Allergie-Spritze drastisch teurer Das ist die meistgehasste Frau der USA
05.09.2016, 19:37 UhrDie unbeliebteste Frau in den USA heißt Heather Bresch. Die Chefin eines Pharmaunternehmens verfünffacht den Preis eines lebenswichtigen Medikaments – und gibt dafür anderen die Schuld.
Die USA haben einen neuen Pharma-Schurken gefunden: Die jüngste Empörungswelle angesichts drastisch erhöhter Medikamentenpreise ergießt sich nun über Heather Bresch, ihres Zeichens Chefin des Pharmaunternehmens Mylan. Der Anlass für den Zorn? Sie hat den Preis für eine lebensrettende Allergie-Spritze innerhalb von wenigen Jahren von 50 Dollar auf nunmehr rund 300 Dollar erhöht.
Das ist die gleiche Methode, die auch andere US-Pharmaunternehmen anwenden. So galt Martin Shkreli zeitweise als meistgehasster Mann des Landes und wurde als "moralisch bankrotter Soziopath" oder "Drecksack" beschimpft, nachdem er den Preis von einer Tablette des Medikaments Darapin von 13,50 Dollar pro Tablette auf 750 erhöht hatte. Es wird besonders bei Patienten mit einem geschwächten Immunsystem, beispielsweise HIV-Patienten, eingesetzt.
Shkreli ist mittlerweile gefeuert, er muss sich - allerdings nicht wegen der Preiserhöhungen – bald vor Gericht verantworten. Und er nutzt die Gelegenheit, auf die Firma Myles einzuprügeln: "Diese Typen sind Aasgeier. Was bewegt bloß den moralischen Kompass dieser Firma?"
Nun steht also Heather Bresch im Shitstorm – und ist sich keiner Schuld bewusst. Das mag verwundern, schließlich hat sie den Preis für die Epipens genannte Notfallspritzen drastisch erhöht. Sie sind mit Adrenalin (in den USA als Epinephrine bezeichnet) gefüllt und werden beispielsweise von Menschen eingesetzt, denen ein allergischer Schock – etwa durch Nahrungsmittel oder Insektenstiche – droht. Die Epipens haben in den USA keine Konkurrenz. Außerdem halten sie nur etwa ein Jahr. Danach müssen die unbenutzten, mehrere hundert Dollar teuren Spritzen entsorgt und ersetzt werden – sie kann man übrigens nicht einzeln, sondern nur im Doppelpack kaufen.
Damit nutzt Bresch nicht nur die Krankenkassen aus, sondern auch die zahlreichen nichtversicherten Amerikaner, die ihre Medikamente selbst bezahlen müssen. Im US-Gesundheitssystem ist das möglich, weil die Konzerne dort die Preise für ihre Medikamente selbst festlegen können.
"Niemand ist frustrierter"
Während das Weiße Haus von "Gier" sprach und US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton die Preiserhöhung als "empörend" bezeichnete, versuchte sich Bresch in Schadensbegrenzung – allerdings mit begrenzten Erfolg.
Das lag vor allem daran, dass ihre Begründung für die Preiserhöhungen ungewöhnlich war. "Als Mutter versichere ich Ihnen: Das letzte was wir wollen, ist, dass jemand wegen des Preises keinen Epipen bei sich trägt", sagte sie im Interview mit CNBC. "Niemand ist frustrierter als ich".
"Aber sie haben den Preis erhöht. Wie können Sie dann frustriert sein?", fragte der erstaunte Moderator. Breschs Antwort: Das System zwinge sie regelrecht dazu. Ihre Firma verdiene pro Packung mit zwei Spritzen nach der Preiserhöhung lediglich 137 Dollar pro Pen. Den Rest schlagen Versicherungen und Verkäufer drauf.
Angesichts der Empörungswelle will Myles bald ein eigenes Nachahmerprodukt anbieten – für rund die Hälfte des Preises, also rund 300 Dollar pro Doppelpack. Den Rabatt sollen aber nicht alle, sondern nur bestimmte Kunden erhalten. Und den können sie auch erst nach dem Kauf beantragen.
Und all das vor dem Hintergrund, dass die Produktion eines Pens die Firma dem Vernehmen nach nur wenige Dollar kostet. Oder wie es David Maris, Analyst bei Wells Fargo ausdrückt: "Es ist schon eine Herausforderung zu verstehen, wie das Management an einem Tisch sitzt und immer und immer und immer wieder den Preis für ein lebensrettendes Medikament erhöht. Und wenn der PR-Sturm losheult, beschließen sie, anderen dafür die Schuld zu geben."
Quelle: ntv.de