Fußball-WM 2018

Gruppe C unter der n-tv.de-Lupe Blaues Irrenhaus, Wildkatze und Doppel-D

Können die französischen "Gute-Laune-Boys" diesmal die Stimmung im Team hochhalten?

Können die französischen "Gute-Laune-Boys" diesmal die Stimmung im Team hochhalten?

(Foto: dpa)

Frankreich fährt mit einem dreifachen Torspektakelversprechen zur Fußball-WM - was aber nutzt das, wenn es bei "Les Bleus" zugeht wie im Irrenhaus? Peru darf nach 36 Jahren wieder mitkicken, Australien ist dabei und Dänemark setzt auf Doppel-D.

Bonjour France

Ach Frankreich, Grande Dame des Fußballs. Grande Dame? Grande Drame! Zustände "wie im Irrenhaus" (Bixente Lizarazu) sind seit der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika 2010 eine feste Größe bei "Les Bleus". Sportlich müssen sich die Franzosen keine Sorgen machen - in der Vorbereitung auf das Turnier in Russland lief es prächtig (3:1-Testsieg gegen Italien, 2:0 gegen Irland). Doch im und um den Kader von Trainer Didier Deschamps rumpelte es wieder mal gewaltig. Reservisten-Verweigerer Adrien Rabiot von Paris Saint-Germain motzte sich vorläufig auf die schwarze Liste - immerhin in guter Gesellschaft von Karem Benzéma (Sex-Filmchen-Affäre 2015) und Franck Ribéry (Trainings- und Trainerstreik 2010). Manchester Uniteds Paul Pogba wurde beim Heim-Test kräftigst ausgepfiffen und Deschamps missfiel, dass eine einstündige französische TV-Dokumentation den Anspruch erhob, "Im Kopf von Didider Deschamps" unterwegs zu sein (das darf nur Didier Deschamps). Die Frage, wie die Synapsen des Weltmeisters von 98 ticken, bleibt also vorerst unbeantwortet.

Tatsächlich wissen wir aber, was der Coach den Kollegen vom "Kicker" über die WM-Chancen seiner Elf erzählt hat. "Deutschland, Brasilien und Spanien haben eine ganz andere internationale Erfahrung als wir. Für mich stehen diese drei Teams über allen anderen." Ein Anflug baskischer Bescheidenheit? Die französische Offensivabteilung ist ja sowas wie das Manchester City der nationalmannschaftlichen Ausscheidungswettbewerbe. Antoine Griezman - Kylian Mbappé - Ousmane Dembélé, das ist ein dreifaches Torspektakelversprechen im Wert von geschätzten 427 Millionen Euro. Und der Rest ist ja auch nicht so schlecht: Olivier Giroud (FC Chelsea), Raphael Varane (Real Madrid), Corentin Tolisso (FC Bayern), Benjamin Mendy (Manchester City), noch Fragen? Ach ja, da wäre noch jener Pogba, der über sich selbst sagt: "Ich war der beste Rookie bei der WM 2014. Ich hoffe, dass ich diesmal der beste Spieler sein werde." Teamspirit? Eher nicht. Mit der Attitüde reiht sich Pogba bestens ein in die Reige der hochveranlagten französischen Einzelkämpfer. Blöd, dass Fußball immer noch ein Mannschaftssport ist. Weswegen es für "Les Bleus" vermutlich wieder nicht zum Titel reicht.

Nützliches Wissen für Ahnungslose: Apropos Ribéry: Als der vom E-Mail-Gate rund um Rabiot, also den französischen Sandro Wagner, erfuhr, bot der Kicker vom FC Bayern spontan seine Dienste an: "Ich bin auf Ibiza und wurde gerade angerufen: Ist ein Platz in der Reserve frei? Oh, Didier, ich bin bereit!!! Komm schon." Netter Versuch - Ribéry kann sich trotzdem die Dauerkarte fürs Pacha gönnen.

