Fußball-WM 2018

WM-Zeitreise - 4. Juli 1954 DFB-Team will ungarisches Gulasch in Bern

Fifa-Präsident Jules Rimet (2.v.l.) gratuliert den DFB-Kickern Fritz Walter, Horst Eckel und Helmut Rahn (vl.) zum WM-Titel 1954.

Fifa-Präsident Jules Rimet (2.v.l.) gratuliert den DFB-Kickern Fritz Walter, Horst Eckel und Helmut Rahn (vl.) zum WM-Titel 1954.

(Foto: imago/Pressefoto Baumann)

Die deutsche Nationalmannschaft besticht bei der WM 1954 durch unerschütterlichen Teamgeist, gelebte Gemeinschaft und viel Humor. Hochprozentiges aus Milchgläsern, frivole Witze und Bootstouren sorgen für eine unvergleichliche Atmosphäre.

Das Finale am 4. Juli 1954 ist nur der Höhepunkt einer ganz besonderen Zeit, die die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in den Wochen der Weltmeisterschaft in der Schweiz erlebte. Es ist eine Zeit der Geschichten und Anekdoten. Eine Zeit der Gemeinschaft und des Zusammenhalts.

Ein eingeschworener Haufen: die DFB-Spieler und Weltmeister von 1954.

Ein eingeschworener Haufen: die DFB-Spieler und Weltmeister von 1954.

(Foto: imago/Sven Simon)

Als der DFB-Koch am Tag nach der 3:8-Niederlage gegen Ungarn in der Vorrunde den Nationalspieler Alfred Pfaff fragt, was er denn kochen solle, gibt es für ihn nur eine Antwort: "Ungarisches Gulasch". Der berühmte "Geist von Spiez" äußerte sich vor allem in einer einzigartigen Atmosphäre der Spieler untereinander. Fritz Walter erzählte einmal über die gemeinsame Hotelzimmer-Zeit mit Helmut Rahn am Thuner See im Kanton Bern: "Ich bin im Allgemeinen etwas ruhig, während der Helmut vor Temperament überschäumt. Er ist oft schon um sieben Uhr auf den Balkon gestürmt, ist mit einem Hechtsprung wieder ins Bett und hat so getan, als ob er wieder fest schliefe. Ich habe Tränen gelacht und damit war die Stimmung schon für den gesamten Tag gerettet."

Damit Sepp Herberger die Gelüste der Spieler nicht mitbekam, mussten die Raucher hinaus auf den See ausweichen. Eines Nachmittags, als man wieder einmal mit mehreren Booten auf den Thuner See gerudert war, planschte Heinz Kwiatkowski wie ein junger Hund im Wasser. Die Mitspieler des Torwarts lachten sich halbtot, bis Ottmar Walter endlich begriff, dass der "Heini" nicht schwimmen konnte. Mit vereinten Kräften wurde der Dortmunder gerettet. Als seine Frau Käthe von dem Malheur erfuhr, drehte sie durch: "Da kommst du mir nicht mehr hin, die bringen dich bei der Nationalmannschaft noch um!"

Hochprozentiger Schlummertrunk in Milchgläsern

Bundestrainer Sepp Herberger (o.) ist der Vater des überraschenden WM-Erfolgs des DFB-Teams.

Bundestrainer Sepp Herberger (o.) ist der Vater des überraschenden WM-Erfolgs des DFB-Teams.

(Foto: imago/Pressefoto Baumann)

Abends war der gute "Geist von Spiez" der Barkeeper, der den deutschen Nationalspielern ihren hochprozentigen Schlummertrunk in Milchgläsern servierte. Doch Bundestrainer Herberger konnte niemand so leicht täuschen. Eines Abends klopfte er Ottmar Walter lächelnd auf die Schuler, guckte in die Runde und sagt: "Na, Männer. Trinkt ihr wieder eure Milch, was?!" In dieser launigen Runde war auch mal Zeit für einen Witz. Und so fragte Albert Pfaff seine Mannschaftskameraden: "Kinder, wisst ihr, warum der Eber so traurig durch den Wald läuft?" "Nee!" "Weil seine Frau eine Wildsau ist!"

Es war auch diese gute Stimmung untereinander, das gelebte Miteinander, das dafür sorgte, dass die deutsche Elf einen scheinbar uneinholbaren 2:0-Rückstand nach nur acht Minuten im Finale am 4. Juli 1954 gegen Ungarn aufholte. Mit ihrem prächtig haltenden Torhüter im Rücken - "Ein Gott sind Sie nicht, aber offenbar ein netter Mensch", sagte Bundespräsident Theodor Heuss zum Torhüter Toni Turek, den der Kommentator Zimmermann zum "Fußball-Gott" gemacht hatte - konnte die deutsche Mannschaft bereits nach 18 Minuten ausgleichen. Zum ersten Mal traf der Essener Helmut Rahn an diesem Tag. Rahn war es auch, der anschließend zu Torhüter Toni Turek ging und ihm kämpferisch zurief: "Anton, halte die Schotten dicht! Das nächste Tor schießen wir sowieso und dann sind die Paprikafresser geputzt!"

"Männer, die Tore sind geschossen."

Am Tresen des Essener Lokals "Friesenstube" musste der Held von Bern später wieder und wieder das entscheidende 3:2 im Endspiel nacherzählen: "Also, hier steht der Hans und hier steh' ich. Der Hans flankt, ich zieh' los, die Ungarn denken, ich schieß' - aber ich schieß' natürlich nicht. Ich geh' rechts an den Ungarn vorbei, leg' mir das Ding auf den linken Schluffen und hau' drauf. Der Grosics macht sich ganz schön lang, aber an das Ding kommt er nicht mehr dran. Mann, war der sauer. Prost, allerseits!"

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Am Abend des 4. Juli sagte Kapitän Fritz Walter den wunderbaren Satz: "Männer, die Tore sind geschossen." Und Sepp Herberger nahm sich gewohnt nüchtern Hans Schäfer zur Brust: "Hans, trinken Sie nicht so viel! In acht Wochen haben wir ein schweres Spiel in Brüssel gegen Belgien." Danach waren drei ganz außergewöhnliche Wochen Geschichte. Doch die Geschichten von damals wird man sich auch in 100 Jahren noch erzählen.

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Quelle: ntv.de

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