Der WM-Check, Gruppe G 54, 74, 90, 2014?
11.06.2014, 10:30 Uhr
Scharf auf den WM-Pokal: Schürrle, Löw, Großkreutz, Schweinsteiger, Kramer, Mertesacker, Klose und Özil (v.l.).
(Foto: picture alliance / dpa)
Bei der Weltmeisterschaft in Brasilien unternimmt die DFB-Elf einen neuen Anlauf. Das Ziel der Löw-Truppe ist der Titel. In der Gruppenphase warten machbare Aufgaben, ein angeschlagener Superstar und viele alte Bekannte.
Bald geht es los, die Fußball-WM in Brasilien beginnt am 12. Juni. Wer kann was? Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen der jeweiligen Mannschaften? Wir nehmen die WM-Teilnehmer unter die Lupe. Heute: die Gruppe G mit Deutschland, Portugal, USA und Ghana.
Deutschland
Wann holt Deutschland endlich wieder einen großen Titel? Diese Frage begleitet die DFB-Elf auf ihrer Reise nach Brasilien. Und nicht minder ist der Erwartungsdruck in der Heimat. Halbfinale bei der EM 2012, Aus im Halbfinale bei der WM 2010, Vize-Europameister 2008, Platz 3 bei der Weltmeisterschaft 2006 – der letzte Titel liegt nun 18 Jahre zurück. Deutschland lechzt nach einem Triumph. Und klappt es ausgerechnet in Brasilien, wo doch noch nie eine europäische Mannschaft in Südamerika Weltmeister werden konnte?
Die Chancen sind da, doch es muss wirklich alles passen, um am 13. Juli in Rio de Janeiro den Pott in Händen halten zu können. Vor allem die Verletztenmisere bereitet Joachim Löw und seinem Trainerteam Kopfzerbrechen. Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Manuel Neuer – zentrale Eckpfeiler im System – befinden sich im Aufbautraining. Von ihrem Leistungszenit ist das Bayern-Trio noch weit entfernt. Zudem steht hinter Sami Khedira ein dickes Fragezeichen. Zwar ist der Real-Profi physisch wieder auf dem Damm, doch dem Mittelfeldspieler fehlt die Spielpraxis.
Ein anderer unsicherer Kantonist: Miroslav Klose. Kaum drei, vier Wochen am Stück stand der Oldie in der vergangenen Saison bei Lazio Rom auf dem Platz. Immer wieder brachten Verletzungen den 35-jährigen deutschen WM-Rekordtorschützen aus dem Tritt. Eine gute Vorbereitung sieht anders aus. Und einen anderen Knipser hat der DFB-Tross nicht an Bord. Fehlt bei Klose die Physis oder die Form, müssen andere in die Bresche springen. Aber davon hat Löw bekanntlich einige zu bieten.
Mario Götze, Thomas Müller, Mesut Özil, Andre Schürrle ... – spielerisch ist der drittjüngste Kader der WM-Geschichte einer der besten, den Deutschland je zu bieten hatte. Brillante Technik, Torgefahr wohin das Auge schaut und das in einer Breite, die, abgesehen von Spanien und Argentinien, ihresgleichen sucht. Löw steht ein Arsenal hochtalentierter Fußballer zur Verfügung, die in der richtigen Zusammensetzung und Tagesform jeden Gegner an die Wand spielen können. Und an dieser Balance wird der Bundestrainer arbeiten müssen.
Zuletzt offenbarte man in der Qualifikation und den Testspielen vor allem in der Defensive Schwächen. Anfällig für Konter versagte die Umstellung von Offensive auf Defensive. Dreht der Bundestrainer an den richtigen Stellschrauben und findet die Mannschaft die richtige Balance zwischen Verteidigung und Angriff, ist dem Team bei der WM alles zuzutrauen. Vorausgesetzt, der Start ins Turnier gelingt, und da wartet mit Portugal immerhin einer der Geheimfavoriten des Turniers.
