Geoblocking bald Geschichte EU macht Online-Einkauf fairer
06.02.2018, 13:57 Uhr
Verbraucher sollen überall in Europa online zu gleichen Konditionen einkaufen können. Unklar ist, wie die Sachen nach Hause kommen sollen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bislang ist es gängige Praxis, dass Online-Kunden aus dem Ausland mehr beim Shopping bezahlen müssen als Inländer. Das EU-Parlament spricht von Diskriminierung und zieht einen Schlussstrich. Mit einer Ausnahme.
Viele EU-Bürger können ein Lied davon singen: Sie organisieren ihren Urlaub – sagen wir mal an der Algarve – und wollen dazu einen günstigen Mietwagen buchen. Sie klicken den freundlichen Anbieter vor Ort an, wollen bestellen und landen doch wieder auf den Seiten des bekannten Giganten und bei dessen fragwürdigen Preisen. Schuld daran ist das sogenannte Geoblocking, mit dem EU-Bürger vom Internethandel in Ausland abgehalten werden. Doch ist jetzt Schluss, wie das Europaparlament in Straßburg beschlossen hat. Die Zustimmung der 28 Mitgliedsländer gilt als reine Formsache. Tatsächlich abgeschafft werden die diskriminierenden Praktiken aber wohl erst im Frühjahr 2020.
Bis dahin dürfte das Geoblocking noch viele Käufer in der EU zum Narren halten. Nach Angaben der EU-Kommission wenden über 60 Prozent aller Websites diese Praxis an. Das heißt, dass die Verbraucher aller 28 Mitgliedsstaaten auf nicht einmal 40 Prozent aller Seiten im Onlinehandel zugreifen und einen Einkauf auch tatsächlich zu Ende bringen können, ohne diskriminiert zu werden. Denn den Standort der Besteller können Online-Händler anhand der IP-Adresse oder der Kreditkartenangaben erkennen. Dabei haben es die Bürger in Deutschland noch relativ gut. Die Bewohner kleinerer Länder hingegen, wie beispielsweise Luxemburg, Bulgarien oder Slowenien, können so viel klicken und scrollen wie sie wollen, am Ende klappt der Online-Kauf doch nicht.
Grenzen des digitalen Binnenmarktes
Vor allem bei Urlaubsangeboten ist die Praxis des Geoblockings noch weit verbreitet. Neben dem bereits erwähnten Mietwagenbeispiel trifft es auch jene, die einen Flug oder eine Veranstaltung in dem jeweiligen Land buchen wollen. Sie werden automatisch auf eine andere Seite mit meist teureren Produkten umgeleitet.
Ein typisches Beispiel dafür ist ein beliebter Freizeitpark nahe Paris. Nehmen wir mal an, eine deutsche Familie besucht Freunde in Frankreich, man verabredet sich zum Besuch dieses Freizeitparks und möchte die Tickets vorab online bestellen, um Wartezeiten an der Kasse zu umgehen. Während die Online-Buchung der französischen Freunde problemlos gelingt, werden die Deutschen vor dem Bezahlen mit der Kreditkarte auf ein Portal in Deutschland umgeleitet und müssen viel mehr für die Tickets berappen als die Franzosen.
Nach Angaben der Europäischen Verbraucherschutzzentrale BEUC trifft das Geoblocking aber auch Bewohner von Grenzregionen. Sie scheitern oft beim Versuch, online im Nachbarland zu bestellen, zum Beispiel in Baden-Württemberg an der deutsch-französischen Grenze oder in Brandenburg an der Grenze zu Polen. Die EU-Parlamentarier sehen darin eine Diskriminierung und einen Beleg dafür, dass der EU-weite digitale Binnenmarkt doch nicht so funktioniert, wie er sollte.
Die meisten Händler, die bislang das Geoblocking anwenden, scheuen sich oftmals nur vor unterschiedlichen Steuersätzen und hohen Versandkosten. Die neue Verordnung soll Fairness für alle Beteiligten ermöglichen. So soll es künftig untersagt werden, ausländische Käufer von einem Deal auszuschließen und auf andere Websites umzuleiten.
Noch nicht alles geregelt
Nach der neuen Regelung wird es aber auch dann problematisch, wenn beispielsweise ein Kunde aus Deutschland einen Kühlschrank in Italien kauft. Bietet der italienische Online-Händler generell keine Lieferung in das Wunschland an, soll der Käufer zumindest die Möglichkeit bekommen, seine Ware selbst abzuholen oder die Abholung durch einen Paketdienst zu organisieren. Weil dies natürlich unbefriedigend oder sogar sinnlos ist, müssen sich die Parlamentarier demnächst auch an die Reform das EU-Paketmarkts setzen. Dies gilt bislang als schwierig, denn Unternehmen wie Amazon könnten dadurch Zugang zu Logistiknetzwerken etablierter Paketdienste wie DHL erhalten. Ähnliches geschieht bereits auf dem Strom- und Telefonmarkt.
Ein Ärgernis für die Verbraucher ist auch, dass urheberrechtlich geschützte Waren wie E-Books, Musik und Online-Spiele von der neuen Regelung ausgenommen sind. Denn gerade Produkte wie CDs oder E-Books werden gerne online gekauft. Mit dieser Thematik muss sich die Kommission demnächst noch einmal gesondert befassen.
Streamingdienste ab März zugänglich
Bei bezahlten Filmstreaming-Diensten wie Amazon, Netflix oder Sky Go gelten noch einmal andere EU-Regeln. Auf diese hatten sich die Parlamentarier bereits im vergangenen Mai geeinigt. Demnach dürfen bereits ab diesen März Video-on-demand-Nutzer Filme, Serien oder Sportevents ihrer abonnierten Streamingdienste auch auf Reisen im europäischen Ausland ansehen. Hier gilt die Regelung: Was bezahlt ist, muss auch geguckt werden dürfen.
Allerdings erfährt auch diese Regelung eine Einschränkung: Sie gilt nur bei vorübergehenden Auslandsaufenthalten wie Urlaub, Dienstreisen oder Studienaufenthalte im EU-Ausland. Es wird dabei so getan, als würde der Nutzer von zu Hause aus auf "seine" Angebote zugreifen. Die Anbieter müssen also prüfen, wo der Kunde seinen Wohnsitz hat. Dazu dürfen sie Bezahl- und Steuerdaten, Post- und IP-Adresse benutzen. So wird ausgeschlossen, dass Verbraucher in einem EU-Land mit niedrigeren Preisen ein Abonnement bezahlen, den Dienst aber in ihrem Heimatland nutzen.
Quelle: ntv.de, ppo