Gesundheitsminister im Interview "Griechenland ist sehr krank"
24.06.2015, 15:24 Uhr
(Foto: AP)
Griechenland gehe es seit Jahren fürchterlich. Der Patient brauche dringend die richtige Medizin, sagt Gesundheitsminister Panagiotis Kouroumplis im Gespräch mit n-tv.de
n-tv.de: Sie sind Gesundheitsminister eines Landes, dem es sehr schlecht geht. Wie kann man Griechenland helfen?
Panagiotis Kouroumplis: Wenn man feststellt, dass ein Mensch krank ist, muss man herausfinden, warum. Nur dann kann man ihn heilen. In den letzten fünf Jahren ging es meinem Land fürchterlich.
Und welche Medizin braucht der Patient?
Wachstum.
Wie krank ist denn Ihr Land?
Sehr krank. Nehmen Sie das Gesundheitssystem: Mehr als 2,2 Millionen Menschen haben keine Krankenversicherung. Das Budget für das Gesundheitssystem wurde kräftig zusammengestrichen. Für die Krankenhäuser gab es 2014 Mittel im Volumen von 1,5 Milliarden Euro. Für dieses Jahr ist eine Milliarde Euro veranschlagt. In den letzten Jahren haben 23.000 Beschäftigte den Gesundheitsbereich verlassen - darunter Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern. Nicht alle gingen in Rente. Viele Ärzte zogen es wegen der Kürzungen ihres Gehalts ins europäische Ausland - auch nach Deutschland -, um dort eine bessere Zukunft zu haben.
Ministerpräsident Alexis Tsipras hat der Eurogruppe Vorschläge präsentiert. Sind diese nicht auch die falsche Medizin?

Panagiotis Kouroumplis wurde beim Regierungswechsel im Januar 2015 Gesundheitsminister. 1996 wurde er zum ersten Mal Mitglied des Parlaments.
Die Vorschläge der griechischen Regierung enthalten die zwei entscheidenden Medikamente. Das erste sind Maßnahmen, die das Wachstum stimulieren. Das zweite ist eine Umstrukturierung der Schulden. Ohne das würde es Griechenland schlechter und schlechter gehen.
Wäre es angesichts der bisherigen Bilanz der Rettungspakete für Griechenland nicht besser, die Eurozone zu verlassen?
Wenn das passiert, wäre das eine große Katastrophe für ganz Europa.
Wie optimistisch sind Sie, dass es noch eine Einigung gibt?
Ich hoffe sehr, dass es eine Lösung gibt, die für Griechenland und ganz Europa gut ist - und dass niemand gedemütigt wird.
Sie erblindeten im Alter von zehn Jahren durch die Explosion einer deutschen Granate, ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Hat das Auswirkungen darauf, wie Sie das Verhalten der Bundesregierung im Schuldenstreit beurteilen?
Nein. Zu 100 Prozent nicht. Ich erkenne die Anstrengungen des deutschen Volkes nach dem Zweiten Weltkrieg an. Was mir Sorge macht: Deutschland war zweimal sehr mächtig und konnte damit nicht umgehen. Wenn Deutschland diesen Fehler der Vergangenheit wiederholen sollte, dann wäre das ein großes Unglück - für ganz Europa.
Mit Panagiotis Kouroumplis sprach Jan Gänger
Quelle: ntv.de