Portugal
Herausragende Fußballer bringen die Portugiesen mit großer Regelmäßigkeit hervor. Eusebio, Luis Figo, Cristiano Ronaldo: Das Land braucht sich vor niemandem zu verstecken. Doch bei den großen Turnieren fehlte den Mannschaften in allen Epochen der letzte Punch für den großen Coup. Der aktuelle Kader ist gespickt mit hochdekorierten, renommierten Profis, die in den großen Vereinen Europas eine tragende Rolle spielen. Pepe, Fabio Coentrao, Nani, Joao Moutinho und nicht zuletzt Weltfußballer Ronaldo lassen Portugals Fans träumen, eines Tages den ersten großen Titel zu holen, doch in der Regel hält die "Seleccao Portuguesa" weniger, als sie verspricht.
Schon die Qualifikation für die Endrunde geriet zum Nervenspiel. Nach teils desaströsen Auftritten belegte die Mannschaft nach der Gruppenphase nur Platz 2 hinter Russland. Einzig ein glänzend aufgelegter Ronaldo bewahrte die Portugiesen mit seinen Treffern in den Playoff-Spielen gegen Schweden vor einer Schmach. Der vermeintlich stärkste Gegner der Deutschen gehört auch in Brasilien zu den großen Unbekannten. Portugal, eine Wundertüte, der alles zuzutrauen ist, vom Titel bis zum Vorrunden-Aus. Und das hängt vor allem an Ronaldo - mit dem Star von Real Madrid steht und fällt das Spiel der Portugiesen. In Weltklasseform lässt er auch seine Mitspieler glänzen, bei seinen apathischen Auftritten zieht er das ganze Team in den Abgrund. Und was erschwerend hinzukommt: Er ist nicht fit.
Den 29-Jährigen plagt eine Sehnenentzündung im Knie. Am Trainingsbetrieb kann der Toptorjäger nur sporadisch teilnehmen. Ohne ihren Star gleicht die Offensive einem zahnlosen Tiger, bei einem möglichen Ausfall des Kapitäns kommt es auf die Defensive an. Und dort steht Trainer Paulo Bento mit Pepe, Bruno Alves, Coentrao und Joao Pereira eine Abwehrreihe zur Verfügung, die jedem Gegner im wahrsten Sinne des Wortes wehtun kann. Schrecken verbreitet der Achtelfinalist von 2010 nicht, doch auf die leichte Schulter sollte man Portugal auf keinen Fall nehmen.
"Wir brauchen uns vor niemandem zu verstecken. Wir können an einem guten Tag jeden schlagen", gab Bento die Devise aus. An einem schlechten Tag kann Portugal allerdings auch gegen jeden verlieren. Das ist mehr als ein Hoffnungsschimmer für die vermeintlich Kleinen in der Gruppe.
USA
"Das ist eine Hammergruppe, die härter nicht sein könnte. Aber wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren auch Selbstvertrauen aufgebaut, wir haben das erfolgreichste Jahr in 100 Jahren US-Fußball hinter uns." Jürgen Klinsmann ist angekommen, zumindest als Coach der US-amerikanischen Nationalmannschaft. Nach einem stottrigen Start in die Qualifikation meisterten die US-Boys ihre Pflicht in der Concacaf-Zone schließlich mit Bravour. Weltranglistenplatz 14 ist nicht nur Ausdruck einer intransparenten Fifa-Punktevergabe, nein, die US-Auswahl braucht sich wahrlich nicht zu verstecken.
Goldcup-Sieg 2013, eine Rekordsiegesserie von 16 Siegen in Folge, zuletzt ein Erfolg im Testspiel gegen die Türkei. Der Underdog will in Brasilien den nächsten Schritt machen. Die Zeiten, in denen man ein Aus in der Vorrunde demütig einkalkulierte, sind passé. Und die Chancen für das Erreichen der K.o-Runde stehen nicht schlecht.
