Trotz schwieriger Wegstrecke Daimler will weiter Gas geben
13.04.2011, 14:52 Uhr
Dieter Zetsche eröffnet die Hauptversammlung im Zeichen des Jubiläums.
(Foto: dpa)
Es sind gute Nachrichten, die Daimler-Chef Zetsche seinen Aktionären auf der Hauptversammlung überbringt. Nach dem Comeback im Jahr 2010 soll 2012 noch eine "Schippe" draufgelegt werden. Doch eine Daimler-HV wäre nicht vollständig ohne die kritischen Aktionäre.
Nachdem Daimler-Chef Dieter Zetsche seine Aktionäre im Jahr 2009 auf harte Zeiten und möglichen Entlassungen einschwören musste, und im vergangenen Jahr die Kröte gestrichene Dividende geschluckt werden musste, kann er es in diesem Jahr eigentlich ruhig angehen lassen. Der Autokonzern ist gut ins neue Jahr gestartet, das Unternehmen hat mehr Pkw und Lastwagen verkauft als im Vorjahr und Aktionäre können sich über eine Dividende von 1,85 Euro pro Aktie freuen.
Bei seinen ehrgeizigen Wachstumszielen für 2011 will sich Zetsche auch von der Katastrophe in Japan nicht bremsen lassen. "Die Marschrichtung heißt profitables Wachstum", sagte Zetsche auf der Hauptversammlung in Berlin und bestätigte die Prognose für das laufende Jahr. Für 2011 erwartet der Manager ein operatives Ergebnis deutlich über dem Vorjahreswert von 7,3 Mrd. Euro. Auch bei Umsatz (2010: 97,8 Mrd. Euro) und Absatz (2010: 1,9 Mio. Fahrzeuge) rechnet der Konzernlenker mit einem Plus.
Anstand und Sitte

Aber zunächst gab es einige Worte zu den Anstandsregeln von Aufsichtsratschef Manfred Bischoff.
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Bei allen guten Zahlen gehört eine gewisse Spannung in der Luft wohl zu einer Daimler-Hauptversammlung, wie die beiden aktuell schönsten Auto-Modelle, die auf der Bühne rechts und links die Sprecher einrahmen. Und so gibt es vor der Rede von Zetsche noch ein paar mahnende Worte von Aufsichtsratschef Manfred Bischoff: "Wir sollten uns bemühen, auch bei unterschiedlichen Positionen uns gegenseitig zu respektieren. Der Ton untereinander sollte diesem Ziel gerecht werden."
In seiner Rede griff Bischoff nach den Ermahnungen auch gleich ein heißes Eisen an: Das Vergütungssystem. Nach den Einbußen im Vorjahr können die Vorstände der Daimler AG den Aufschwung 2010 auch am eigenen Kontostand ablesen. Der Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche erhielt im vergangenen Jahr mit 8,7 Mio. Euro mehr als doppelt so viel Gehalt wie im Vorjahr.
Heißes Eisen Vergütung
Insgesamt zahlte der Dax-Konzern seinen sechs Vorständen 25 Mio. Euro, eineinhalb mal mehr als ein Jahr zuvor. "Unser Vergütungssystem hat wie gewünscht reagiert", sagte Bischoff. Von den exzellenten Zahlen würden nun alle profitieren, Aktionäre, Mitarbeiter und eben auch der Vorstand. Der Aufsichtsratschef betonte jedoch, dass die Grundvergütung unverändert geblieben sei. "Wir waren halt auf ein Krisenjahr eingestellt. Den Unterschied machen der Aktienkurs und der Erfolgsjahresbonus aus, der am Ebit gemessen wird." Von Mai 2009 bis Ende Juni 2010 hatte der Vorstand auf 15 Prozent des Grundgehalts verzichtet, weil im Zuge der Wirtschaftskrise auch Mitarbeiter Einbußen hinnehmen mussten und in Kurzarbeit geschickt wurden.
Künftig soll bei der Vergütung der Daimler-Vorstände der Jahresbonus, der sich vor allem am operativen Gewinn des Konzerns orientiert, keine so große Rolle mehr spielen. Stattdessen soll die Grundvergütung steigen. Die Aktionäre müssen dem Vorschlag aber noch zustimmen.
"Immense Herausforderungen"
Auch wenn Bischoff vor "immensen Herausforderungen" für den Premiumhersteller warnte, will Zetsche sich auf dem Weg zu einem Rekordjahr 2011 von der Katastrophe in Japan nicht bremsen lassen. Auf die Produktion von Daimler habe die Katastrophe in dem asiatischen Land bisher keine nennenswerten Auswirkungen, sagte Zetsche. Spätere Beeinträchtigungen wegen möglicher Lücken in der Lieferkette ließen sich aber nicht völlig ausschließen, räumte der Konzernchef ein. "Nach unserem Wissen ist glücklicherweise keiner der mehr als 13.000 Daimler-Mitarbeiter in Japan persönlich zu Schaden gekommen", sagte Zetsche und zollte seinen Mitarbeitern höchsten Respekt für ihren Umgang mit der schwierigen Situation.
