Von Klinikbauten bis Knastessen Britischer Dienstleistungsriese ist pleite
15.01.2018, 16:00 Uhr
Baustopp: Zu Carillions großen Bauprojekten gehörte zuletzt der Neubau des Midland Metropolitan Hospitals mit geplanten 670 Betten nahe Brigmingham.
(Foto: REUTERS)
Carillion ist ein privater Konzern, doch er übernahm vom britischen Staat bislang viele Dienste: von der Verpflegung in Gefängnissen und Schulen bis zu Reinigung in Krankenhäusern. Nun ist Carillion pleite und die Regierung blamiert.
Die Pleite des Dienstleistungsriesen Carillion schockt Großbritannien. Der private Konzern ist nicht nur an Hunderten öffentlichen Bauprojekten beteiligt, sondern versorgt auch bislang unter anderem Hunderte Schulen, Krankenhäuser und Gefängnisse mit Essen und erbringt Hausmeisterdienstleistungen. Nachdem Verhandlungen mit Banken und der britischen Regierung über eine Übergangsfinanzierung gescheitert waren, beantragte Carillion seine sofortige Zwangsauflösung.
Der Konzern beschäftigt rund 20.000 Menschen in Großbritannien und erzielte 2016 einen Umsatz von 5,2 Milliarden Pfund (damals rund 6,1 Milliarden Euro). Rund einen Drittel seiner Umsätze erzielte Carillion mit Regierungsaufträgen.
Mit der Insolvenz und Zwangsauflösung von Carillion stehen nicht nur die Arbeitsplätze auf dem Spiel. Mit der Vergabe Tausender öffentlicher Aufträge hat sich auch die britische Regierung in vielen Bereichen von den Dienstleistungen des Konzerns weitgehend abhängig gemacht. Unter anderem ist das Unternehmen der größte private Partner des Nationalen Gesundheitssystems, von Krankenhausneubauten, über Immobilienmanagement und Reinigungsdienstleistungen bis hin zur Essensversorgung der Patienten.
Für öffentliche Schulen lieferte Carillion bislang täglich mehr als 32.000 Schulessen aus. In 875 Schulen ist das Unternehmen für die Hausmeister-Dienstleistungen verantwortlich. Auch für die staatliche Eisenbahn-Netzgesellschaft ist Carillion der größte Baudienstleister. Erst im vergangenen Sommer hatte das Unternehmen einen Großauftrag, an einer neuen Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke mitzubauen.
Weitere Aufträge trotz Finanzproblemen
Die Regierung werde nach der Insolvenz weiterhin alle öffentlichen Dienstleistungen aufrecht erhalten, teilte Premier Theresa Mays Kabinettschef David Lidington mit. Ob und wann die Aufträge an andere Unternehmen vergeben werden, ist derzeit unklar, ebenso was dann mit den Angestellten passiert. "Es ist bedauerlich, dass Carillion nicht in der Lage war, passende Lösungen mit seinen Gläubigern zu erzielen", sagte er. "Aber von den Steuerzahlern kann nicht erwartet werden, eine private Firma zu retten."
Gewerkschafter, Oppositionspolitiker und Wirtschaftsexperten in Großbritannien sprachen nach dem Ende von Carillion von einem Skandal. Der "Independent" zitierte die Finanzmarktanalystin Fiona Cinotta von City Index mit den Worten, es handle sich um "eine weitere riesige Blamage für die britische Regierung". Offenbar seien im Konzern keinerlei Werte mehr vorhanden gewesen, die im Rahmen eines Sanierungsverfahrens hätten verkauft werden können.
Mehrere Kommentatoren kritisierten, dass die Regierung immer weitere Aufträge an Carillion vergeben hätte, obwohl die finanziellen Probleme bekannt gewesen seien. Der Chef der Liberaldemokraten, Vince Cable, forderte eine parlamentarische Untersuchung.
Die Generalsekretärin des britischen Gewerkschaftsverbands TUC gab ebenfalls der Regierung eine Mitschuld an der Pleite und nannte sie ein "Schulbuch-Beispiel für das Scheitern von Privatisierung und Outsourcing." Sie forderte die Regierung auf, die bislang von Carillion erbrachten Dienstleistung wieder dauerhaft selbst zu übernehmen.
Zu schaffen macht die Insolvenz auch zahlreichen britischen Banken, die auf mehr als umgerechnet einer Milliarde Euro Krediten sitzen bleiben, die sie Carillion gegeben hatten.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/DJ