Fiskaldaten verfälscht? Druck auf griechischen Chef-Statistiker steigt
23.03.2015, 13:15 Uhr
Sein Vorgänger hat schöngerechnet, ihm wird genau das Gegenteil vorgeworfen: Andreas Georgiou.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Einen bedeutenden Teil zur griechischen Schuldenkrise hat die nationale Statistikbehörde Elstat beigetragen - sie schönte jahrelang die Fiskaldaten des Landes. Dann kam ein neuer Chef und legte ebenfalls Zahlen vor. Und wieder entsprechen sie nicht der Realität.
Die griechischen Behörden weiten ihre strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Präsidenten der griechischen Statistikbehörde Elstat aus. Andreas Georgiou wird vorgeworfen, für 2009 ein zu hohes Haushaltsdefizit ausgerechnet und damit Griechenlands Kreditgebern die Rechtfertigung für die unpopulären Sparmaßnahmen geliefert zu haben. Georgiou wird Kreisen zufolge weiter befragt. Damit sind die eigentlich als eingeschlafen gewähnten Ermittlungen wieder ins Rollen gekommen.
Der neuerliche Druck auf Georgiou dürfte die Spannungen zwischen Griechenland und seinen internationalen Gläubigern vertiefen. Denn eine politisch unabhängig arbeitende Statistikbehörde war Teil der unliebsamen Reformauflagen, die Europa und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland im Gegenzug für Finanzhilfen gemacht hatten, und die die neue griechische Regierungskoalition aus dem radikalen Linksbündnis Syriza und der rechtspopulistischen Partei Anel nun lockern will.
Rechnet Georgiou für die Gläubiger?
Die europäische Statistikbehörde Eurostat hatte die von Georgiou angegebenen Defizitzahlen akzeptiert. In der Vergangenheit hatte Eurostat des öfteren Vorbehalte bezüglich der Richtigkeit griechischer Fiskaldaten geäußert. Doch Georgious strikte Anwendung von Eurostat-Richtlinien auf die griechischen Staatsfinanzen ist etlichen griechischen Politikern und Elstat-Kollegen ein Dorn im Auge. Sie monieren, dass das in ihren Augen zu hoch ausgewiesene Haushaltsdefizit den griechischen Gläubigern bei der Vertretung ihrer Interessen in die Hände gespielt habe.
Der populistischen Rhetorik vieler griechischer Politiker zufolge ist die desolate Wirtschaftslage des Landes auf die Sparmaßnahmen des 2010 geschnürten Rettungspakets zurückzuführen und nicht auf den Verlust der fiskalen Kontrolle in den Jahren bis 2009. Die neue griechische Regierung hat parlamentarische Untersuchungen angekündigt, wer verantwortlich dafür war, dass Griechenland die strikten Sparauflagen aufgebürdet wurden, und ob sich die Anhäufung der massiven Staatsschulden durch Vorgängerregierungen im geltenden rechtlichen Rahmen bewegte.
15 statt 3,7 Prozent Defizit
Ende 2009 platzte die Bombe der griechischen Schuldenkrise, als ein Machtwechsel in Athen eine neue Haushaltsberechnung nach sich zog und die Regierung die der EU zuvor gemeldete Schätzung von 3,7 Prozent drastisch nach oben revidieren und ein Defizit von mehr als 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) einräumen musste. Das bereits hoch verschuldete Land verlor im Zuge dessen den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten und musste im Mai 2010 einem von den Regierungen der Eurozone und dem IWF geschnürten und mit drastischen Sparmaßnahmen verknüpftem Rettungspaket zustimmen.
Georgiou, der zuvor für den IWF tätig war, trat drei Monate später sein Amt als Elstat-Chef an. Im November 2010 erklärte die griechische Statistikbehörde, dass das für 2009 der EU gemeldete Defizit in Wirklichkeit über 15 Prozent des BIP betragen habe. Georgiou stieß mit seinen revidierten und von der Eurostat bestätigten Angaben nach eigener Aussage auf Widerstand innerhalb seiner Behörde.
Ein Staatsanwalt reichte Klage gegen Georgiou und zwei weitere Elstat-Mitarbeiter wegen gefälschter Daten und Pflichtverletzung ein. Bei einer Verurteilung drohen ihnen je fünf bis zehn Jahre Haft. Die Stop-and-go-Ermittlungen schienen letzten Sommer zum Stillstand gekommen zu sein. Georgiou hat die Vorwürfe gegen ihn vehement zurückgewiesen und von der Eurostat Rückendeckung bekommen. Er habe nur die Rechnungslegungsstandards der Eurostat angewendet, sagte er.
Auch Kammenos forderte Georgiou vergangenes Jahr zum Rücktritt auf und beschuldigte ihn, Anweisungen von Griechenlands ausländischen Kreditgebern auszuführen. Georgious strafrechtliche Verfolgung würde Griechenlands Schmerzen lindern, sagte er: "Sobald es eine endgültige Entscheidung über die Statistik-Revisionen gibt, wird keine Kreditvereinbarung und kein Rettungsmemorandum mehr gültig und Griechenland frei sein."
Quelle: ntv.de, bdk/DJ