Buenos días Perú

Das Raubtier darf nach Russland - um da mal die Kollegen der "Taz" zu zitieren. "El Depredador", also jene peruanische Wildkatze namens Paolo Guerrero, ist rechtzeitig zum Turnier in Russland vom Internationalen Sportgerichtshof Cas begnadigt worden. Die 14-monatige Sperre wegen Dopings wird ausgesetzt, Guerrero fliegt als Kapitän der "Blanquirroja" nach Russland. Im 3:0-WM-Test gegen Saudi-Arabien traf der Rückkehrer dann gleich zweifach. Standesgemäß, der 34-Jährige war mit sechs Treffern der beste peruanische Torschütze in der Qualifikation.

Die Sperre von Paolo Guerrero wurde rechtzeitig zur WM aufgehoben.

Die Sperre von Paolo Guerrero wurde rechtzeitig zur WM aufgehoben.

(Foto: AP)

Nun also befindet sich das Land im akuten Eskalationsmodus: 36 Jahre haben die Lateinamerikaner auf eine WM-Teilnahme gewartet - seit 1982 also. Eine längere Abstinenz kann keines der in Russland anwesenden Teams vorweisen. Und so machten sich zum Testkick gegen Saudi-Arabien 18.000 ausgehungerte Anhänger aus ganz Europa auf den Weg ins beschauliche Schweizer Nobelstädtchen Sankt Gallen, um mit ihrer "Blanquirroja" schon einmal vorzuglühen. Stimmungstechnisch ein ganz großer Vorgeschmack auf die WM-Spiele.

Und sonst? Hat die Elf vom argentinischen Coach Ricardo Gareca neben Guerrero einen weiteren Oldie im Team: Jefferson Farfán, der sein Geld früher beim FC Schalke verdiente. Danach sieht es allerdings mau aus - hochklassige Talente gibt es nicht, nur wenige Spieler sind in Europa unter Vertrag. Gut möglich, dass Guerreros Comeback zum Kurztrip wird.

Nützliches Wissen für Ahnungslose: Guerreros Dopingsperre, die jetzt doch keine mehr ist, hatten wir ja bereits erwähnt. Interessant ist indes die Erklärung für den positiven Test auf Kokain: "Ich habe in Peru einen Anistee getrunken, weil ich eine Magenverstimmung hatte. In Argentinien habe ich einen Schwarztee mit Zitrone und Honig getrunken, weil ich Grippe hatte. Ich beschuldige niemanden, aber die Substanz könnte in einer Tasse oder einer Kanne gewesen sein." Ultimativer Tip für die Russland-Reise: Finger weg vom Samowar.

Goddag Danmark

Die Fans hoffen auf die rechtzeitige Genesung von "Lord" Bendtner.

Die Fans hoffen auf die rechtzeitige Genesung von "Lord" Bendtner.

(Foto: imago/Ritzau Scanpix)

Die Verkündung des WM-Kaders? Nicht nur beim DFB ein mittelgroßer Skandal. Niklas "Lord" Bendtner fehlt im Aufgebot von Trainer Age Hareide - muskuläre Probleme. Kann nicht sein, dachte sich ein dänischer Fan, und startete eine Petition. Mit der Forderung, die WM zu verschieben. Und zwar so lange, bis Bendtner wieder fit ist. 7000 Unterschriften sind zusammengekommen - sie verhallen ungehört.

Auch bei den jetzt Lord-losen Skandinaviern geht es hyggelig in die WM: "DD", also "Danish Dynamite", verfügt über einen aufregenden Kader, der das Potenzial zum Überraschungsteam hat. Im Mittelfeld ragt Tottenham-Superstar Christian Eriksen heraus, dazu kommen drei Bundesliga-Profis: Jannik Verstergaard (Borussia Mönchengladbach), Yussuf Poulsen (RB Leipzig) und natürlich Thomas Delaney, der mit Werder Bremen eine furiose Rückrunde gespielt hat. Der 26-Jährige wollte die WM eigentlich nutzen, um sich für höhere Aufgaben in der Premier League zu bewerben. Muss er aber gar nicht mehr: Er hat mit dem BVB ja bereits kurzfristig einen neuen Arbeitgeber gefunden. Trotzdem kein Grund, sich bei der WM nicht ins Zeug zu legen: "Ich will nicht nur drei Spiele machen und dann die Koffer packen." Warum auch? Frankreich dürfte für die eher unerfahrenen Dänen zu groß sein, alles andere ist aber machbar. Delaney kann also locker Wechselwäsche für die dritte Turnierwoche einpacken.

