Ohne Glanz ins WM-Achtelfinale Frankreich siegt, Fragezeichen bleiben
22.06.2018, 07:48 Uhr
Kylian Mbappé kürt sich zum jüngsten Frankreich-Torschützen.
(Foto: imago/PanoramiC)
Die Franzosen gehören zu den Favoriten der Fußball-WM und stehen vorzeitig im Achtelfinale. Doch es ist unklar, wie gut sie wirklich sind. Auch in der Partie gegen den Außenseiter Peru spielen sie nicht überzeugend.
Was auch immer die französische Nationalmannschaft noch erreichen wird bei der Weltmeisterschaft in Russland, eine neue Bestmarke wird sie mindestens mit zurück bringen in die Heimat. Etwas mehr als eine halbe Stunde war gespielt im frischen Jekaterinburg im zweiten Vorrundenspiel gegen Peru, als Paul Pogba im Mittelfeld den Ball eroberte und Olivier Giroud bediente. Dessen Schuss wurde geblockt, der Ball segelte über Perus Torwart Pedro Gallese hinweg. Kylian Mbappé musste nur noch einschieben. Mit diesem Tor, das der einzige Treffer der Partie bleiben sollte, wurde der Angreifer von Paris St. Germain mit 19 Jahren und sechs Monaten zum jüngsten Torschützen überhaupt für die Franzosen bei einer EM oder WM.
Frankreich: Lloris - Pavard, Varane, Umtiti, Hernandez - Pogba, Kante; Matuidi, Griezmann, Mbappe - Giroud
Peru: Gallese - Advincula, Ramos, Rodríguez, Trauco - Aquino, Yotun; Carrillo, Cueva, Flores - Guerrero
Tore: Mbappe (34.)
Wechsel: Dembelé für Mbappé (75.), Fekir für Griezmann (80.), N'Zonzi für Pogba (89.) - Farfan für Yotun (46.), Santamaria für Rodriguez (46.), Ruidiaz für Cueva (82.)
Gelbe Karten: Matuidi (16.), Pogba (86.) - Guerrero (23.), Aquino (81.)
Zuschauer: 32.789 (Zentralstadion Jekaterinburg)
Schiedsrichter: Mohammed Abdulla Hassan Mohamed (VAE)
Bei solchen Rekorden soll es natürlich nicht bleiben für die Mannschaft von Trainer Didier Deschamps bei der Expedition nach Russland. Die Franzosen sind als einer der Favoriten ins Turnier gegangen. Sie trachten nach dem ersten WM-Titel seit 1998. Und immerhin sind sie nach zwei Spielen auf Kurs, anders als andere Gold-Kandidaten wie etwa Argentinien. Nach dem 2:1 gegen Australien und dem 1:0 gegen Peru steht Frankreich vorzeitig als Achtelfinal-Teilnehmer fest. Doch das Team schleppt allerhand Fragezeichen mit sich herum.
"Gemacht, was nötig war"
Die beiden Siege waren ziemlich wacklig. Gegen Australien boten die Franzosen einen müden Auftritt und benötigten einen Elfmeter, den Antoine Griezmann verwandelte, und ein Eigentor zum Erfolg. Gegen Peru überzeugte das Team immerhin in der ersten Halbzeit und hätte mehr Tore verbuchen können als nur Mbappés Rekordtreffer. Im zweiten Durchgang dagegen ließ sich die Mannschaft in die eigene Hälfte drängen und konnte sich bei ihrer Defensive um Raphael Varane von Real Madrid und Samuel Umtiti vom FC Barcelona bedanken, dass die Peruaner nicht viel mehr als Fernschüsse zustande brachten. Trotzdem war die Partie bis zum Ende offen. "Wir haben gemacht, was nötig war, um das Spiel zu gewinnen", fasste Deschamps die Veranstaltung zusammen. Für ihn war das genug. Er ist Pragmatiker, das war er schon in seiner aktiven Karriere als defensiver Mittelfeldmann. Doch eigentlich sollte seine Mannschaft doch zu mehr im Stande sein als zu bloßer Pflichterfüllung.
Nach 180 WM-Minuten ist der Trainer noch immer auf der Suche nach dem idealen Rezept. Er hat noch immer nicht herausgefunden, wie er seine hochbegabte Auswahl aufstellen soll, um das Beste aus ihr herauszuholen. Zum Auftakt gegen Australien enttäuschte der Dreier-Sturm aus Griezmann, Mbappé und dem Ex-Dortmunder Ousmane Dembélé. Deschamps bemängelte Tempo, Abstimmung und Zusammenspiel. Gegen Peru baute er seine Mannschaft um, neben dem Münchner Corentin Tolisso landete auch Dembélé auf der Bank. Dafür kam unter anderem der erfahrene Olivier Giroud ins Team. Er operierte als einzige Spitze. Die Variante klappte schon eher. "Unser Spiel ist besser geflossen", fand Deschamps. Aber es wirkte eben so, als könnte der Fluss schnell wieder abreißen.
Pogba bleibt ein großes Versprechen
Unwägbarkeiten bleiben auch bei einer prominenten Personalie im Mittelfeld. Pogba wurde bei der WM vor vier Jahren zum besten Jungprofi gewählt, seitdem ist er ein großes Versprechen. Weder im Verein bei Manchester United noch in der Nationalmannschaft gelingt es ihm, konstant gute Leistungen zu bringen. Gegen Peru war er in der ersten Halbzeit eine treibende Kraft, nicht nur, weil er Mbappés Tor einleitete. Nach dem Wechsel schwand sein Einfluss. Er machte nur noch mit weiten Befreiungsschlägen auf sich aufmerksam.
Die Franzosen haben das Potenzial, das Turnier zu verzaubern mit ihrer hohen Einzelkönner-Dichte, mit Pogba, Dembélé, Griezmann und Mbappé. Doch um ihre beiden Siege gegen WM-Außenseiter ins Ziel zu bringen, waren dunkle Künste nötig. Mbappé zum Beispiel ließ sich bei seiner Auswechselung gegen Peru eine Viertelstunde vor Schluss so viel Zeit, dass ihn die Gegenspieler am liebsten gepackt und vom Platz getragen hätten. Und war nicht Pogba gegen Australien schon ziemlich früh mit Zeitschinderei aufgefallen?
Ein Vorrundenspiel haben die Franzosen noch. Am Dienstag treffen sie im Luschniki-Stadion in Moskau auf Dänemark. Zum Gruppensieg würde ihnen schon ein Unentschieden reichen. Nicht aber, um die Fragezeichen zu vertreiben. Nicht aber, um zu zeigen, dass sie zurecht als Favorit gehandelt werden. Dazu müsste endlich mal ein souveräner Sieg her.
Quelle: ntv.de