Viele dachten damals, kurz nach der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land, dass wir an einem Endpunkt der Kommerzialisierung des Fußballs angekommen seien.

Eigenrauch sagte damals in ruhiger Form diese apokalyptischen Worte: "Man gibt sich auf, ja, ich glaube, das ist der richtige Begriff. Aufgabe gewisser Traditionen, gewisser Werte. Immer mitgehen zu müssen, mitschwimmen zu müssen. Ich bleibe dabei, irgendwann macht es einmal Bumm und alles fällt um."

Seitdem ist eine lange Zeit vergangen. Viel ist passiert. Aber eine Sache ist nicht geschehen: Der Fußball ist nicht tot. Im Gegenteil: Der Profifußball boomt und boomt und boomt. Und eins scheint mittlerweile klar: Es gibt kein Ende der Fahnenstange für die immer weiter fortschreitende Kommerzialisierung dieses Sports. Wie auch? Denn Yves Eigenrauch stellte schon im Sommer 2006 fest: "Keiner ist da, der mal sagt, da ist noch ein Maß, das gefunden werden muss."

"Das findest du nicht in England"

Auch damals, vor 17 Jahren, gab es natürlich schon Fanproteste. Und sie klangen, wie heute Lukas Podolski klingt. Dave Boyle, der damals für den englischen Fanverband "Supporters Direct" auf einer Veranstaltung in Bremen gegen die weltweite Kommerzialisierung sprach, meinte, dass der Fußball auf der Insel mittlerweile wie ein "Besuch des Theaters oder der Oper" sei. Der Weltmeister von 2014 und ehemalige Spieler des FC Arsenal, Lukas Podolski, kann das nur bestätigen: "Diese Gesänge, diese Power, diese Leidenschaft - die findest du nicht in England oder anderen Ligen."

Und auch damals vor knapp zwei Jahrzehnten waren diese Sätze von Podolski schon ein Argument für die im Vergleich immer noch paradiesisch anmutenden Verhältnisse im deutschen Profifußball: "Bei Vereinen wie dem FC Barcelona sind die Stadien zur Hälfte mit Touristen gefüllt. Wir müssen in Deutschland stolz sein, dass wir solche Fans haben, die hinter ihrem Verein stehen und einfach nur ehrlichen Fußball sehen wollen." Nun regen sich angesichts des bevorstehenden Investorendeals wieder die Befürchtungen, dass die DFL mit ihrem Verhalten den "Fußball kaputtmachen" könnte. Doch das haben der DFB und die DFL in all den zurückliegenden Jahren tatsächlich immer noch nicht geschafft. Warum also jetzt?

Am Rad drehen sie immer ...

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Die Antwort ist so einfach wie ernüchternd zugleich: Auch jetzt wird dies nicht geschehen! Und das hat zwei Gründe. Einen der beiden hat vor 17 Jahren der damalige DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus auf einem Fankongress in Bonn gegeben: "Die Zeit ist nicht mehr zurückzudrehen, wenngleich man sicherlich bestimmte Entwicklungen aufhalten kann. Unsere Vereine drehen inzwischen so ein erhebliches Volumen und mit einer unglaublichen Zahl an Arbeitskräften. Da stehen die Zeichen der Zeit fest und da wird es auch schwierig sein, diese zurückzudrehen."

Und genau dieses Bild griff damals auch der Journalist Freddy Röckenhaus auf, als er erklärte, warum das "System Fußball" (Holger Hieronymus) immer weiter voranschreiten würde, ohne dabei zum Einsturz zu kommen: "Das ist ein Prozess, der immer weitergeht. An der Schraube wird immer vorsichtig weitergedreht. Und eventuell wird sie auch wieder ein Stück zurückgedreht, wenn man merkt, dass einem die Leute weglaufen und man realisiert, man ist zu weit gegangen. Tendenziell wird sie aber immer weitergedreht. Natürlich."

"Proteste radikal durchziehen"

Wie recht Freddy Röckenhaus vor so vielen Jahren mit seiner These hatte, sieht man an den sogenannten "Montagsspielen". Diese wurden tatsächlich auch auf Druck der Anhänger wieder abgeschafft. Doch dies als Symbol für die "Macht der Fans" (Stefan Effenberg) zu deuten, entspricht nur zu einem ganz geringen Prozentsatz der Wahrheit. Andere Gründe spielten damals in diese Entscheidung der DFL mit rein. Und so ist klar, dass die derzeitige Aufspaltung auf drei Spieltage sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange sein wird. Sollte es im Zuge des Investorendeals nötig sein, wird man es wieder versuchen, an einem vierten Tag in der Woche zu spielen.

Lukas Podolski hat am Wochenende all dies in einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Fußballfans in Deutschland beiseitegeschoben und gefordert: "Man muss die Proteste auch mal radikal durchziehen." Denn für ihn steht fest, dass "ein paar Tennisbälle schmeißen und nach dem 25. Spieltag ist wieder alles normal", natürlich nicht reichen würde. Wie das "radikal durchziehen" genau aussehen könnte, hat Podolski fahrlässiger Weise nicht genau benannt. Doch auch wenn in der nächsten Zeit die Fans ihrem Protest weiter Nachdruck verleihen sollten, wird dies im Großen und Ganzen nichts ändern. Denn eins sollte jedem Anhänger klar sein: Der Fußball gehört schon ganz lange nicht mehr den Fans und Spielern. Und manchmal muss man sogar annehmen: Er gehört noch nicht einmal mehr den Vereinen.

Quelle: ntv.de

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