Wirtschaft

Verzweifelte Stewardessen Alptraum chinesischer Fluggast

Die Fluggesellschaft Hainan setzt in ihren Sicherheits-Filmen unter anderem auf in China populäre Animationsfiguren.

Die Fluggesellschaft Hainan setzt in ihren Sicherheits-Filmen unter anderem auf in China populäre Animationsfiguren.

(Foto: Hainan Airlines)

Sicherheitsbestimmungen gelten auch in chinesischen Flugzeugen. Doch wer in ihnen unterwegs ist, bekommt Zweifel. Denn viele chinesische Passagiere ignorieren die Regeln konsequent und erweisen sich als beratungsresistent.

Chinesische Fluggäste können sich als wahrer Alptraum für eine Crew entpuppen. Zum Beispiel hier: Sekunden vor dem Aufsetzen treibt den Passagier ein dringendes Bedürfnis. Er steht auf und nimmt Kurs auf die Bordtoilette. Als zwei Stewardessen ihn entdecken, brüllen sie ihn aus vollem Leib zurück auf seinen Platz. Der Mann hat Glück. Nur Augenblicke nachdem er in seinen Sitz gesunken ist, setzt die Maschine auf.

Stehende Passagiere unmittelbar vor oder nach der Landung sind auf Inlandsflügen keine Seltenheit. Viele erheben sich schon zum Gepäckfach, während das Flugzeug noch mit 200 km/h über den Asphalt rast. Manche Eltern lassen ihre Kinder im Stehen landen, weil die sich beschweren, sie könnten angeschnallt nur schlecht aus dem Fenster schauen. Mitte August verletzten sich 30 Menschen auf einem Inlandsflug mit Hainan Airlines, als starke Turbulenzen im Landeanflug die Maschine auf 4000 Meter Höhe durchschüttelten. Viele Passagiere waren entgegen der Anweisung nicht angeschnallt und wurden aus ihren Sitzen geschleudert.

"Das Verständnis der Passagiere von Flugsicherheit ist bei Weitem nicht ausreichend", klagt eine Sprecherin der Airline. Teil des Problems ist, dass sich viele Gäste von Durchsagen über das Bordmikro gar nicht angesprochen fühlen. Die Bitte, die Telefone erst beim Stillstand der Maschine anzuschalten, geht in chinesischen Flugzeugen üblicherweise im Konzert der Begrüßungstöne hochfahrender Smartphones unter. Kürzlich beschimpfte ein Passagier mehrere Flugbegleiterinnen von China Southern, weil sie ihn vor dem Start aufgefordert hatten, sein Handy auszustellen. Der Mann weigerte sich. Also blieb die Maschine am Boden, wo Sicherheitspersonal den resistenten Smartphone-Nutzer in Gewahrsam nahmen.

Qualmen auf der Toilette

Nicht einmal das Rauchen wollen sich manche Gäste verbieten lassen. Sie schmuggeln verbotenerweise Streichhölzer im Handgepäck und qualmen auf den Toiletten. Bei einer Zwischenlandung eines umgeleiteten Fliegers der Billig-Airline China United Airlines nutzten fünf Gäste die unverhoffte Pause zu einer Zigarette an der offenen Flugzeugtür. Offenbar hatten sie den Piloten zu einem Zugeständnis gedrängt. Entgegen allen Sicherheitsbedenken gestattete der Pilot eine Ausnahme, wohl auch deshalb, weil er sich nicht traute, den resolut auftretenden Männern deren Forderung auszuschlagen. Die Fluglinie untersuchte den Vorfall und zahlte 23 anderen Gästen, die sich beschwert hatten, eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro.

Auch in anderen Fällen erweisen sich chinesische Besatzungen als wenig streng. Die Flugbegleiter werden von den Unternehmen zwar gedrängt, Sicherheitsbestimmungen strikt einzuhalten. Doch manche Teams haben offenbar schon resigniert. Nicht immer wird geprüft, ob die Anschnallgurte vor der Landung tatsächlich angelegt sind. Manche Flugbegleiter fürchten, sie könnten Gäste verärgern, die sich von einer Stewardess keine Anweisungen geben lassen wollen. Ein anderes Problem ist das rasend schnelle Wachstum der Branche. Allein im vergangenen Jahr drängten 19 neue Passagierlinien auf den chinesischen Markt. Geeignetes Personal zu finden, das die Regeln der Flugsicherheit an Bord mit Bestimmung durchsetzt, ist eine Herausforderung für die Unternehmen.

"Witzige Präsentation"

Um die Kunden für die Situation zu sensibilisieren, haben die Fluggesellschaften ihre sonst so drögen Sicherheitsfilme des Bordprogramms aufgemöbelt. Hainan Airlines setzt auf die legendären Calabash Brüder, die als Animationsfiguren seit den 1980er-Jahren chinesische Kinderherzen erobern. Die sieben Geschwister erleben aufregende Abenteuer mit einer bösen Magierin, während sie ins Flugzeug steigen. Eingesperrt in einer Petroleum-Wunderlampe erklären sie dann, wie man Schwimmwesten richtig anlegt. Alternativ stellen kunstvoll geschminkte Charaktere der Peking-Oper die Verhaltensregeln vor. "Wir glauben, dass die Leute die Regeln einfacher verinnerlichen durch die unterhaltsame und witzige Präsentation", heißt es.

Die Konkurrenz von China Southern schickt Passagiere per Rotoscoping über Berggipfel - jene Technik, die im Musikvideo "Take on me" der Popgruppe A-ha angewendet wurde. Beliebt bei den Produzenten sind auch Kinder, die in China üblicherweise viel Aufmerksamkeit erhalten. Shenzhen Airlines setzt auf Hauptdarsteller im Alter von vier bis acht Jahren, die gekleidet wie Erwachsene deren Verhalten persiflieren. Das Konzept geht vordergründig auf. Die Unternehmen erhalten gutes Feedback von Kunden und in den Medien. Doch Chinas Fluggäste erweisen sich bislang als resistent. "Die Probleme mit ignoranten Passagieren sind hinlänglich bekannt, aber wir haben sie auch durch die neuen Filme bislang nicht gelöst", sagt eine Sprecherin von Shenzhen Airlines.

Wenn es nicht gelingt, die Kunden zu disziplinieren, hat man bei Hainan Airlines immerhin noch eine andere Hoffnung. "Die Leute setzen sich schneller hin, wenn die Filme laufen. Dann ist die Chance größer, dass wir pünktlich abheben."

Quelle: ntv.de

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