Öl-Gigant hat ein Problem Kanada will den WTI loswerden
25.06.2013, 16:20 Uhr
Ein einheitlicher Preis und ein starker Umschlagplatz, dann werden Pipelines in den US-Handelsplatz Cushing überflüssig.
(Foto: REUTERS)
Kanada verfügt über die drittgrößten Ölreserven der Welt. Einen umsatzstarken Handel mit dem Rohstoff gibt es aber nicht. Schuld ist das Fehlen eines einheitlichen Richtpreises. Damit vom Öl-Boom alle profitieren, soll sich das möglichst schnell ändern. Allerdings ist die fehlende Benchmark nur ein "Bremsklotz".
Die Aussichten für Kanadas Öl-Industrie sind glänzend: Das Land verfügt über die drittgrößten Reserven weltweit und eine wachsende Produktion. Was fehlt, ist ein einheitlicher Richtpreis für das kanadische Öl. Der ist unerlässlich für einen umsatzstarken Handel mit Terminkontrakten, den sich sowohl Anleger als auch Fördergesellschaften herbeisehnen.
Erstere wollen mit Terminkontrakten vom kanadischen Öl-Boom profitieren, letztere benötigen die Futures, um sich gegen Preisschwankungen abzusichern. Viele nutzen hierzu Papiere auf die US-Sorte WTI, obwohl sie ihr Risiko damit gar nicht oder nur unzureichend minimieren können. Die bisher angebotenen kanadischen Terminkontrakte basieren auf Preis-Indizes, die miteinander konkurrieren und jeweils nur einen Teil des Handels mit der wichtigsten heimischen Öl-Sorte Western Canada Select (WCS) widerspiegeln.
Kampf um die Benchmark-Krone
"Das Fehlen einer Benchmark hier in Kanada bremst uns ohne Frage aus", sagt Tim Pickering, Chef des Hedgefonds Auspice Capital Advisers. Mit einem einheitlichen Richtpreis würde die Transparenz und gleichzeitig auch das Anleger-Interesse steigen. Ein Öl-Händler betont, für Förderfirmen berge jedes Kurssicherungsgeschäft mit den bisher angebotenen Futures ein Rest-Risiko, weil diese nur einen Teil des WCS-Handels repräsentierten.
Derzeit veröffentlichen die Brokerhäuser Shorcan Energy, Net Energy und One Energy jeweils eigene Preisindizes. Shorcan, eine Tochter des kanadischen Börsenbetreibers TMX, erfasst Brancheninsidern zufolge 60 Prozent des WCS-Handels. Net Energy spiegelt demnach 30 Prozent wider, One Energy neun Prozent.
Daneben veröffentlichen auch Datenanbieter wie Platts oder Argus eigene Preisreihen. Viele Marktteilnehmer setzen aber eher auf Shorcan oder Net Energy, weil sie deren Kurse als repräsentativer betrachten.
Obwohl die Preise dieser beiden Brokerhäuser selten mehr als ein paar Cent auseinander liegen, sind die Investoren vorsichtig und engagieren sich nur in homöopathischen Dosen am WCS-Markt. Von den auf Shorcan-Preisen basierenden Terminkontrakten der US-Derivatebörse IntercontinentalExchange (ICE) wurden seit Jahresbeginn kaum 1000 Stück gehandelt. ICE-Konkurrent und Net-Energy-Partner CME kommt zwar im Schnitt auf knapp 400 ge- und verkaufte WCS-Futures täglich. Umsatzstärke sieht anders aus: Auf die richtungsweisende US-Ölsorte WTI wechseln jeden Tag 620.000 Kontrakte den Besitzer.
"Basis-Risiko" sorgt für Druck
Ein Grund für den wachsenden Druck hin zu einem Einheitspreis ist der Anstieg des sogenannten Basis-Risikos. Dabei handelt es sich im Falle von WCS um die Preisdifferenz zu WTI. Denn in Ermangelung eines eigenen, liquiden Futures weichen viele kanadische Firmen bei ihren Geschäften zur Absicherung von Preisrisiken auf den US-Rohölfuture aus. Dies berge aber die Gefahr, dass Kurssicherungsgeschäfte in Kanada nach hinten losgehen, warnt James Evans von der Scotiabank, die Öl-Förderern derartige, im Börsenjargon "Hedging" genannte Dienstleistungen anbietet.
Dass es sich bei diesem "Basis-Risiko" nicht nur um ein theoretisches, sondern ganz reales handelt, haben die vergangenen zwölf Monate gezeigt. Während dieser Zeit schwankte der sogenannte Spread zwischen WTI und WCS zwischen 8,50 und 44 US-Dollar. Das entspricht ungefähr der Handelsspanne des WTI-Kontraktes in diesem Zeitraum.
Einige Unternehmen wie Cenovus - die Nummer zwei unter den unabhängigen kanadischen Ölförderern - sehen sich daher gezwungen, die Termingeschäfte, mit denen sie ihre Produktion absichern wollen, ihrerseits mit weiteren Hedgings abzusichern. Andere wie MEG Energy werfen gleich das Handtuch. "Die Berechnungen wären zu komplex", erläutert Firmensprecher Brad Bellows.
Mehr und eine entsprechend höhere Liquidität im WCS-Markt könne allzu große Schwankungen bei der Preisdifferenz zwischen WCS und WTI verhindern, sagt Perry Undseth, Chef des Brokers One Energy. Er wirbt für eine Benchmark, in die auch der von seinem Haus ermittelte Kurs einfließt.
Bei Tim Gunn stößt Undseth dabei auf taube Ohren. Der Präsident des Rivalen Net Energy sieht keinen Reformbedarf. Sein Haus hat allerdings bei den Behörden der kanadischen Provinz einen Antrag auf Zulassung als Derivatebörse gestellt. Dies wurde nach Gunns Worten Investoren anlocken, die sich am kanadischen Ölmarkt engagieren wollen.
Es gibt noch mehr "Bremsklötze"
Aber nicht nur Rivalitäten zwischen Brokerhäusern stehen einem einheitlichen kanadischen Ölpreis entgegen, sondern auch handfeste Infrastruktur-Probleme, betont Ölindustrie-Berater Philip Verleger. Damit Kanada sein Öl auf dem Weltmarkt zu wettbewerbsfähigen Preisen verkaufen könne, brauche es Zugang zu den großen Umschlagplätzen wie zum Beispiel Cushing im US-Bundesstaat Oklahoma.
Die Pipelines dorthin sind jedoch häufig ausgebucht und werden von einer Handvoll Firmen kontrolliert. Das schürt unter Öl-Händlern die Befürchtung, dass diese Unternehmen den Markt in die Ecke drängen könnten. Zwar verfügt Kanada mit Hardisty ebenfalls über einen Knotenpunkt mit zahlreichen Speichertanks. Aber hier sorgt die beherrschende Stellung eines Unternehmens dafür, dass Öl-Händler zur zögerlich bestellen: Fast die Hälfte der Lagerkapazität in Hardisty gehört der Firma Endbridge.
"Einen Benchmark-Preis für das Rohöl aus Ölsanden zu etablieren wird schwierig - zumindest bis Kanada das Pipeline-Problem löst", betont Verleger. "Man kann einen Preis schließlich nicht per Anordnung zur Benchmark erklären. Er wird dazu, weil Händler ihn dazu machen."
Quelle: ntv.de, Nia Williams, rts