Fußball-WM 2018

Argentinien vor dem Aus Lass es sein, Messi!

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(Foto: imago/Xinhua)

Es ist ja immer ein wenig billig, nach einem verlorenen Fußballspiel einfach draufzuhauen. Oder aber zu behaupten, das Debakel schon vorher kommen gesehen zu haben. Wir tun es trotzdem. Tenor: siehe Überschrift.

Bevor es auf den grünen Rasen geht, folgendes Szenario: Berlin: 7.45 Uhr in der U-Bahn. Wie jeden Morgen quälen sich Tausende mit grauen Gesichtern zur Arbeit. Die Stimmung? Bestenfalls lauwarm. Und jetzt stellen Sie sich vor, Ihnen würde ein junger Mann gegenübersitzen. Mit Bart und Tätowierungen. Ja und? Wir sind in Berlin, da haben alle jungen Männer Bärte und Tätowierungen, sagen Sie jetzt vielleicht. Und haben vermutlich recht.

Zwei Dinge verwirren allerdings. Erstens: Was macht so einer um diese Uhrzeit schon in der Bahn? Und zweitens: Wieso ist der so merkwürdig angezogen? Zwar sieht das hellbau-weiß gestreifte Trikot bestechend gut aus, aber für kurze Hosen ist es heute in der Hauptstadt definitiv zu frisch. Und auch die Schuhe mit den Stollen machen nicht den Eindruck, als seien sie dafür geeignet, um sich auf dem Asphalt der Hauptstadt besonders sicher fortzubewegen.

Aber egal, heben Sie jetzt bitte den Blick und schauen in das Gesicht. Und, fällt Ihnen etwas auf? Vermutlich nicht. Sieht es doch genauso trist, leer und freudlos aus wie das der anderen Fahrgäste. Hätte der junge Mann eine Tasche an seiner merkwürdigen Bekleidung, wäre dort wie bei dem ein oder anderen der grauen Masse die Überweisung zum Psychologen verstaut - wegen Burnout oder Depression. So muss er den Wisch mangels Alternative wohl im Schienbeinschoner stecken haben.

U-Bahngesicht auf dem Platz

Damit verlassen wir den Untergrund und begleiten den Beschriebenen auf den Fußballplatz. Ins Rampenlicht. Da gehört er wie kein anderer hin. Denn es ist Lionel Messi. Seines Zeichens bester Kicker des Planeten. Spieler und Kapitän der argentinischen Fußballnationalmannschaft. Was er schon seit ein paar Jahren nicht mehr sein sollte. Warum? Weil Messi sich und seinem Team mit seiner Anwesenheit schlichtweg keinen Gefallen tut. Denn im Dienste Argentiniens agiert der sonst so Begnadete bisweilen erschreckend uninspiriert, freudlos, glücklos und gequält. Eben ganz so, als würde er sich früh morgens auf den Weg zu einem ungeliebten Job machen.  

Vielmehr scheint ihn die Fokussierung und das Warten seiner Nation auf einen Erlöser zu erdrücken. Dabei war und ist Messi einfach kein Messias. Nicht erst bei dieser Fußballweltmeisterschaft war ihm die Bürde im (U-Bahnfahrer-)Gesicht und bei seinem gehemmten Spiel anzusehen. Zudem gewinnen auch die Besten heutzutage keine Partie mehr alleine. Die Zeiten eines Maradona sind bis auf Weiteres vorbei. Nur das haben sie in Argentinien nicht begriffen. Und auch er selbst hat dies nicht.

Am Rio de la Plata wird seit Jahren versucht, eine Mannschaft um ihn herumzubasteln und Messi als Anführer zweckzuentfremden. Doch damit hat man ihm seiner Spielfreude beraubt. Denn ein Leader war und wird er nicht mehr. In dieser Rolle ist Messi seit jeher das Problem und nicht die Lösung. Beim Versuch der Metamorphose ist der Wunderknabe irgendwie verloren gegangen. 

Mit Messi auf den Bolzplatz 

Woran nicht nur die diversen Nationaltrainer und ein paar andere Kleinigkeiten schuld sind. Zwar einte alle Übungsleiter nur eine Taktik, nämlich: Messi, Messi, Messi. Aber auch ihn selbst trifft einige Schuld. Denn Messi mischt bei der Mannschaftsaufstellung schon lange mit. So machte wohl kein Coach der letzten 10 Jahre einen Matchplan ohne seinen Segen. Wen Messi nicht auf dem Feld sehen will, der hat es schwer. Das musste unter anderem vor vier Jahren Publikumsliebling Carlos Tevez erfahren und auch der begnadete Mauro Icardi darf sich das aktuelle Elend im Fernsehen anschauen.   

Und nun? Rücktritt. Was an dieser Stelle bereits vor drei Jahren gefordert wurde. Und zwar unbedingt und sofort. Zwar stirbt die Hoffnung zuletzt, aber dieses Argentinien und dieser Messi sind bereits seit Langem tot.

Und damit zurück in die U-Bahn. Sollte Ihnen also hier demnächst ein merkwürdig angezogener junger Mann mit Bart und Tätowierungen begegnen, lachen Sie ihn nicht aus, sondern an. Denn er kann ein wenig Aufmunterung gebrauchen. Wenn es denn sein muss, zücken Sie einen Zettel - warum nicht die Überweisung zum Psychologen? - und lassen sich ein Autogramm geben. Danach fragen Sie ihn, ob er nicht Lust hätte, mit Ihnen eine Runde Fußball zu spielen. Denn kaum etwas sorgt zuverlässiger für Ruhe unter der Schädeldecke und macht mehr Freude - und außerdem hat der Typ ab jetzt im Sommer Zeit.                                     

Quelle: ntv.de

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