
Kann Biden an der Kandidatur festhalten, wenn immer prominentere Stimmen Zweifel an seiner Eignung äußern?
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Nicht nur Abgeordnete, Parteifreunde und Wähler gehen dem US-Präsidenten nach dem TV-Desaster gegen Donald Trump von der Fahne. Auch unter den Großspendern kommt Angst auf: Sie wollen nicht mehr Milliarden in eine "verlorene Sache" investieren.
Seit seinem desaströsen TV-Duell gegen Donald Trump vor zwei Wochen stemmen sich Joe Biden und sein Team mit aller Macht gegen den wachsenden Chor von Kritikern, die dem US-Präsidenten wegen Zweifeln an seiner geistigen Verfassung den Ausstieg aus dem Rennen ums Weiße Haus nahelegen. Hinter verschlossenen Türen lassen Bidens Unterstützer inzwischen nicht mehr nur ihrem Frust über den verkorksten Auftritt und die Sorge um die Altersschwäche ihres Kandidaten freien Lauf. Nun reden sie auch offen darüber, ihm den Geldhahn zuzudrehen.
Von der Wall Street bis Hollywood mehren sich die Stimmen, die Bidens Rückzug und die Krönung eines anderen Demokraten fordern. Vor allem unter den Geldgebern der Partei. "Stand heute würde es sehr schwierig werden, signifikante Spendenbeträge für den Präsidenten einzuwerben", zitiert die britische "Financial Times" einen Spender der Demokraten aus New York. "Seine Kandidatur zerfällt so schnell, dass es für ihn extrem schwer werden wird, im Rennen zu bleiben."
Ein anderer Großspender, der die Partei seit Jahrzehnten unterstützt, warnte in der "FT", der Geldfluss sei "im Begriff auszutrocknen". 90 Prozent aller Unterstützer, mit denen er spreche, hätten keine Absicht mehr, Bidens Kampagne Geld zu geben, "weil sie Sorge haben zu verlieren".
Ohne Geld keine Macht
Bisher haben sich Biden und sein Team nach dem TV-Desaster darauf konzentriert, abtrünnige Demokraten im Kongress oder Parteifreunde einzufangen, die dem Präsidenten öffentlich das Ende seiner Kandidatur nahegelegt haben. Telefoniert hat Biden deshalb bislang vor allem mit Abgeordneten, Gouverneuren oder Bürgermeistern. Die Spender waren bislang eine sichere Bank. Doch das könnte sich jetzt ändern.
Wahlkämpfe sind in den USA nicht nur politische Großwettbewerbe, sondern Mammut-Investments. Millionenschwere Werbekampagnen in den "battleground states" (übersetzt: umkämpfte Staaten), ein Heer zehntausender Aktivisten, die an Haustüren klingeln, hunderte Großauftritte und ein Stab hochbezahlter Mitarbeiter: Um diese Maschine am Laufen zu halten, sind hunderte Millionen Dollar nötig. Über Sieg oder Niederlage auf dem Weg zur Macht entscheidet am Ende auch die Finanzausstattung. Und deshalb ist das, was sich da im Hintergrund von Joe Biden zusammenbraut, ein Alarmzeichen.
Laut der Zeitung haben einige prominente Biden-Geldgeber - wie Schauspieler George Clooney, Netflix-Mitgründer Reed Hastings, oder Hotelmogul Stewart Bainum - ausdrücklich auf Bidens geistige Verfassung als Grund für ihre Forderung nach einem Rücktritt von der Kandidatur hingewiesen. Seit Bidens Performance bei der TV-Debatte hätte sich die Stimmung von "nicht enthusiastisch zu einfach nur wütend" entwickelt, beklagt sich ein Spendenbeschaffer der Demokraten.
Der teuerste Wahlkampf der US-Geschichte steht an
Akute Geldnot besteht zwar noch nicht: Bislang hat Joe Biden laut dem unabhängigen Wahlbeobachtungsinstitut Open Secrets rund 390 Millionen Dollar direkt oder von externen Unterstützergruppen eingeworben, bei Donald Trump ist es fast genauso viel. Aber der Trend ist das Entscheidende. Denn das Duell zwischen beiden Männern dürfte erneut der teuerste Wahlkampf der US-Geschichte werden.
Schon die Präsidentschaftswahl 2020 kostete laut Open Secrets alle Kandidaten zusammen rund 4 Milliarden US-Dollar. Um Trump zu besiegen, gab Biden damals als erster Politiker in der US-Geschichte mehr als eine Milliarde Dollar direkt aus. Hinzu kamen noch fast 600 Millionen Dollar von externen Unterstützern, die beispielsweise in eigenem Namen Werbung für Biden schalteten. Sollten sich die Spender abwenden, könnte Biden nicht wegen seines Alters, sondern wegen seiner Finanzierung schon früher die Puste ausgehen, als ihm lieb ist.
Die Frage ist, ob die angeblich schwindende Spendenbereitschaft für Joe Biden schon eine Tatsache ist. Oder ob die finanzielle Entfremdung einiger Geldgeber medial lancierte Heckenschüsse sind, mit denen seine Rivalen ihn erst aus dem Rennen zu drängen versuchen. Auch darauf gibt es Hinweise: Nach einer "anfänglichen Welle der Sorge", würden sich die Demokraten nun "um ihren mutmaßlichen Präsidentschaftskandidaten versammeln", schrieb ein Top-Geldgeber von Biden laut "FT" in der vergangenen Woche.
Doch womöglich ist es noch zu früh, den drohenden Stimmungswechsel allein an den Geldflüssen abzulesen. Viele Unterstützer warten wohl aus Respekt vor Biden noch ab. "Der Grund, warum noch nicht mehr Abgeordnete an die Öffentlichkeit gegangen sind, ist, dass sie Biden den Raum geben wollen, selbst die richtige Entscheidung zu treffen", sagt ein Geldgeber aus dem Umfeld von Chuck Schumer, dem demokratischen Fraktionschef im US-Senat, dem Blatt. "Das wird sich ändern, wenn Biden im Rennen bleibt."
Andere Anhänger der Demokraten blicken schon auf das Potenzial, das ein Ausscheiden von Biden auch finanziell für die Partei und ihre Gewinnchancen hätte. "Es wäre das Aufregendste, was je in der politischen Geschichte der USA passiert ist. Es würde Donald Trump die Luft abschneiden. Und die Aufmerksamkeit der Spender erregen, die alle nur still sitzen und niemand Geld geben", sagt ein Geldgeber.
Quelle: ntv.de