Wirtschaft

Ryanair-Boss macht sich Sorgen "Brexit-Lager verkauft Lügen"

Sieht Reformbedarf: Michael O'Leary.

Sieht Reformbedarf: Michael O'Leary.

(Foto: AP)

Ryanair-Chef Michael O'Leary hält den Brexit für eine ganz schlechte Idee und wirbt für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er die EU-Kommission für das "Imperium des Bösen" hält. Mit O'Leary sprach n-tv.de über die Folgen eines Brexit, seine Abneigung gegenüber Brüssel und die Flüchtlingskrise.

n-tv.de: Sie sprechen sich vehement für einen Verbleib Großbritanniens in der EU aus. In Umfragen führen die Befürworter eines Brexit. Macht Ihnen der 23. Juni, der Tag des Referendums, Angst?

Michael O'Leary: Nein, das macht mir keine Angst. Aber man muss sich Sorgen machen. Wenn die Briten sich dafür aussprechen, die EU zu verlassen, würde das der britischen Wirtschaft in den nächsten zwei, drei Jahren sehr schaden. Und es würde auch der europäischen Wirtschaft insgesamt schaden. Irgendwann werden wir zwar darüber hinwegkommen und die Welt wird wieder zur Normalität zurückkehren. Aber ein Brexit führt zu weniger Wachstum und dazu, dass weniger Arbeitsplätze entstehen – in Großbritannien und in der ganzen Union.

Auch die Brexit-Befürworter sagen: Wir werden einen Austritt schon überstehen.

Letztlich übersteht man alles. Europa hat zwei Weltkriege überstanden. Das heißt aber nicht, dass wir mit einem Weltkrieg besser dran wären. Das Brexit-Lager wirbt mit der Behauptung, dass Großbritannien die EU verlassen kann und alles irgendwie gleich bleibt. Sie sagen beispielsweise: Wir gehen und verlassen den Binnenmarkt. Und das werden wir dann durch Handelsvereinbarungen mit der EU ersetzen.

Und diese sind kein adäquater Ersatz?

Nein. Die EU hat solche Vereinbarungen mit Russland. Aber wir können trotzdem nicht ohne Einschränkungen nach Russland fliegen. Es gibt keine Low-Cost-Verbindungen zwischen Europa und Russland. Menschen, die nach Russland fliegen wollen, brauchen ein Visum, das rund 120 Euro kostet. Das ist doch nicht dasselbe wie ein Binnenmarkt. Das Brexit-Lager verkauft Lügen. Jedes Wirtschaftsinstitut, jeder Ökonom mit einem Mindestmaß an Reputation sagt: Wenn es einen Exit gibt, werde es mindestens zwei Jahre – wahrscheinlich länger - dauern, um das Prozedere auszuhandeln. Diese Unsicherheit werde nicht nur auf der britischen, sondern auch auf der europäischen Wirtschaft lasten. Ein Brexit hat keine Vorteile. Das Brexit-Lager verkauft einen Traum, den es nicht gibt.

Sie haben die EU-Kommission einmal als "Imperium des Bösen" bezeichnet. Dennoch sind Sie gegen den Brexit.

Ich bin für die Europäische Union und für den Binnenmarkt. Er ist ein wunderbares Mittel, um Veränderungen zum Guten herbeizuführen. Ich verachte allerdings viel von dem, was in Brüssel passiert: die Ineffizienz, die Überregulierung, die Dummheit, die dort herrscht. Das müssen wir reformieren. Die EU muss sich zurücknehmen und wieder ein Binnenmarkt sein. Wenn wir uns darauf konzentrieren, wieder ein Binnenmarkt zu sein, der mehr Wettbewerb, mehr Auswahl für den Konsumenten, Freizügigkeit für Güter und Dienstleistungen fördert, dann ist das im Interesse von jedem EU-Bürger. Was die Bevölkerung in den meisten Ländern nicht will, ist mehr politische Integration. Und genau diese Idee kommt aus Brüssel. Dort heißt es: Wir brauchen mehr Kommissare, wir brauchen mehr dämliche Regulierungen. Nein, wir brauchen im Gegenteil weniger Regulierungen. Wir sollten für die EU sein, aber absolut gegen das meiste, was aus Brüssel kommt.

In der Berliner U-Bahn hörte ich ein Gespräch über den Brexit. Das Fazit: Billigfluggesellschaften haben mehr für die europäische Integration geleistet als der Euro. Das ist mal eine Ansage.

Ja. Der Euro ist im Gegensatz zu Ryanair nicht in jedem Land Europas. Ryanair ist eine europäische Erfolgsgeschichte und hat mehr für das Zusammenwachsen Europas getan als fast alles andere. Aber man muss zugleich zugeben, dass es ohne europaweite Deregulierung – und dem Abschaffen der Monopole von Fluggesellschaften – Ryanair nicht geben würde. Und das zeigt: Als die EU ein Binnenmarkt war, war sie am besten.

Nicht nur in Großbritannien nimmt die EU-Skepsis zu. Gerade für den Chef einer international operierenden Fluggesellschaft dürfte das sehr unerfreulich sein.

Das ist eine Herausforderung für uns alle. Die Europäische Union und vor allem die EU-Kommission hat den Reformeifer verloren, den sie einst hatte. Als Peter Sutherland Wettbewerbskommissar war, hieß es: Wie dereguliere ich? Wie senke ich Flugpreise? Dahin muss die Kommission zurück. In vielen Ländern werden weit rechts stehendende Parteien stärker, weil wir durch nicht gewählte Vertreter in Brüssel regiert werden. Dazu gelingt es Brüssel nicht, zu zeigen, in welcher Weise die EU das Leben der Bürger in Europa verbessert. Und dann die wirre Antwort auf die Flüchtlingskrise, die im Grunde gar keine Antwort ist. Bisher wurde kein vernünftiger Versuch unternommen, das Problem zu lösen.

Wie könnte der aussehen?

Ein Großteil der Flüchtlinge sind keine Syrer, sondern Wirtschaftsflüchtlinge aus anderen Ländern. Sie müssen zurückgeschickt werden. Wer aus Afghanistan kommt, ist ein Migrant aus ökonomischen Gründen. Wer die Fähigkeiten hat, die ein Land in Europa braucht, soll willkommen geheißen werden – aber auf einer zu bewältigenden Grundlage.

Mit Michael O'Leary sprach Jan Gänger

Quelle: ntv.de

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