Surfen, Skateboard und Co. Diese Sportarten sind neu bei Olympia 2021
21.07.2021, 20:13 Uhr
In den Skateboard-Wettbewerben könnte es die jüngste Siegerin der Olympia-Geschichte geben.
(Foto: imago images / Moritz Müller)
Mit einem Jahr Verspätung und inmitten steigender Infektionszahlen starten die Olympischen Spiele in Tokio. Neben den Kerndisziplinen wie Leichtathletik oder Schwimmen gibt es gänzlich neue Wettbewerbe. Sie sollen auch in der nächsten Generation das olympische Feuer entfachen.
Olympia ist das bedeutendste Monument der Sportwelt, Athletinnen und Athleten weltweit träumen von einer Teilnahme oder gar dem Gewinn einer Medaille. Das soll auch in Zukunft so bleiben. 2016 beschloss das Internationale Olympische Komitee (IOC), künftig Sportklettern, Karate, Surfen und Skateboard in den Katalog der Disziplinen mit aufzunehmen. Ein Jahr später fand Freestyle-BMX seinen Platz im Programm für Tokio.
Die Überlegungen des IOC sind nachvollziehbar, die aufgenommenen Sportarten die richtige Wahl für Impulse von außen. Skateboard, BMX-Freestyle und Surfen sind weltweit verbreitete (Jugend-)Subkulturen. Das Indoor-Klettern hat sich in den letzten Jahren als Trendsportart, gerade auch für junge Menschen, etabliert. Wie auch im Fußball fürchten die Funktionäre, dass die Begeisterung für den Sport im Leben von jungen Menschen neben TikTok und Fortnite keinen Platz mehr hat (und das IOC somit weniger Werbeeinnahmen). Doch wie genau funktionieren die Wettbewerbe und wer sind die Favoriten beim Debüt auf dem olympischen Parkett?
Skateboard - Chancenlos gegen Kinder
Gleich vier Medaillenentscheidungen stehen für die Athletinnen und Athleten auf dem Brett an. Im Park fahren die Skater durch eine Art leeren Swimmingpool, aus dem sie immer wieder herausspringen, um ihre Tricks zu präsentieren. Im Street-Wettbewerb will die Jury kreative Tricks über von der Straße inspirierte Hindernisse wie Treppen, Bordsteine oder Geländer sehen.
Im Fall Skateboard ist die Jugend mehr als nur erhoffte Zielgruppe vor dem Fernseher - sie fährt mit. Keine Disziplin zieht den Altersschnitt so erkennbar nach unten. Im Favoritenkreis der Frauen sind mit Sky Brown (Großbritannien/Park) und Rayssa Leal (Brasilien/Street) zwei Anwärterinnen auf Gold gerade einmal 13 Jahre alt. Brown könnte sogar zur jüngsten Olympia-Siegerin überhaupt werden. Auch die deutsche Teilnehmerin Lilly Stoephasius ist erst 14 Jahre alt, hat allerdings höchstens Außenseiterchancen.
Deutscher Skateboarder liegt vor einer echten Ikone
Das männliche Teilnehmerfeld ist US-dominiert. Heimana Reynolds und Cory Juneau gelten als Favoriten im Park. Für Deutschland geht Tyler Edtmayer an den Start. Kurios: Edtmayer liegt auf Rang 26 der Weltrangliste, und somit einen Platz vor Snowboard-Legende Shaun White, der auch auf dem Asphalt eine gute Figur macht. Bei Olympia ist White aufgrund zu starker Konkurrenz aus dem eigenen Land aber nicht vertreten.
In der "Street"-Disziplin ruhen alle Augen auf Superstar Nyjah Huston. Der bestbezahlte Skateboarder der Welt hat bereits 18 Medaillen bei den X-Games gewonnen, der bedeutendsten Extremsport-Veranstaltung. Nun will der US-Amerikaner auch olympisches Gold holen.
Der bekannteste Skateboarder überhaupt, Tony Hawk, tritt im Alter von 53 Jahren natürlich nicht mehr an. Doch der Großmeister hat dem Olympia-Debüt seinen Segen gegeben. "Wir waren eine Familie aus Außenseitern, nun wird die Welt uns Olympioniken nennen", fasst er die Entwicklung seiner großen Passion in einer IOC-Kampagne zusammen.
Surfen - Aufwand, der sich gelohnt hat
2017 warnte Philipp Kuretzky vom Deutschen Wellenreitverband, dass der mit einer Olympia-Planung verbundene Aufwand kaum zu stemmen sei. Nichtsdestotrotz ermöglichte die mittlerweile erfolgte Förderung den Aufbau neuer Strukturen - von denen mit Leon Glatzer direkt auch ein deutscher Wellenreiter in Tokio profitieren kann.
