Wirtschaft

"So sind die Regeln" Commerzbank lässt Staat warten

Neue Umgebung, kleine Besetzung: Die Commerzbank gibt ihrer Bilanz-PK einen neuen Rahmen.

Neue Umgebung, kleine Besetzung: Die Commerzbank gibt ihrer Bilanz-PK einen neuen Rahmen.

(Foto: REUTERS)

Die Commerzbank schließt das Jahr mit einem Milliardenüberschuss ab, aber der Steuerzahler hat davon erst mal nichts. Auf Grund bilanzierungsrechtlicher Besonderheiten kann das staatlich gestützte Institut dem Bund nichts zurückzahlen. "Wir haben keine Gestaltungstricks eingearbeitet, aber so ist es nun mal", verteidigt sich Bankchef Blessing.

Hoch oben in der Commerzbank-Zentrale über den Dächern von Frankfurt präsentierte die Commerzbank diesmal die Bilanz. "Hier oben hat man eine bessere Aussicht und einen guten Überblick, das kann ja nicht schaden bei einer Pressekonferenz", sagte Richard Lips. Und Commerzbank-Vorstandschef Martin Blessing pflichtete seinem Pressechef bei: "Mir gefällt es hier, nicht so düster wie unten im Atrium - das passt gut zur Bilanz." Was aber, vermutlich unfreiwillig, ebenfalls passte, war die Tatsache, dass man den Ausblick gar nicht genießen konnte, die Jalousien wurden geschlossen. Wie in den Zahlen: Die Aussichten sind offenbar gut, leider können das vor allem die Steuerzahler nicht auf einen Blick erkennen.

Denn die staatlich gestützte Commerzbank hat das Jahr 2010 zwar mit einem Überschuss von 1,4 Mrd. Euro abgeschlossen, der Bund hat davon allerdings erst mal nichts. Denn für das vergangene Jahr kann das Institut keine Zinsen auf die Stille Einlage des Staates in Höhe von 16,2 Mrd. Euro zahlen. Grund ist, dass sich der Milliarden-Überschuss nur nach den internationalen Bilanzstandard IFRS ergibt. Aber laut dem für die Zinszahlung maßgeblichen Abschluss nach dem deutschen Handels-Gesetzbuch (HGB) verbucht die Bank einen Verlust von 1,2 Mrd. Euro. Die Abschreibung von 1,9 Mrd. Euro auf den Buchwert der schwächelnden Tochter Eurohypo sorgt für den eklatanten Unterschied. Der angeschlagenen Immobilienfinanzierer muss kräftig schrumpfen, damit er sich bis 2014 verkaufen lässt, wie die EU es vorgegeben hat.

Keine Tricks, kein doppelter Boden

An Bilanzierungsregeln gebunden: Martin Blessing

An Bilanzierungsregeln gebunden: Martin Blessing

(Foto: dpa)

Dass diese Ankündigung für politische Irritationen sorgte, war für Blessing, der sich das Podium nur mit Pressechef Lips und Finanzvorstand Eric Strutz teilte, keine Überraschung. "Selbst als Vorstandschef muss man sich lange in die Thematik einarbeiten, um sie zu verstehen", antwortete der Commerzbank-Chef auf entsprechende Nachfragen. "Wir haben keine Gestaltungstricks zu Lasten des Steuerzahlers gemacht. Wir machen das ganz klar nach den Regeln. Es ist halt nun so wie es ist, ich kann es auch nicht ändern", betonte Blessing. Ist eine HGB-Bilanz negativ, darf ein Unternehmen keine Zinsen auf Stille Einlagen zahlen.

"Es ist aber unser Anspruch, die Stillen Einlagen des Bankenrettungsfonds Soffin für 2011 zu bedienen oder umgangssprachlich zu 'verzinsen'", betonte Blessing. Für 2010 entgehen dem Staat allerdings Zinszahlungen in Höhe von rund 1,5 Mrd. Euro. Das nachträgliche Zahlen von Zinsen für ausgefallene Jahre sei in der Rechtskonstruktion der Stillen Einlage nicht machbar, erklärte der Konzernlenker und reichte ein Beispiel dazu: "Eine ausgefallene Dividende wird auch nicht nachgeholt."

"Wir wollen die Stillen Einlagen des Soffin in diesem Jahr um einen signifikanten Betrag zurückführen", betonte Blessing und präzisierte im selben Atemzug: "Signifikant ist für mich alles, was über zehn Prozent liegt." Am Markt wurde diese Zahl mit Enttäuschung aufgenommen. Zudem wird sich der Bund wohl noch etwas gedulden müssen. Finanzchef Strutz ließ durchblicken, dass eine umfangreiche Kapitalerhöhung nicht vor der Hauptversammlung am 18. Mai zu erwarten ist. Er gehe nicht von einer vorgezogenen "außerordentlichen Hauptversammlung" aus, so der Manager. Der Gesetzgeber räumt seit Jahresbeginn die Möglichkeit ein, das Kapital in einem Schritt um mehr als 50 Prozent zu erhöhen. Die Commerzbank benötigt dafür jedoch einen Mehrheitsbeschluss auf der Hauptversammlung.

Bunte Blumen und hehre Ziele

Der Bankchef lässt auch Blumen sprechen.

Der Bankchef lässt auch Blumen sprechen.