Neben Japan machen dem Daimler-Chef auch die Konflikte in der arabischen Welt Sorge. Insgesamt sehe er aber trotz der aktuellen Krisen keine Anzeichen, dass die Weltwirtschaft von ihrem Erholungskurs abkomme, sagte Zetsche. "Aus heutiger Sicht gehen wir deshalb unverändert davon aus, dass auch die globalen Automärkte 2011 signifikant weiter wachsen werden."
Kooperationen immer wichtiger
Vor Herausforderungen stellt den Premiumhersteller zudem der strukturelle Umbruch in der Branche. "Die geografische Wachstumsverlagerung Richtung Asien geht genauso weiter wie der technologische Paradigmenwechsel Richtung Elektromobilität", sagte Zetsche und verwies in diesem Zusammenhang auch auf die geplante Elektroauto-Allianz mit Bosch. Für den Konzernchef ist es jedoch wichtig neue Wege zu gehen, ohne alte Stärken zu vergessen: "Natürlich forcieren wir die Entwicklung von Elektromobilität, aber deswegen werden wir die fossilen Verbrennungsmotoren nicht vergessen."
Auch in anderen Bereichen will Daimler mit Hilfe von Kooperationen verstärkt neue Märkte erschließen. Ein Beispiel dafür ist die geplante Milliarden-Übernahme des Dieselmotorenspezialisten Tognum gemeinsam mit dem britischen Triebwerksbauer Rolls-Royce. Tognum stellt Großdieselmotoren unter anderem für Frachtschiffe, Yachten, Schienenfahrzeuge sowie zur dezentralen Energieversorgung her.
Doch auch hier gibt es für Daimler in den nächsten Wochen noch hohe Hürden zu nehmen. Daimler und Rolls-Royce wollen sich die Übernahme 3,2 Milliarden Euro kosten lassen. Aktionäre und Analysten haben das Angebot von 24 Euro je Aktie bereits mehrfach aber als viel zu niedrig kritisiert. Auch das Tognum-Management, das die Übernahme grundsätzlich gutheißt, ist mit dem Preis nicht einverstanden. Doch Zetsche hält an dem Projekt fest. "Mit vereinten Kräften wollen wir einen schlagkräftigen Player im Off-Highway-Segment schaffen - mit erstklassigen Aussichten auf wachsende Marktanteile, steigende Umsätze und stabil hohe Renditen", sagte er mit erhobener Stimme um einen unverständlichen Zwischenruf zu übertönen.
Ein Reizthema für die Aktionäre ist auch die Beteiligung Daimlers an EADS. Anfang Februar war durchgesickert, dass Zetsche bei dem Luft- und Raumfahrtkonzern aussteigen will. Der Konzernlenker will sich stärker auf das Kerngeschäft des Autobauers konzentrieren. Außerdem hatte die Beteiligung häufig große Löcher in die Bilanz gerissen. Doch ein Ausstieg ist nicht so einfach: Die Stuttgarter und der französische Staat sind derzeit mit je 15 Prozent beteiligt, die französische Lagardère-Gruppe und ein deutsches Bankenkonsortium halten jeweils rund 7,5 Prozent. Diese deutsch-französische Machtverteilung will die Bundesregierung unbedingt erhalten.
Der Konzern sei derzeit in Gesprächen über seine künftige Beteiligung an EADS, berichtete Zetsche. "Wir sind bereit, in dem Unternehmen die industrielle Führung auf deutscher Seite zu behalten, wenn das gewünscht wird", bekräftigte er. Der Firmenchef deutete jedoch an, dass Daimler nicht gewillt sei, seinen derzeitigen Anteil von 15 Prozent zu behalten. Der Konzern sei bereit, bei EADS Verantwortung zu übernehmen, sei aber letztlich in erster Linie seinen Aktionären verpflichtet.
Erster weiblicher Vorstand
Fortschritte machte Daimler auf einem anderen Gebiet: 125 Jahre nach der Erfindung des Automobils konnte Zetsche erstmals einen weiblichen Vorstand präsentieren: Die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt vervollständigt jetzt die Führungsriege. Die 59-Jährige ist für das neue Ressort Recht und Integrität zuständig. "Ein zugebenermaßen überfälliger Schritt", räumte Zetsche ein. Der Autohersteller hatte sich bereits länger zum Ziel gesetzt, den Frauenanteil in der Belegschaft bis 2020 auf 20 Prozent zu steigern. Derzeit liegt er bei 12,5 Prozent.
Auch künftig werden Stellenbesetzungen bei Daimler nach Leistung entschieden, betonte Zetsche. Eine Beförderung hänge nicht von Geschlecht, Alter oder Herkunft ab, sondern vom Einsatz, sagte er unter Applaus. In einer Welt, die zunehmend bunter wird, sei Vielfalt ein Erfolgsfaktor. Und Erfolg will der Daimler-Chef weiter haben: "Niemals stillstehen, immer weitermachen und immer zu neuen Ufern aufbrechen", habe Kanzlerin Merkel dem Konzern anlässlich des 125 Jubiläums ans Herz gelegt, erinnerte Zetsche. "Ich versichere ihnen, wir werden diese Lehre beherzigen. Und Sie als Aktionäre werden daran einen Anteil haben."
Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts