"Habe meine Entscheidungen getroffen" Löw verteidigt Taktik und Personal
02.07.2014, 13:50 Uhr
Joachim Löw will von seinem WM-Plan nicht abrücken, weil der bislang aufgegangen ist.
(Foto: imago/Fotoarena International)
Die lauwarmen deutschen WM-Leistungen in Brasilien sorgen für hitzige Diskussionen in der Heimat: Spielt Philipp Lahm auf der richtigen Position? Sollte Mesut Özil überhaupt spielen? Klare Antworten gibt nun Bundestrainer Joachim Löw.
Der deutsche WM-Auftakt war eine Gala, danach wurde es erst vogelwild, dann nüchtern-pragmatisch, ehe im Achtelfinale gegen Außenseiter Algerien das ganz große Zittern einsetzte. Unter den 80 Millionen Bundestrainern in Deutschland heizt das die Diskussionen an, ob das DFB-Team in Brasilien mit der richtigen Taktik und dem richtigen Personal antritt. Im Mittelpunkt dabei: DFB-Kapitän Philipp Lahm und Spielmacher Mesut Özil.
Der eine offizielle Bundestrainer, Joachim Löw, hat nun klargestellt: Niemand hat die Absicht, sich von der anhaltenden Kritik beeindrucken zu lassen. "Ich habe meine Entscheidungen getroffen - auch was die Rolle von Philipp Lahm betrifft. Und dazu stehe ich bis zum Schluss", sagte der 54-Jährige der "Zeit".
Löw wird Lahm damit trotz des WM-Aus' für Shkodran Mustafi wohl auch im Viertelfinale gegen Frankreich am Freitag (18 Uhr im Live-Ticker bei n-tv.de) im Mittelfeld aufbieten. Sofern Mats Hummels seine Grippe auskuriert, stünde dem Bundestrainer seine WM-Abwehr mit den vier Innenverteidigern Hummels, Per Mertesacker, Jérôme Boateng und Benedikt Höwedes auch wieder zur Verfügung.

Kapitän im Mittelfeld: So sieht Löw die Rolle von Philipp Lahm bei der WM.
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Dass viele Experten den Kapitän lieber auf seiner alten Position auf der rechten oder sogar linken Seite der Viererkette sehen würden, lässt den Bundestrainer kalt. Diese Position werde Lahm nur einnehmen, "falls wir auf der rechten Seite ein akutes Problem im Spiel bekommen sollten und ich sage: Okay, jetzt ist Philipp Lahm gefordert, der viel Druck nach vorne entfalten kann." Dies sei allerdings ein Notfall-Szenario: "Wir müssen verhindern, dass der Notfall eintritt."
"Art der öffentlichen Kritik unverständlich"
Dass öffentliche Debatten über Aufstellung und Taktik geführt werden, wundert Löw nicht. "In unserer Mannschaft gibt es mehrere Spieler, die verschiedene Positionen mit großer Qualität spielen können. Es ist mir bewusst, dass es immer Diskussionen geben wird, warum nun gerade der eine spielt und nicht der andere", so Löw.
Überhaupt kein Verständnis hat Löw für den Umgang mit Mesut Özil. "Diese Art der öffentlichen Kritik ist für mich genauso unverständlich wie jene an Philipp Lahm. Mesut Özil war 2010 und 2012 der überragende Spieler des Turniers. Das kann ich doch nicht einfach vergessen", so Löw: "Zumal ich grundsätzlich meinen Spielern immer großes Vertrauen entgegenbringe, auch wenn es mal nicht so gut bei ihnen läuft."
Allerdings: Bei Löws Bewertung, Özil sei bei der EM 2012 bester deutscher Spieler gewesen, schwingt viel Verklärung mit. Auch damals konnte der Spielmacher nicht an die WM-Form von 2010 anknüpfen. Nach durchwachsener EM-Vorrunde kündigte Löw eine Leistungsexplosion Özils in den K.o.-Spielen an, doch die blieb aus. Beim vercoachten Halbfinale gegen Italien ging der Offensivspieler mit dem Team unter.
Ganz ohne Verklärung, allerdings auch ohne Panikschübe betrachtet Löw das verkrampfte Achtelfinale gegen Algerien (2:1 n.V.). Es sei zwar einiges schiefgelaufen, sagte Löw, und dürfte damit nicht nur die Slapstick-Einlage von Thomas Müller beim Freistoß gemeint haben. Dennoch dürfe die schwache Leistung nicht überbewertet werden. "Soll ich enttäuscht sein, dass wir weitergekommen sind?" Das Team hätte "einfache Fehler gemacht, den Ball zu häufig verloren. Bei einer WM kann eine Mannschaft nicht immer fantastisch spielen, man muss als Sieger vom Platz gehen - das ist uns gelungen."
Im Angriff mehr investieren
Verbesserungspotenzial sieht Löw dennoch. "Wir sind in der Auswertung der Chancen nicht mehr so effizient, wie wir es schon einmal waren", sagte Löw und formulierte eine klare Forderung an seine Spieler: "Wir müssen in der Offensive noch mehr investieren, uns mehr konzentrieren, um zum Erfolg zu kommen."
An der defensiven Ausrichtung möchte der Bundestrainer vorerst nichts ändern: "Bis jetzt lagen wir auch mit der Einschätzung richtig, dass wir keine Abwehrspieler brauchen, die ständig nach vorne laufen." Ausschließen will Löw den Einsatz offensiverer Verteidiger, etwa wegen Verletzungen, aber nicht. Im Falle eines Misserfolgs will auch Löw die Verantwortung übernehmen. "Ganz allgemein gilt: Wir Trainer machen auch Fehler, wir sind nicht vollkommen."
Quelle: ntv.de, cwo/sid