"Fanhansa" und Torjäger-Spaghetti Das Geschäft mit der Fußball-EM boomt
10.06.2016, 07:53 Uhr
Auch die Mundhygiene bleibt von EM-Fieber nicht verschont.
(Foto: dpa)
Vom Dosenbier bis zur Luxusuhr: Mit der Fußball-EM lässt sich in nahezu allen Branchen bares Geld verdienen. Noch vor dem Eröffnungsspiel schwappt eine Werbewelle durchs Land - das wird sogar harteingesottenen Fans schnell zu viel.
Ob Banken oder Brauereien, Fluggesellschaften oder Waschmittelhersteller: Das Fußball-EM-Fieber hat fast alle Branchen ergriffen. "Die Bedeutung der EM als Sportereignis war immer hoch, durch den Gewinn des WM-Titels ist das Interesse nochmal gestiegen und damit auch die Relevanz für die Werbewirtschaft", beschreibt Manfred Parteina, der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) den Trend.
Noch vor dem Anstoß zum Eröffnungsspiel zwischen Frankreich und Rumänien am Abend schwappte eine Werbewelle über Deutschland hinweg wie selten zuvor. Die Commerzbank macht mit dem joggenden deutschen EM-Team Reklame für "Deutschlands schnellste Kontoeröffnung". Der Waschmittelhersteller Henkel wirbt für "das Waschmittel der Nationalmannschaft". Die Lufthansa präsentiert sich (erneut) als "Fanhansa".
EM soll Kauflust steigern
Und im Supermarkt, bei Bäckereien und in Fachgeschäften ist dem Fußball-Werbe-Wirbel erst recht nicht zu entgehen. Volltreffer-Brot und Lattenkracher-Brötchen beim Bäcker, Fußball-Sammelbilder und Nuss-Nougat-Brotaufstrich in der EM-Edition im Supermarkt und bei Discountern sollen die Kauflust der Fans steigern. "Fußball ist ein sehr emotionales Thema, das die Menschen bewegt. Mit Werbung, welche die EM-Thematik aufgreift, kann man sehr viele Menschen erreichen, auch solche, die sich sonst gar nicht so sehr für Fußball interessieren", beschreibt der Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU die große Attraktivität der EM für Werbetreibende.
Wie kaum ein anderes Event erreicht die Fußball-Europameisterschaft dabei die gesamte Gesellschaft. Das Angebot an EM-Offerten reicht vom Dosenbier in der "Fußball-Edition 2016" für bescheidene 89 Cent bis zur Luxusuhr des offiziellen UEFA-Uhrenlieferanten Hublot für 36.200 Euro im EM-Fenster eines Edel-Juweliers.
Selbst Unternehmen, die sich die Millionenkosten für Sponsoring-Verträge mit den Fußballverbänden zur EM nicht leisten können oder wollen - und deshalb das Turnier nicht ausdrücklich nennen dürfen -, springen gerne auf den Zug auf: Mit speziellen Produkten wie Eckbälle-Marzipan, Torjäger-Spaghetti oder Dosenbier in schwarz-rot-goldener Verpackung. "Sondereditionen ihrer Produkte zur EM sind gerade für Konsumgüterhersteller ein guter Weg, vom EM-Fieber zu profitieren. Die Kosten sind vergleichsweise niedrig und die Produkte kommen so wieder stärker ins Gedächtnis und ins Leben der Menschen", betont der Marketingexperte Fassnacht.
Nicht alle Branchen profitieren
Die Erfolge der EM-Werbung sind allerdings schwer vorauszusagen. Nach einer Auswertung des Marktforschungsinstituts IRi konnten bei der EM vor vier Jahren nicht zuletzt die heimischen Hersteller von Schokoriegeln und Knabberartikeln ihre Umsätze deutlich steigern - bei Kartoffelchips um mehr als acht, bei Schokoriegeln sogar um mehr als elf Prozent. Bei Bier und Biermischgetränken sei damals dagegen kein EM-Effekt zu erkennen gewesen, berichten die Marktforscher.
Eine aktuelle Umfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE) unter 300 Einzelhändlern zeigt denn auch gemischte Erwartungen. Mehr als 40 Prozent von ihnen rechnen demnach damit, dass sich die Fußball-EM auf ihr Geschäft auswirken wird. Doch wie, das ist durchaus umstritten. Fast die Hälfte geht davon aus, dass die gute Stimmung das Geschäft beleben wird. Doch nicht viel kleiner ist die Gruppe derjenigen, die befürchtet, dass die Fan-Veranstaltungen das Geschäft in den Innenstädten behindern werden.
Und natürlich besteht die Gefahr, dass so viel Werberummel am Ende etlichen Fans doch zu viel wird. In der Tageszeitung "Welt" machte ein entnervter Konsument seinem Ärger bereits Luft. Der Titel seiner Geschichte: "Ich will weder Gewinner-Gulasch noch Fan-Shampoo!".
Quelle: ntv.de, Erich Reimann, dpa