Mit sofortiger Wirkung CNN-Chef muss nach Trump-Sendung gehen
07.06.2023, 17:57 Uhr Artikel anhören
War nur vergleichsweise kurz auf seinem Posten: Chris Licht.
(Foto: dpa)
Ein Bürgergespräch mit Donald Trump, das CNN im Mai überträgt, läuft völlig aus dem Ruder. Der aussichtsreichste Kandidat der Republikaner für die Präsidentschaftskandidatur verbreitet Falschbehauptungen und beleidigt die Moderatorin. Nun wird Sender-Chef Chris Licht gefeuert.
CNN-Chef Chris Licht verlässt nach Kritik wegen eines Trump-Interviews das Unternehmen. Die CNN-Muttergesellschaft Warner Bros. Discovery teilte mit, Licht gehe mit sofortiger Wirkung. Ein Nachfolger werde derzeit gesucht, in der Zwischenzeit werde der US-Nachrichtensender vorübergehend von einem Team geführt.
Erst vergangene Woche hatte das Magazin "Atlantic" einen kritischen Bericht über Licht veröffentlicht. Ihm wurde vor allem vorgeworfen, dass CNN am 10. Mai eine Sendung mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump im Programm hatte. Bei dem Bürgergespräch hatte Trump falsche Behauptungen über seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2020 geäußert, angekündigt, viele Beteiligte des Sturms auf das Kapitol vom 6. Januar 2021 zu begnadigen, und die CNN-Moderatorin Kaitlan Collins, die immer wieder kritisch nachhakte, als "ekelhafte Person" bezeichnet.
Bereits kurz nach Ausstrahlung der Sendung twitterte der bekannte Politikwissenschaftler Larry Sabato, diejenigen, die vorausgesagt haben, dass die Townhall-Veranstaltung eine "Pro-Trump-Katastrophe" werde, hätten recht behalten. Sabato forderte von CNN eine "detaillierte Erklärung" zur Auswahl des Publikums, das Trumps Äußerungen mit viel Applaus, Jubel und Lachern bedacht hatte. CNN gab an, registrierte Republikaner und unabhängige Wähler, die bei den Republikaner-Vorwahlen abstimmen wollen, eingeladen zu haben.
"Das war Wahnsinn, absoluter Wahnsinn"
"Ich kann nicht glauben, dass CNN es getan hat", twitterte der Kongressabgeordnete Jared Huffman von der Demokratischen Partei. "Sie haben nichts gelernt." Der Medienexperte Mark Lukasiewicz schrieb auf Twitter, das "vorhersehbar katastrophale Bürgergespräch auf CNN war in der Tat katastrophal". Trump habe mit der Geschwindigkeit eines halbautomatischen Gewehrs Lügen verbreitet, CNN-Moderatorin Collins sei machtlos gewesen. "Das war Wahnsinn, absoluter Wahnsinn", schrieb der Journalist und Medien-Analyst Bill Carter. "Wie einem betrunkenen Onkel ein Mikrofon zu geben und zu sagen: leg los!"
Selbst Mitarbeiter von CNN übten scharfe Kritik. "Es ist schwer zu sehen, inwiefern Amerika durch dieses von CNN am Mittwochabend ausgestrahlte Lügenspektakel ein Dienst erwiesen wurde", schrieb CNN-Medienjournalist Oliver Darcy. CNN-Starmoderator Jake Tapper hatte direkt nach dem Bürgergespräch eingeräumt: "Wir haben nicht die Zeit, alle seine Lügen zu überprüfen."
Trump und CNN hatten über Jahre ein höchst angespanntes Verhältnis. Trump bezichtigte den äußerst kritisch über ihn berichtenden Nachrichtensender immer wieder der Verbreitung von "Fake News". Das Bürgergespräch in Manchester im Bundesstaat New Hampshire war sein erster Auftritt bei CNN seit sieben Jahren.
Plattform für Falschbehauptungen
Licht hatte den CNN-Spitzenposten im Mai 2022 vom langjährigen Chef Jeff Zucker übernommen, der wegen einer Beziehung mit einer Kollegin gehen musste. In seiner Zeit sind die Zustimmungsraten für CNN gesunken, obwohl sich Licht darum bemüht hatte, den Sender attraktiver auch für republikanische Zuschauer zu machen. Unter ihm nahm dann der unter schlechten Quoten leidende Sender in Kauf, Trump eine Plattform für seine Falschbehauptungen zu bieten.
Das Bürgergespräch macht laut Experten deutlich, wie schwierig für Medien der Umgang mit Trump ist. Der 76-Jährige ist der mit Abstand führende Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner 2024, was ein journalistisches Interesse an seinen Aussagen rechtfertigt. Zugleich ist der Rechtspopulist für die Verbreitung von Lügen, irreführenden Behauptungen und Hassrede bekannt.
"Ich habe großen Respekt vor Chris, persönlich und auf professioneller Ebene", sagte WBO-Chef David Zaslav. "Es war klar, dass es nicht leicht werden dürfte, CNN zu führen, insbesondere während einer Zeit mit Verwerfungen und Transformationen, und er hat den Job mit ganzem Herzen gemacht." Ein konkreter Kündigungsgrund ist nicht bekannt. In einer Meldung auf der Website von CNN hieß es, dass die kurze Amtszeit von Licht von einer Reihe schwerwiegender Fehltritte belastet war. Das Jahr unter ihm sei von Entlassungen, historisch niedrigen Einschaltquoten und einem Tiefpunkt der Arbeitsmoral der Mitarbeitenden geprägt gewesen.
Quelle: ntv.de, fzö/rts/AFP