(Foto: REUTERS)

Blessing betonte, es gebe etliche Möglichkeiten, die Rückzahlung der Staatshilfen zu finanzieren. Denkbar sei eine Kombination aus Kapitalerhöhung, einbehaltenen Gewinnen, Abbau von risikogewichteten Aktiva oder dem Verkauf von Unternehmensteilen. Ob er einer Maßnahme dabei den Vorzug gibt, mochte der Manager nicht sagen: "Es ist doch schwierig zu sagen, welche Blume die wichtigste in einem Strauß ist, erst durch die Zusammenstellung wird der Strauß richtig hübsch."

Eine Dividende für 2010 hält Blessing für eher unwahrscheinlich. "Unser erstes Ziel muss sein, unsere Gewinnziele zu erreichen und genügend Gewinn auch nach HGB zu verbuchen, um Bund und Hybrid-Gläubiger zu bedienen." Im laufenden Jahr will die Commerzbank operativ mehr als vier Mrd. Euro verdienen. Und für die Zeit danach habe man sich weitere deutliche Ergebnissteigerungen vorgenommen, hieß es weiter.

Ein Zeichen der Loyalität

Auch beim zweiten Topthema Bonuszahlungen äußerte Blessing Verständnis für die Missstimmungen, rückte von den Maßnahmen aber nicht ab. "Wir verstehen die öffentliche Diskussion über üppige Bonuszahlungen für eine kleine Gruppe von Großverdienern", so der 47-Jährige. "Aber darum geht es hier nicht. Mit den variablen Zahlungen honorieren wir den außerordentlichen persönlichen Einsatz von mehr als 50.000 Mitarbeitern."

Der Konzern schüttet für 2010 nach eigenen Angaben etwa 440 Mio. Euro an die Mitarbeiter aus. Damit soll die Belegschaft für ihren Einsatz bei der Integration der Dresdner Bank belohnt werden. Das Bundesfinanzministerium hatte erklärt, die Bonuszahlungen seien rechtlich nicht zu beanstanden und entsprächen den entsprechenden Vergütungsregelungen.

Integration unterschätzt

Mertin Blessing: Gegen die Frauenquote, für ein ureigenes ökonomisches Interesse

Mertin Blessing: Gegen die Frauenquote, für ein ureigenes ökonomisches Interesse

(Foto: REUTERS)

Mit dem Aushängeschild der Commerzbank, dem Geschäft mit dem Mittelstand, das mit 1,5 Mrd. Euro so gut abschnitt wie noch nie, zeigte sich der Vorstand zufrieden. Beim Privatkundengeschäft musste Blessing jedoch Probleme einräumen. "Wir haben die Komplexität des Zusammenführens der Commerzbank mit der Dresdner Bank einen Tick unterschätzt", musste Blessing zugeben."Gerade im Vertrieb waren wir mehr mit uns selber als mit den Kunden beschäftigt." Trotz eines Bestands von elf Mio. Kunden warf das Privatkundengeschäft 2010 nur 48 Mio. Euro ab, im vierten Quartal rutschte es in die roten Zahlen.

Wurde bei diesem Thema der Vorstand des Privatkundengeschäfts vermisst, warf die kleine Besetzung auf dem Podium auch eine andere Frage auf. Und zwar die nach der Frauenquote im Vorstand. "Wir müssen Voraussetzungen für Frauen in Führungspositionen schaffen", räumte Blessing ein. Zwar würden mittlerweile zu 52 Prozent Frauen eingestellt, aber die Quote breche auf den Hierarchie-Ebenen ab. Um das Thema zu fördern, denke man darüber nach, einige Karriere-Kriterien zu ändern. So würde bei Beförderungsgesprächen immer die Frage nach der Mobilität gestellt - doch als "bundesweit mobil" würden sich nur die wenigsten Frauen beschreiben. Solche Sachen müssten als Kriterium rausfallen, stellte Blessing fest. "Wir haben ein ureigenstes ökonomisches Interesse daran, Frauen zu fördern, weil wir die Führungskräfte brauchen", betonte der Manager. "Wann die erste Frau hier auf dem Podium sitzt, weiß ich nicht, das entscheidet der Aufsichtsrat", schloss Blessing und lavierte sich damit ungleich geschickter aus der Frage heraus, als sein Branchenkollege Josef Ackermann, der bei der Bilanz-PK der Deutschen Bank mit seiner Äußerung, Frauen würden das Podium bunter und in diesem Sinne schöner machen, für Kritik gesorgt hatte.

Es soll spannend bleiben

Ebenso wenig wie zu den anstehenden Kapitalerhöhungsmaßnahmen mochte sich Martin Blessing zu seiner Zukunft bei der Commerzbank äußern. Auch hier würde er gerne den Spannungsbogen halten, sagte der Manager. Es laufe aber alles seinen gewohnten, routinierten Gang. Medienberichten zufolge soll der Vertrag Blessings, der im Oktober ausläuft, verlängert werden. Unklar sei aber, für wie lange.

Und so blieben einige Punkte offen, als die Jalousien wieder hochgezogen wurden, damit der versprochene schöne Ausblick genossen werden konnten. Bund, Steuerzahler und Kunden müssen weiter warten, ob sich ihre Aussichten auch so verbessern.

Quelle: ntv.de

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