Gut frisiert, noch besser gespielt Reus und Schürrle machen Spaß
24.06.2012, 10:27 Uhr
Marco Reus und Andre Schürrle konnten sich gegen die Griechen für weitere Auftritte empfehlen.
(Foto: picture alliance / dpa)
EM-Debüt mit einem Traumtor aus Versehen, dazu eine schönere Frisur als Mario Gomez und die forsche Ansage: Der EM-Titel geht nur über uns. Marco Reus und Andre Schürrle nutzen gegen Griechenland ihre Chance in der Startelf. Im jüngsten deutschen EM-Kader aller Zeiten steht die dribbelwütige Flügelzange für eine neue Spielergeneration.
Die Fragestellerin schaffte, was der griechischen Betonabwehr nicht gelungen war. Sie brachte Marco Reus aus dem Konzept. "Herr Reus, hat Ihnen schon jemand gesagt, dass Ihre Frisur viel schöner ist als die von Mario Gomez?" Die Reaktion von Herrn Reus ließ darauf schließen, dass ihm das noch niemand gesagt hatte. Erst recht nicht vor 150 Journalisten, die sich nach dem phasenweisen Rausch beim 4:2-Viertelfinalerfolg des DFB-Teams über die Granit-Griechen Erhellendes zum Thema Fußball erwarteten, nicht zum Thema Frisuren. Obwohl das deutsche Team auf dem Platz eigentlich schon alle Antworten gegeben hatte.
Also schwieg Marco Reus verlegen. Und Andre Schürrle feixte. Normalerweise laufen DFB-Pressekonferenzen mit zwei Spielern so, dass sie sich nacheinander den Fragen stellen. Nicht bei Deutschlands dribbelwütiger Flügelzange. "Sie sind ja bei uns fast zwei siamesische Zwillinge. Von daher war es eigentlich auch logisch, dass sie zusammen kommen", hatte Pressechef Harald Stenger die Runde mit den beiden "sehr guten Freunden" (Schürrle) eingeleitet. Und durfte sich anschließend ein wenig wie die griechische Abwehr fühlen, während sich das Duo vergnügt die Bälle hin und her spielte.
Traumtor aus Versehen
Kostprobe, eine Frage an beide: "Wie würden sie Jogi Löw als Trainer beschreiben?" Antwort Schürrle: "Als sehr guten Trainer natürlich. Wir bereiten uns sehr gut auf die Spiele vor. Er hat einen genauen Plan, wie wir spielen wollen, eine genaue Philosophie. Er arbeitet sehr akribisch, man überlässt hier nichts dem Zufall. Es macht einfachen riesigen Spaß." Antwort Reus: "Super gesagt, Andre!"
Reus und Schürrle hatten Spaß, schon wieder. Wie schon am Freitagabend, als sie der Bundestrainer im Viertelfinale gegen Griechenland überraschend in die Startelf gestellt hatte, nachdem sie in der Vorrunde noch die Ersatzbank bespaßen mussten. Löws hochkarätige Edelreservisten zahlten das Vertrauen spielerisch zurück, Reus sogar mit einem Traumtor – aber nur aus Versehen, wie er hinterher behauptete.
"Ich hab gedacht, auf der Linie wäre noch ein Spieler von Griechenland. Da blieb mir für mich aus meiner Situation nichts anderes übrig als einfach draufzuhauen", erklärte Reus seinen Volleyhammer zum 4:1. Er hätte den Ball einfach ins leere Tor hätte schieben können, aber er schoss so kräftig, dass er sich kurzzeitig einen Wadenkrampf zuzog.
Chance bekommen, Chance genutzt

Die Aussortierten: Rutschen Müller, Podolski und Gomez im Halbfinale wohl wieder in die Startelf?
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"Ruhig frech spielen, sich was trauen, wie in der Bundesliga" - so habe ihn Löw in sein EM-Debüt geschickt. Reus tat genau das, sorgte in der ersten Halbzeit mit mehreren vergebenen Chancen aber auch für einen Wutausbruch beim Bundestrainer – und zählte am Ende trotzdem zu den besten Deutschen. "Ich habe mich geärgert. Wichtig ist, dass man weiter positiv denkt. Umso schöner, dass ich noch ein Tor gemacht habe."
Auch Schürrle war trotz seines Fehlers vor dem 1:1 zufrieden mit sich: "Ich denke, insgesamt war das ganz ordentlich. Ein, zwei leichte Ballverluste hatte ich, ganz klar. Da versuche ich mich natürlich zu verbessern." Chance bekommen, Chance genutzt, so sahen das die Experten und auch die beiden Jungstars.
Im jüngsten deutschen EM-Team stehen die beiden Flügelspieler wie Mario Götze und Lars Bender für eine neue Spielergeneration, die den ebenfalls noch jungen, aber schon Etablierten wie Lukas Podolski und Thomas Müller Druck macht. Positiven Konkurrenzdruck. "Man kann schon ein bisschen davon reden, dass es noch einmal eine andere Generation ist, die ganz Jungen, die jetzt nach oben kommen", sagte Schürrle: "Ich denke, das tut der Mannschaft gut, frischer Wind und die erfahrenen Spieler. Ich denke, die Mischung passt ganz gut bei uns."
Ansprüche, auch im EM-Halbfinale in der Startelf zu stehen, stellten beide nicht. Wichtig sei immer noch die Mannschaft, nicht der Einzelne. Gerade die Chancen von Reus scheinen aufgrund der seltsamen Lethargie von WM-Torschützenkönig Thomas Müller trotzdem gut, zumal er extrem vielseitig ist. Reus kann alle offensiven Mittelfeldpositionen spielen, wechselte gegen Griechenland häufiger in die Mitte. Und auch im Sturm ist er eine Option für Löw, wie der Bundestrainer vor dem Turnierstart andeutete. Und Reus? Überlässt das Lob anderen.
"Der Titel geht nur über uns"
"Ich sehe einfach keinen Grund, wenn man ein gutes Spiel gemacht hat, dass man dann euphorisch reden sollte, oder arrogant", sagte Reus trotz seines starken Auftritts in Danzig: "Ich weiß das alles ganz gut einzuschätzen, ich weiß dass ich mich noch in etlichen Dingen verbessern kann. Mich freut es einfach, dass ich auf dem Platz stehen kann. Das hat mir sehr gutgetan."
Selbstbewusst äußerten sich Schürrle und Reus zur Favoritenrolle bei dieser EM. "Es ist ganz klar unser Ziel ins Finale zu kommen und dann auch den Pott zu holen", betonte Schürrle nach dem vierten Sieg im vierten EM-Spiel. Und Reus stellte gleich zweimal fest: "Ich glaube, der Europameistertitel geht nur über uns. Wir freuen uns auf das Halbfinale!" Ob dort Italien oder England wartet? Egal.
Und die Frisurenfrage hat Marco Reus auch noch beantwortet. "Ich versuche natürlich, das Beste aus mir rauszuholen." Gelächter, Beifall. "Ich will natürlich nichts Falsches sagen. Wir wissen alle, dass Mario auch eine schöne Frisur hat." Pause. "Aber wie Sie schon gesagt haben: Über meine Frisur geht nichts." Lange lässt sich Marco Reus nicht aus dem Konzept bringen.
Quelle: ntv.de