Schnelle Hilfe, harter Sparkurs 80 Milliarden Euro für Portugal
08.04.2011, 19:45 UhrIn der Schuldenkrise drückt die EU aufs Tempo. Im Schnellverfahren bringen die Minister ein Hilfspaket für Portugal auf den Weg. Das Land muss aber noch stärker sparen als bisher geplant. Weitere politische Spannungen sind da programmiert.

Der Mann mit dem Antrag: Olli Rehn bestätigt in Gödöllö das offizielle Hilfsersuchen der Portugiesen.
(Foto: AP)
Das von der Pleite bedrohte Portugal kann mit einem Rettungspaket von etwa 80 Mrd. Euro rechnen. Das erste Geld könnte schon vor den Neuwahlen Anfang Juni fließen. Nur wenige Stunden nach dem offiziellen Hilferuf aus Lissabon setzte die EU das Hilfsverfahren für das gebeutelte Land in Gang.
Das Hilfspaket solle am 16. Mai offiziell geschnürt werden, kündigte EU-Währungskommissar Olli Rehn im ungarischen Gödöllö an. Zahlungen wären dann innerhalb von zehn Tagen möglich, wie der Direktor des Rettungsfonds EFSF, Klaus Regling, sagte.
IWF wieder mit im Boot
Der genaue Bedarf steht noch nicht fest. Rehn geht nach einer vorläufigen Schätzung von einer Größenordnung von etwa 80 Mrd. Euro aus. Die Europäer werden nach bewährtem Muster rund zwei Drittel der Last - also rund 54 Mrd. Euro - stemmen, der Internationale Währungsfonds (IWF) das restliche Drittel.
Die EU-Finanzminister starteten das Hilfsverfahren für Lissabon während ihres informellen Treffens in der Nähe von Budapest. In der Nacht zuvor hatte Portugal das Hilfsersuchen förmlich bei der EU-Kommission in Brüssel eingereicht.
"Politische" Sondersituation
"Die Minister haben den Antrag Portugals auf Finanzhilfe bestätigt", sagte Juncker. Nun müssen die EU-Kommission, der IWF sowie die Europäische Zentralbank (EZB) und Portugal das Hilfsprogramm aufsetzen. Dazu werden bald Experten aller Institutionen nach Lissabon reisen.
Für eine Besonderheit im Verfahren sorgt die Regierungskrise in Portugal, wo Ministerpräsident José Socrates zurückgetreten war, weil sein jüngstes Sparpaket von der Opposition zu Fall gebracht wurde. Die Neuwahl des Parlaments ist für den 5. Juni vorgesehen.
Härtere Auflagen
Die EU bittet daher ausdrücklich alle politischen Kräfte in Portugal an den Tisch. "Es ist wichtig, dass in Portugal eine parteiübergreifende Vereinbarung gefunden wird, damit gewährleistet wird, dass das Programm im Mai verabschiedet werden kann", sagte Rehn. Ausgangspunkt soll das alte, bereits sehr strikte Sparprogramm vom März sein.
Die neuen Auflagen sollen noch härter werden. Neben der Konsolidierung der Staatsfinanzen kommen auf Portugal strukturelle Reformen zu, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt. Zusätzlich wird Lissabon ausdrücklich aufgefordert, nach dem Vorbild Griechenlands Staatsbesitz zu versilbern.
Hilfe auf den letzten Drücker?
Portugals Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos sagte: "Ich bin sicher, dass wir die Hilfe erhalten. Portugal wird in der Lage sein, seine Verpflichtungen zu erfüllen." Sein belgischer Amtskollege Didier Reynders kritisierte, der Antrag aus Lissabon sei reichlich spät gekommen sei. "Mehrere von uns (Finanzministern) haben in den vergangenen Monaten gesagt, dass Portugal das Gesuch stellen solle."
Portugal wird als drittes Land der Europäischen Union - nach Griechenland und Irland - an den Finanztropf kommen. Irland wird von einer Bankenkrise erschüttert und nimmt 85 Mrd. Euro Finanzhilfe von der EU und dem IWF in Anspruch. Griechenland hatte bereits vor der Bildung des EU-Rettungsfonds EFSF von einem Extra-Paket von 110 Mrd. Euro profitiert. EU-Kommissar Rehn zeigte sich zuversichtlich, dass Portugal im April und Mai keine akuten Zahlungsschwierigkeiten bekommt.
Was ist mit Spanien?
Spekulationen an den Finanzmärkten, Portugals großer Nachbar Spanien könnte als nächstes in den Strudel der europäischen Schuldenkrise geraten, sind nach Einschätzung der EU-Kassenhüter unbegründet. "Ich denke nicht, dass es ein großes Risiko gibt", sagte der finnische Ressortchef Jyrki Katainen. "Spanien leistet gute Arbeit - und wenn wir unsere Arbeit im Falle Portugals erledigen, wird das Spanien-Risiko sogar noch kleiner."
Spaniens Finanzministerin Elena Salgado sagte auf die Frage, ob Portugal das letzte Land sei, das Finanzhilfen benötigt: "Natürlich, das denke ich." Die spanische Ökonomie sei hinreichend stark und breit aufgestellt. Die Gefahren der Portugalkrise für den spanischen Bankensektor seien gering. EFSF-Chef Regling sagte: "Die Ansteckungsgefahr ist niedriger als noch vor sechs bis neun Monaten."
Griechenland zwischen Soll und Haben
Ein in den Medien immer wieder diskutierter Schuldenerlass für Griechenland ist nach den Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der EU weiterhin kein Thema. Nach Aussage seines belgischen Kollegen Reynders gibt es dazu auch keinen Anlass. Es gebe einen Hilfsplan für Griechenland, und dieser Plan funktioniere gut. Juncker sagte lediglich, Griechenland sei daran erinnert worden, die zugesagten Defizitziele einzuhalten.
Die Ressortchef debattierten auch über die neue Welle von Stresstests, die Banken auf ihre Krisentauglichkeit hin prüfen sollen. Rehn forderten, Staaten müssten in der Lage, Banken notfalls zu rekapitalisieren, falls dies nötig sein sollte.
Das Ministertreffen wird am Samstag abgeschlossen. Auf den Straßen Budapests wollen Zehntausende Menschen gegen die Sparpolitik der EU-Staaten protestieren.
Euro jubelt
Der Euro ging indes gestärkt aus der ganzen Schuldendebatte hervor. Nach dem Hilfsersuchen Portugals und der schnellen Genehmigung der Hilfen kletterte der Kurs der Gemeinschaftswährung erstmals seit Januar 2010 über die Marke von 1,44 Dollar. Im asiatischen Handel hatte der Euro noch unter der Marke von 1,43 Dollar notiert.
"Das Hilfsgesuch von Portugal an den europäischen Rettungsmechanismus (EFSF) stützt den Euro", sagte Ralf Umlauf, Devisenexperte bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Dies habe auch den Bankensektor in der Eurozone beruhigt. "Zudem haben sich keinerlei Ansteckungseffekte auf Spanien gezeigt." Die Lage am spanischen Anleihemarkt habe sich von Portugal abgekoppelt. Der Dollar werde durch den Haushaltsstreit in den USA zudem etwas belastet, ergänzte Umlauf.
Quelle: ntv.de, bad/dpa/rts