Konditionell gehören die US-Boys in der Regel zu den besten Teams. Klinsmann, für seine Motivationskünste bekannt, setzt auf eine homogene Mannschaft, die für den Erfolg brennt. Stars? Fehlanzeige! Mit Landon Donovan ließ der Klinsmann den namhaftesten Spieler zu Hause. Warum der Rekordtorschütze der US-Amerikaner aus dem Kader gestrichen wurde, darüber wird seither heftig spekuliert. "Ohne Donovan hat das US-Team in Brasilien kaum eine Chance", urteilt die "Los Angeles Times". Dreh- und Angelpunkt im Spiel ist nunmehr Michael Bradley. Der ehemalige Gladbacher - heute in Diensten des FC Toronto - gilt als verlängerter Arm des Trainers auf dem Platz. Gemeinsam mit dem Ex-Schalker Jermaine Jones, Keeper Tom Howard und Stürmer Clint Dempsey bildet der 26-Jährige die Achse im Verbund. Klinsmann, der Ex-Nationtrainer Berti Vogts als Berater holte, setzt vor allem auf Erfahrung. Mit einem Durchschnittsalter von knapp 28 Jahren gehört der Kader zu den ältesten. Bayern-Spieler Julien Green ist mit seinen 18 Jahren eine wohltuende Ausnahme.
Ob die Strategie, vornehmlich auf bewährtes Personal um die 30 und älter zu setzen, sich auszahlt, wird man spätestens beim Auftakt gegen Ghana begutachten können. Fest steht, dass die US-Amerikaner es immer verstanden haben, fehlende spielerische Mittel und technische Fähigkeiten mit Teamspirit und Laufbereitschaft zu kompensieren. Gelingt den US-Boys ein Dreier zum Auftakt, sollte auch das Erreichen der K.o-Runde kein unerfüllbarer Traum bleiben.
Ghana
"Wir wollen die erste afrikanische Mannschaft sein, die die Weltmeisterschaft gewinnt!". Nicht weniger als das Maximum gibt Kwesi Nyantakyi als WM-Ziel aus. Unverfroren, utopisch, unsinnig? In jedem Fall drückt sich in den Worten des Verbandschefs vielmehr der Traum einer Nation aus als die sportliche Realität. Für den viermaligen Afrikameister ist es die dritte WM-Teilnahme in Folge und die dritte überhaupt. Und die WM-Bilanz kann sich sehen lassen: 2006 scheiterten die 'Black Stars' im Achtelfinale, 2010 ging man erst im Viertelfinale K.o.
Und heute? Prunkstück des Teams ist sicherlich das Mittelfeld. Michael Essien, Kevin-Prince Boateng und Kwadwo Asamoah sind den Fußball-Fans landauf, landab ein Begriff. Mit Andre Ayew und Kapitän Asamoah Gyan verfügt das Team von Coach Kwesi Appiah zudem über einen Sturm von internationalem Format. Vorne hui, hinten pfui: So lässt sich das Verhältnis der Mannschaftsteile auf den Punkt bringen. Der gesamte Abwehrverbund um den schwachen Keeper Adam Larsen Kwarasey ist bestenfalls zweitklassig. In den vergangenen drei Testspielen setzte es gegen Japan, Montenegro und Holland Niederlagen. Besonders bei schnellen Angriffen verliert die Defensive schnell ihre taktische Ordnung, Ein Manko, das das renommierte Mittelfeld um Boateng kaum aufzufangen vermag.
Mit derlei Betrachtungen hält man sich in dem westafrikanischen Staat jedoch nicht auf. Auch Staatspräsident John Dramani Mahama verlangt von 'seinen' Spielern nicht weniger als den ersten WM-Titel für eine afrikanische Mannschaft. Doch mit markigen Sprüchen allein hat noch niemand einen Titel geholt. Mit Deutschland, Portugal und den USA müssen die Ghanaer hohe Hürden überwinden. Zum Auftakt steht für die "Black Stars" das wohl wegweisende Duell gegen den USA an. Doch in der Mannschaft beschäftigt man sich vornehmlich mit dem Duell gegen Deutschland. "Wir haben schon da als eine der wenigen Mannschaften Deutschland Probleme bereitet", sagte Boateng mit Blick auf die 0:1-Niederlage gegen die DFB-Elf vor vier Jahren: "Jetzt sind wir noch stärker."
Sollte die Mannschaft zu spät aufwachen und ihre Defizite vor allem im Defensivverhalten nicht abstellen, könnte es am zweiten Spieltag gegen die DFB-Elf für Ghana bereits um Alles-oder-Nichts gehen und der "schwarze Stern" wäre schneller erloschen als gedacht – in der Vorrunde.
Quelle: ntv.de, sport.de