Penalty-Coolness der DEB-Auswahl Deutsches Effizienzmonster in Teilzeit
18.02.2018, 14:37 Uhr
Kahun trifft - allerdings erst im Penaltyschießen.
(Foto: AP)
Im dritten Vorrundenspiel des olympischen Eishockey-Turniers erspielen sich die deutschen Männer nicht mehr nur Komplimente, sondern endlich auch die ersten Punkte. Dabei ist der Auftritt der Stürmer besonders bizarr.
Eishockey ist ein körperbetonter Sport. Und Deutsches Eishockey ist besonders körperbetont. Das ist beides nicht neu. Was aber neu ist: Bei diesen Olympischen Spielen sind die deutschen Eishockeyspieler im Abschluss fast ausschließlich in Abwesenheit jeglicher Duell-Physis erfolgreich. Patrick Hager mit einer Doppelfinte, der unermüdliche Matthias Plachta ohne Finte und der trickreiche Dominik Kahun mit einer kleinen Finte - drei Schüsse, drei Treffer, keine Gegenspieler. "So eine Quote haben wir im Eishockey echt selten", staunte Hager. Es sah aber auch echt einfach aus, wie die deutschen Stürmer auf einmal den Puck ins Gehäuse jagten. So überraschend einfach, wo doch dem Shootout der nächste Abschlusskrampf gegen Norwegen vorangegangen war. Einzig die Penalty-Coolness und Goalie Danny aus den Birken retteten im dritten Vorrundenspiel den ersten olympischen Sieg seit 16 Jahren.
Ein Weißbier wollte sich nach dem 2:1 (1:1 nach regulärer Spielzeit) freilich niemand aufmachen. Statistik, das ist dann wohl doch eher was für Journalisten. Auch Bundestrainer Marco Sturm reagierte mit einem Höchstmaß an Gleichgültigkeit auf das Ende der - verpassen wir ihr doch den journalistischen Superlativ - Horrorserie. Dabei war der Bundestrainer beim letzten olympischen Erfolgserlebnis noch als Spieler dabeigewesen. Nun, wo aber partout keine Geschichte ist, da lässt sich auch nur schwer eine konstruieren. Zumal ja ein anderes Thema viel packender war, die Torschuss-Torerfolg-Bilanz während der regulären Spielzeit. Und die liest sich frustrierend: Ein Treffer bei 38 Versuchen macht eine Erfolgsquote von 2,6315789474 Prozent. Selbst ein Laie merkt schnell: Ein Spitzenwert ist das nicht. Zu erklären offenbar auch irgendwie nicht. Erst recht nicht, wenn's dann im Shootout so wunderbar einfach ist.
Jetzt wird geknockoutet
Der Bundestrainer nimmt es (noch) mit Humor. "Da sind sie plötzlich alle locker", scherzte er nach dem Spiel, appellierte dann aber sofort: "Diese Lockerheit brauchen wir im Fünf-gegen-Fünf auch mal. Aber ich denke, dass diese Treffer den Jungs jetzt wirklich gut tun." Das neue Selbstvertrauen kommt nicht gerade zur Unzeit. Bis jetzt, bis zu diesem dritten Vorrundenspiel - die ersten waren gegen Finnland (2:5) und Schweden (0:1) verloren gegangen - verfuhr das olympische Turnier nach der Logik eines Unfalls ohne Folgen. Denn egal wie viele Spiele ein Team verlor, egal wie viele Tore es kassierte, ausscheiden konnte es nicht. Selbst wenn es unbedingt wollte. Der einzig drohende Vorrunden-GAU: ein letzter Platz auf der Setzliste für die Vor-Viertelfinal-Runde. Klingt kompliziert, ist es auch. Sei es drum. Fakt ist: In der nächsten Runde wird geknockoutet - vorbei ist's mit der "Wir lassen niemanden hängen"-Protektion.
Im ersten entscheidenden Spiel treffen die Deutschen nun am Dienstag auf die Schweiz. Dem Bundestrainer ist der Gegner grundsätzlich egal: "Es kommt ja eh immer auf uns an." Und das ist in einem Turnier ohne NHL-Profis keine schlechte Sache für das DEB-Team. War's gegen die Finnen noch recht ruckelig, auch weil Goalie aus den Birken nicht besonders sicher wirkte, erspielte sich die Sturm-Mannschaft gegen Schweden jede Menge Komplimente. Nur eben nichts Zählbares, weder Punkte, noch Treffer. Dass sich das nun gegen Norwegen geändert hat, erleichtert das ganze Team: "Wir haben uns für die harte Arbeit endlich belohnt. Ich hoffe, dass wir jetzt einen mentalen Boost bekommen", sagte Doppeltorschütze Hager.
"Wir müssen noch zulegen"
Tatsächlich war es auch im dritten deutsch-skandinavischen Duell ein zäher Kampf um den Sieg, und zwar mit reichlich Fäusten im Gesicht. Allein das DEB-Team durfte 14:52 Minuten in Überzahl spielen, die Norweger dagegen "nur" acht Minuten. Im zweiten Drittel saß gefühlt jederzeit mindestens ein Spieler auf der Bank. Und so fiel die Führung der Sturm-Männer freilich auch, als sie einer mehr auf dem Eis waren. Nach einem Pfosten- und einem Lattentreffer, sowie zahlreichen Top-Paraden von Lars Haugen, lümmelte Hager den Puck nach 33 Minuten ins Tor. In einer Phase, als die deutsche Torschuss-Wut am größten war. Allein fünf Abschlüsse gelangen in diesem Powerplay, einer ging rein. Hager mahnte daher: "Wir müssen noch zulegen."
Anders als in der Verteidigung. Die nämlich funktionierte erneut prima, analysierte Goalie aus den Birken, der ja gewissermaßen den Premiumblick draufhat. "Die Jungs haben sehr gut gespielt und defensiv super gestanden." Das galt indes auch für ihn selbst. Nach der harten Kritik, die er sich nach dem Finnland-Spiel anhören musste, hielt der Münchener überragend, entschärfte 28 Schüsse und am Ende auch noch alle drei Penalties. Nur einmal, bei dem satten Winkeltreffer von Alexander Reichenberg (45.), schlug es hinter ihm ein. Als Matchwinner wollte er sich dennoch nicht feiern lassen. In seiner Hand lag das allerdings nicht. "Das muss der Dominik (Anmerk. d. Red.: Kahun) entscheiden", erklärte Sturm.
Denn im deutschen Team ist es so: Der Matchwinner erhält einen Pepita-Hut. In Gedenken an die 2012 verstorbene deutsche Eishockey-Legende Xaver Unsinn. Gekürt wird der neue Matchwinner vom alten Matchwinner. An diesem südkoreanischen Mittag stünde der Sieger-Hut indes vielen gut.
Quelle: ntv.de