Nützliches Wissen für Ahnungslose: Im Halbfinale der Olympischen Spiele 1908 gelang den Dänen im Londoner Shepherd's Bush Stadium ein 17:1-Sieg gegen Frankreich - Sophus Nielsen trug sich gleich zehnmal in die Torschützenliste ein. Dass das bis heute der höchste dänische Sieg aller Zeiten ist, muss wohl nicht extra erwähnt werden.

Hello Australia

Tim Cahill hat demnächst vielleicht etwas mit Pelé, Uwe Seeler und Miroslav Klose gemein.

Tim Cahill hat demnächst vielleicht etwas mit Pelé, Uwe Seeler und Miroslav Klose gemein.

(Foto: imago/Action Plus)

Was könnte Tim Cahill mit Pelé, Uwe Seeler und Miroslav Klose bald gemeinsam haben? Nun, erzielt der australische Rekordtorschütze in Russland einen Treffer, steigt er auf in den erlauchten Kreis derjenigen, die bei vier Weltmeisterschaften ein Tor erzielt haben. 38 Jahre und noch immer dabei - Trainer Bart van Marwijk weiß, dass die Socceroos ohne ihre Legende vor allem eines sind: ziemlich torlos. Ganze 45 Prozent aller australischen WM-Tore gehen auf das Konto des (noch) beim englischen Zweitligisten FC Millwall unter Vertrag stehenden Edeljokers. 45 Prozent, um das nur nochmal zu betonen. Jedoch ist auch Cahill nicht allmächtig und erst recht keine 19 mehr. Somit wird sich Australien bei der fünften WM-Teilnahme schwertun, den Erfolg vom Einzug ins Achtelfinale 2006 zu wiederholen. Das weiß übrigens auch van Marwijk: "Ich verrate nichts Neues, wenn ich sage, dass es eine sehr schwierige Gruppe ist." Kann man wohl so sagen.

Den Aussies, die sich in der K.-o.-Runde der WM-Qualifikation gegen Syrien durchsetzten (dank, genau, zweier Cahill-Treffer), fehlt im Kader der Niveau-Ausreißer nach oben, Spieler von europäischen Topklubs sind nicht dabei. Es sei denn, man zählt Robbie Kruse vom VfL Bochum dazu. So bleiben als Leistungsträger neben Kruse nur Kapitän Mile Jedinak (Aston Villa), Tomi Juric (FC Luzern) und Mathew Leckie (Hertha BSC). Ob das fürs Achtelfinale reicht? Frankreich, Dänemark und Peru zittern schon.

Nützliches Wissen für Ahnungslose: Australien ist amtierender Weltmeister im Cricket und Vize-Weltmeister im Rugby - die nationale Bestürzung über ein frühes Ausscheiden der Socceroos dürfte sich also in Grenzen halten. Auch für den Coach sind die möglichen Konsequenzen verschmerzbar: Dass er nach der WM durch Graham Arnold ersetzt wird, steht bereits fest.

Auf diesen Spieler müssen Sie achten

Andreas Christensen. Kennen Sie nicht? Muss wohl daran liegen, dass der dänische Verteidiger vom FC Chelsea sich in vielen Dingen eklatant von seinem Vorgänger John Terry unterscheidet. Mit den Frauen der Mitspieler durch die Laken turnen? Würde der Vorzeigeprofi Christensen wohl niemals machen. Ohnehin viel wichtiger: Der 22-Jährige erfüllt seine Rolle als Erbe der Blues-Legende mehr als ordentlich. Christensen überzeugt mit seiner coolen, besonnenen Art und ist bei den Dänen eine feste Größe in der starken Defensive. Naja, und ein kleines Skandälchen gibts dann doch, wie Vater Sten Christensen verrät: "Mit richtigem Fußball hat er begonnen, als er vier Jahre alt war. Wir mussten wegen seines Alters ein wenig lügen, denn in Dänemark darf man erst mit fünf Jahren beginnen." Seiner Karriere hat es jedenfalls nicht geschadet.

Wie geht die Gruppe aus?

  1. Frankreich
  2. Dänemark
  3. Peru
  4. Australien

Quelle: ntv.de

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