Trickbetrüger an der Börse? FBI untersucht Avon-Offerte
16.05.2015, 04:02 Uhr
Hier stimmt etwas nicht: Bei näherem Hinsehen erweist sich das Übernahmeangebot für Avon als geschickt platzierte, aber dürfte Fälschung.
(Foto: REUTERS)
Eine mysteriöse Übernahmeofferte an der New Yorker Börse ruft die Ermittler auf den Plan. Aus dem Nichts heraus versucht eine bislang unbekannte Firma, einen weltbekannten Kosmetikriesen aufzukaufen. Die Sache riecht nach Betrug.
Ungewöhnliche starke Kurssprünge bei den Aktien des Kosmetikkonzerns Avon haben die US-Behörden alarmiert. Die Börsenaufsicht SEC habe Ermittlungen aufgenommen, berichtete das "Wall Street Journal". Die Bundespolizei FBI bestätigte, dass sie den Fall ebenfalls unter die Lupe nimmt.
Auslöser der Ermittlungen sind extreme Bewegungen der Avon-Aktie. Das Papier war am Donnerstag im Handelsverlauf um bis zu 20 Prozent nach oben geschossen, nachdem bei der SEC über die üblichen Kanäle ein formelles Kaufangebot eingegangen war.
Kurzes Kursfeuerwerk
Der angebliche Interessent PTG Capital Partners wollte demnach mit 18,75 Dollar je Anteilsschein drei Mal so viel für Avon bezahlen, wie das Unternehmen derzeit an der Börse wert ist. Auf Anfrage von Analysten gab Avon jedoch bekannt, bislang kein aktuelles Übernahmeangebot erhalten zu haben - weder von "PTG Capital Partners" noch von irgendeiner anderen Seite.
Kurz darauf schrillten bei der SEC die Alarmglocken. Schnell war von einem möglichen "Fake"-Angebot die Rede. Das mysteriöse Angebot schraubte die Avon-Übernahme auf ein Volumen von 8,2 Milliarden Dollar hoch. Erste Nachforschungen ergaben, dass die fragliche Firma mit dem Namen "PTG Capital Partners" offenbar gar nicht existiert.
Im Eifer des Gefechts
Die in den SEC-Unterlagen genannte Anschrift in London wäre altgedienten Analysten wohl gleich bekannt vorgekommen: Als Kontaktadresse nannte das Angebot 125 Old Broad Street, den früheren Standort der Londoner Börse, und eine Anschrift in Texas, die ebenfalls ins Leere lief. Damit erwies sich die Tarnung als dünn: Im hektischen Treiben des New Yorker Aktienhandels reichte die geschickt lancierte Offerte dennoch aus, außergewöhnliche Kursbewegungen auszulösen.
Lange musste die Täuschung auch nicht halten. Ein Angebot für Avon erschien vielen Marktteilnehmern plausibel genug, um nicht näher hinzusehen. Bis die Aufsichtsbehörde die Unstimmigkeiten in der Offerte entdeckte, verging gut eine halbe Stunde. Mögliche Mitwisser könnte in der Zwischenzeit enorme Summen verdient haben.
Firmensitz mitten im Ozean?
Den bei den Aufsehern hinterlegten Angaben zufolge ist die Gesellschaft angeblich auf britischem Überseegebiet im Indischen Ozean eingetragen. Spätestens hier mussten die SEC-Experten stutzig werden: Auf dem genannten Territorium, zu dem unter anderem das Atoll Diego Garcia mit einer größeren Militärbasis zählt, lebt überhaupt keine Zivilbevölkerung.
Dass sich dort eine Anlagegesellschaft angemeldet haben soll, erscheint abwegig. Selbst als Spur zu einer reinen Briefkastenadresse, wie sie viele zwielichtige Finanzfirmen in Steueroasen unterhalten, führte die Ortsangabe in eine Sackgasse: Nach Auskunft des britischen Außenministeriums gibt es für die kleine Inselgruppe gar kein Unternehmensregister.
Schwachstelle im System
An der Wall Street erinnerten sich Händler an frühere Vorfälle, bei denen das elektronische Meldesystem "Edgar" der SEC zu kurzzeitiger Verwirrung beigetragen hatte. Die "New York Times" verwies zum Beispiel auf einen ähnlich gelagerten Fall aus dem Jahr 2012, als sich die Rocky Mountain Chocolate Factory einer angeblichen Offerte einer Firma namens PST Capital Partners ausgesetzt sah.
"Der Betrugsversuch bei Avon unterstreicht die Schwächen des Systems Edgar", fasste das "Wall Street Journal" zusammen. Demnach reicht es selbst für milliardenschwere Kaufgebote aus, das System mit Basisangaben wie etwa einer gängigen Adresse und einem notariell beglaubigten Schreiben zu füttern. Bis die Angaben überprüft sind, haben die Märkte längst reagiert.
Quelle: ntv.de, mmo/rts