Vor Ort hat er 25 Minuten Zeit, die Jury mit Geschwindigkeit, Kreativität und Flow von sich zu überzeugen. Der Tsurigasaki Surfin Beach ist aber voraussichtlich fest in brasilianischer Hand. Neben Weltmeister Italo Ferreira zählt Gabriel Medina zum Favoritenkreis bei den Herren. Und dank Tatiana West-Webb und Silvana Lima könnte auch der Frauenwettbewerb eine Goldmedaille für Brasilien erleben.
Sportklettern - die WM-Dominatoren wollen Gold
Häufig müssen die potenziellen Debütanten ihre Saison für Olympia anpassen. Die erfolgsverwöhnte Kletterin Alex Puccio hat sich nach langem Zögern gleich ganz gegen eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen entschieden. Sie liebe es zu sehr draußen zu klettern, müsse für die Spiele aber monatelang nur in der Halle trainieren, begründete die 30-jährige US-Amerikanerin ihre Entscheidung.
"Olympic Combined", so der Name des Wettbewerbs, ist ein Zusammenschluss aus den Einzeldisziplinen Speed, Bouldern und Lead. Beim Speedklettern geht es darum, eine 15 Meter hohe Wand schnellstmöglich zu erklimmen. Beim Bouldern ist ein Hindernisparcours so oft wie möglich zu bewältigen, beim Lead geht es darum, möglichst hochzuklettern.
Mit Jan Hojer und Alexander Megos versuchen sich auch zwei Deutsche an der Wand in Tokio. Als Favorit gilt bei den Männern der fünffache Weltmeister Adam Ondra. Insbesondere das Bouldern liegt dem Tschechen. Noch einen WM-Titel mehr kann Janja Garnbret aus Slowenien vorweisen. Die 22-Jährige zählt sowohl im Bouldern als auch im Lead zur Weltspitze.
Karate - ein deutscher Weltmeister und ein Syrer aus Eppertshausen
Neben den actionreichen Neulingen begrüßt Tokio mit Karate auch ein neues Mitglied im Bereich der Kampfsportarten - vorerst jedoch nur als einmaligen Gast. Japan ist als Heimatland der Spiele großer Favorit auf Medaillen. Auch fünf Athleten aus Deutschland machen sich auf die lange Reise in die japanische Metropole.
Ilja Smorguner, Noah Bitsch, Jasmin Jüttner sowie Welt- und Europameister Jonathan Horne gehen für den Deutschen Karate-Verband ins Rennen. Der in Deutschland lebende Syrer Wael Shueb tritt für das IOC-Geflüchtetenteam an. In den beiden Disziplinen Kata und Kumite geht es um insgesamt 24 Medaillen.
Und sonst so? - ein Rückkehrer und viele Mixed-Wettbewerbe
Zum ersten Mal seit 2008 kehren Baseball (für die Männer) und Softball (für die Frauen) ins olympische Programm zurück. Aus Deutschland konnte sich kein Team qualifizieren, favorisiert sind in beiden Wettbewerben die Mannschaften aus den USA.
Ein zweiter Schwerpunkt neben der Erschließung neuer Zielgruppen war es, Männern und Frauen gemeinsame Wettkämpfe zu ermöglichen. Unter den 33 hinzugefügten einzelnen Wettkämpfen im Vergleich zu den Spielen von Rio sind neue Mixed-Staffeln im Schwimmen oder der Leichtathletik, ein Mixed-Doppel im Tischtennis sowie Mixed-Mannschaftskämpfe im Bogenschießen, Judo oder auch Triathlon.
Kompetitiver Wettbewerb oder Sport als Lifestyle?
Auch BMX-Freestyle gibt sein Debüt in Tokio. Bisher wurden mit den kleinen, agilen Rädern nur Rennen gefahren, nun geht es erstmals auch um Tricks. Lara Lessmann fliegt mit Medaillenambitionen nach Tokio. Die Berlinerin gehört zur absoluten Elite der Szene, konnte sich nach einer Verletzung bei der WM im Juni jedoch nicht perfekt vorbereiten.
Neben der olympischen Erstaufführung verbindet die Skate-, Surf- und Freestyle-Szene noch etwas: die Diskussion. Die Diskussion darüber, ihren freiheitspredigenden Lebensstil ins olympische Regelkorsett pressen zu lassen. Bei den olympischen Skateboard-Wettkämpfen herrscht beispielsweise eine Kleiderordnung, die Athletinnen und Athleten tragen Outfits, die ihr Land repräsentieren. In jedem anderen Skateboard-Wettbewerb unvorstellbar.
Rebecca Gruhn, die zweite Frau im deutschen BMX-Freestyle-Kader, begrüßt die neue Bühne. "Es wirkt alles etwas offizieller. Durch Olympia steigt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, das bedeutet auch ein größeres Interesse der Sponsoren." In ihrem Heimatort Stendal wurde 2020 ein neuer Skatepark eröffnet. "Ich glaube, der wäre ohne die Olympia-Aufnahme nicht entstanden.", so die 29-Jährige. So hat der IOC-Beschluss bereits jetzt etwas Positives für den sportlichen Nachwuchs bewirkt. Völlig egal, ob der nun einschaltet oder nicht.
Quelle: ntv.de